3. Venthak
Der grobe Sand wirbelte auf und das Wasser spritzte in alle Richtungen, als das Mädchen mit langem Anlauf über das Vorstaak am Bug des Schiffes lief, mit aller Kraft absprang und im flacheren Bereich landete.
Immerhin war sie so, nur bis zu den Rippen nass geworden.
Sie keuchte trotzdem auf, die Kälte nahm ihr im ersten Moment den Atem.
So schnell wie möglich versuchte Ferrya deswegen aus dem Wasser zu kommen, was sich aber als schwierig herausstellte, da der Kies unter ihren Füßen immer wieder wegrutschte.
Schließlich erreichte sie das Ufer, wo die meisten Soldaten schon warteten.
Ferrya stapfte durch den Sand zu ihrem Vater.
"Bist du sicher, dass keine Feinde da oben auf uns lauern?"
Sie hatte nicht wirklich Angst, verteidigen konnte sie sich gegen fast jeden.
Aber jeden konnte sie nicht verteidigen.
Und es hatten schon zu viele gelitten und waren gestorben.
"Ansonsten würde ich uns nicht da hoch schicken."
Victoan mochte es nicht, wenn man seine Entscheidungen anzweifelte.
"Nur weil du keine andere Wahl hast.", stellte sie fest und traf somit wieder seinen wunden Punkt.
"Eine Wahl hat man immer.", konterte er und zog die Augenbrauen zusammen, aber er wusste, dass sie alle anderen Optionen nicht überlebt hätten.
"Jeder hier würde genauso handeln."
Seine Tochter legte ihre Arme auf seine nasse Schulter und stützte den Kopf darauf, schließlich war er immernoch der Vater, den sie liebte.
Victoan wusste mit dieser Zuneigung nicht ganz so recht umzugehen und schob sie sanft von sich, sagte aber leise: "Wir werden das schaffen."
Ehrlich gesagt wussten sie beide, dass das nur ein leeres Versprechen war.
Schon auf dem Weg nach oben bereute Ferrya es, sich nicht helfen lassen zu haben.
Schwer vom kalten Wasser hing ihr Mantel und das weiße Kleid darunter von der Taille abwärts hinab und schleifte im Dreck.
Außerdem machte ihr die stechende Kälte zu schaffen, die sich nun mit kalten Fingern an ihren Leib klammerte.
Den Soldaten schien es nicht so zu gehen und Ferrya merkte, wie sehr sie durch die Tage als Tochter des mächtigsten Mannes verweichlicht war.
Hoffentlich wird das nicht noch zu einem größeren Problem,
dachte die junge Frau unglücklich, als sie spürte, wie ihre Beinmuskeln zu schmerzen begannen.
Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichte die Truppe die weite Ebene oberhalb der schäumenden See.
Die Sonne stand direkt über der Kante und Ferrya blieb bei dem Anblick, der sich ihr bot, der Mund offen stehen.
So weit das Auge reicht, hohe Wiesen und dunkelgrüne Wälder, die durch einen breiten Fluss geteilt wurden, der in der Ferne die Klippen hinunter ins Meer fließen zu schien.
Alles war in kühles Licht getaucht, das den Fluss wie einen Silberstreifen aussehen ließ.
Alle Schmerzen und die Kälte waren nun vergessen.
Einige Krieger rempelten sie an und ihr wurde bewusst, dass sie mitten im Weg stand.
Um den Anschluss nicht zu verlieren, lief sie ein wenig schneller vorraus, an die Spitze des Zuges, zu ihrem Vater, der jetzt einen Weg an der schmalen unbewachsenen Steinkante zwischen See und dem hohen Gras einschlug.
"Wohin gehen wir jetzt?" fragte die junge Frau, während sie gleichzeitig versuchte, mit ihn Schritt zu halten.
"Auf jeden Fall erst einmal weg. Dann in den Wald, wo wir nicht so schnell gefunden werden können." antwortete Victoan, sah aber noch nicht einmal zu Ferrya.
"Aha.."
Irgendwie kam sich diese ein wenig überflüssig vor.
"Vater, was ich nochmal ansprechen wollte, ist", fing sie an: "Also, kann ich endlich ein richtiges Schwert haben?"
Bislang hatte er ihr aus unerfindlichen Gründen verboten, ein eigenes Schwert zu besitzen. So hatte sie sich mit Messerwerfen und Nahkampf ohne Waffen begnügt, allerdings war es für sie sehr schwer gewesen ihre Gabe nicht zu benutzen. Die anderen hätten dann gegen sie keine Chance gehabt.
Lange Zeit sagte Victoan nichts, bis Ferrya glaubte, er habe sie nicht verstanden.
Grade als sie Luft holte wollte, um ihre Frage zu wiederholen, drehte er sich zu ihr um.
"Es hatte schon einen Sinn, warum ich dich in all den Jahren nicht mit einem Schwert in Kontakt gelassen habe.
Und glaubst du wirklich, dass jetzt der richtige Zeitpunkt dafür ist?"
Ferrya hatte keine andere Antwort erwartet, dafür hatte sie diese Frage schon zu oft gestellt, trotzdem hoffte ein winziger Teil in ihr immer noch auf dem Moment, in dem sie ihr ersten Schwert in den Händen halten wird.
Enttäuscht und auch ein bisschen wütend, kickte sie einen Stein ins hohe Gras.
Warum sie so gerne ein Schwert besitzen würde, wusste sie selber nicht ganz. Aber Metall übte eine Faszination aus, in dessen Bann sie schon seit ihrer Geburt stand.
Dabei war ihr der eigentliche Nutzen eines Schwertes, das Töten, mehr oder weniger egal.
Das Leben von bösen Menschen war Ferryas Meinung nicht viel wert, aber Unschuldige zu töten, fand sie schrecklich.
Aber nun ließ die junge Frau die ständigen Enttäuschungen nicht mehr auf sich sitzen.
"Wenn ich jetzt kein Schwert bekomme, wann dann? Morgen sind wir vielleicht alle tot und ein Schwert kann mir das Leben retten."
stieß sie wütend hervor.
Jedoch brachte dies nicht die erhoffte Wirkung.
"Ich kann nicht zaubern, Ferrya. Und wenn wir wirklich auf Einwohner treffen, wird dich ein Schwert auch nicht retten. Du kannst ja noch nicht mal damit kämpfen, geschweige denn töten. Falls du wieder fragen willst, NEIN."
Geschockt von dieser heftigen Reaktion blieb seine Tochter stehen, sodass sich die sowieso schon genervten Soldaten einen Weg um sie herumbahnen mussten, was aber ein schwieriges Unterfangen war, da links unten in der Tiefe die See schäumte und auf der rechten Seite ein Dickicht auf hohem Gras das Fortkommen verhinderte.
Keine Schwäche zeigen!
Ferrya setzte mit viel Willenskraft einen neutralen Gesichtsausdruck auf und versuchte so still zu bleiben, wie der Fels, auf dem sie stand.
Noch einige hundert Meter und sie hatten den Wald erreicht, in dem sie ihr Lager aufschlagen wollten. Dort konnte sie sich endlich ausruhen.
Bestimmt würde es Ferrya dann besser gehen.
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