Vier
Liiv hat sich unterdessen wieder auf mein linkes Widderhorn geschlängelt, welches ihr absoluter Lieblingsplatz ist.
Während ich sie ein letztes Mal noch streichle, meint Mephisto zu mir:
"Hättest du mehrere Schlangen auf deinem Kopf, könnte man meinen du seist Medusa höchstpersönlich."
Daraufhin fange ich an zu schmunzeln.
"Ach, eine reicht mir völlig!"
Kurz schaue ich zum Himmel hinauf, der mittlerweile von ziemlich vielen Wolken bedeckt wird.
"Sieht so aus, als ob es bald schneien wird."
Auch Mephisto schielt nach oben und stimmt mir zu.
"Na dann werd ich mal wieder gehen und nochmals vielen Dank", verabschiede ich mich und als ich gerade an ihm vorbei gehen möchte, fasst er mein Horn an.
"Hmm.."
Unverzüglich bleibe ich stehen und meine Wangen färben sich leicht rosa. Was ja auch nur all zu verständlich ist, denn nie zuvor berührte jemand mein Horn.
"Dürfte ich dich was fragen?"
"Äh.. ja, na klar", antworte ich ihm in einem schüchteren Ton.
Er fährt sanft den Rillen meines Hornes nach, was ein Kribbeln in meinem Bauch auslöst.
"Wie alt bist du Naomi?"
Etwas überrascht schaue ich ihn an, doch seine giftgrünen Augen sind weiterhin auf mein Horn gerichtet und mustern es intensiv.
"Vierundzwanzig, wieso?"
Doch es dauert einen Moment bis er mir schliesslich in aller Ruhe erklärt:
"Für das, dass Hörner ein Leben lang wachsen..", er streicht nun langsam der Aussenkante entlag, "..sind deine schon extrem gross."
Je näher er an das Ende gelangt, desto stärker wird dieses Kribblen und ich habe das Gefühl den Boden unter meinen Füssen zu verlieren.
"Und laut deinen Hörner", fährt er fort und stupst dabei paarmal die Spitze an, "solltest du schon über 240 Jahre alt sein."
Er lässt von meinem Horn ab, streicht sich mit der anderen Hand kurz nachdenklich über den Kinnbart, bevor er sich dann schliesslich auch meinen Augen widmet.
Voller Röte im Gesicht, will ich mich abwenden, doch aus irgendeinem Grund kann ich es nicht.
Mittlerweile starrt er regelrecht in meine Augen, in der Hoffnung eine Antwort finden zu können.
Und eigentlich sollte ich völlig schockiert über seine Aussage sein, aber ich bin es nicht.
Da ich die Antwort auf seine indirekt gestellte Frage ja schon längst kenne.
Schlimme Bilder, die ich schon lange irgendwo begraben habe, schiessen mir wieder in dem Kopf und ich werde von der einen auf die andere Sekunde immer trauriger.
Völlig überrascht fragt er:
"Habe ich was falsches gesagt?"
"Nein, nein", streite ich ab und gestikuliere dabei mit beiden Händen.
"Es ist nur..", ich schaue zur Seite und Tränen sammeln sich in meinen Augen.
"Naomi? Alles in Ordnung?"
Als er gerade seine Hand auf meine Schulter legen möchte, wehre ich sie instinktiv ab.
"Jaja, alles bestens, ich geh jetzt!"
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Frisch geduscht und wieder in meine alten Kleider geschlüpft, sitze ich mit einer heissen Tasse Kräutertee und etwas Knäckebrot am Fenster und beobachte die Schneeflocken, die vom Himmel rieseln.
Shiemi ist seit meiner Rückkehr mit büffeln beschäftigt und hat daher meine Traurigkeit nicht bemerkt.
Was auch gut so ist! Denn ich brauche kein Mitleid.
Immernoch leicht betrübt schaue ich aus dem Fenster und seufze.
Liiv seilt sich von meinem dunklen Widderhorn ab und sieht mich besorgt an.
Sachte streichle ich der Klapperschlange über den Kopf um ihr zu zeigen, dass alles okay ist.
Und da es sowieso nichts bringt Trübsal zu blasen, erhebe ich mich schliesslich und gehe zur Haustür.
"Wo willst du denn noch hin?", fragt mich Shiemi überrascht.
Ich lege mir, nachdem ich die Stiefel angezogen habe, den dicken Schal um den Hals und antworte:
"Raus."
"Aber es dämmert ja schon und ausserdem gibt es bald Abendessen", argumentiert sie weiter.
"Ich muss Toulous und Jambo finden", entgegne ich ihr und schlüpfe in den dicken Mantel.
"Kann das nicht bis morgen warten?", versucht sie es weiter.
"Nein. Ausserdem vergisst du, dass es sich um Dämonen handeln, weshalb sie vorallem Nachts unterwegs sind."
"Aber.."
"Danke, aber du brauchst nicht auf mich zu warten Shiemi", erkläre ich ihr rasch, ehe ich mir die viel zu grosse Kapuze über den Kopf ziehe.
Ich schnappe mir schnell meinen Rucksack und öffne die Tür.
"Bis dann", und schreite durch sie hindruch.
Ein immer eisiger Wind kommt mir entgegen, während ich schon seit Stunden durch die dunklen Gassen herumirre.
Viele kleinrangige Dämonen sind schon an mir vorbeigezogen, aber keine einzige Tholunder-Fledermaus oder geschweige denn ein Iksar-Shaman zu sehen.
Enttäuscht lasse ich mich auf dem Dach eines leerstehendes Hauses nieder.
Die Kirchenuhr schlägt unterdessen Mitternacht und ich betrachte diese gigantische Stadt von weit ausserhalb.
'Die Heiligkreuz-Akademie' besser gesagt,
so hat es mir zumindest Shiemi erklärt.
Sie erzählte mir auch, dass man hier viele Fächer studieren könne und das Sir Pheles, also Mephisto, der Direktor sei.
°Er ist schon etwas speziell..°, geht es mir duch den Kopf. °..Nicht nur äusserlich!°
Aber dennoch muss ich mir gestehen, dass dieser aufgeblasener alter Sack unglaublich viel weiss.
"Kann die Dame etwa nicht schlafen?", reisst es mich plötzlich aus meinen Gedanken und ich schrecke augenblicklich auf.
"Mephisto?"
Er nähert sich mir, wobei sein weisser Mantel im Wind weht.
Und obwohl ihn sein Zylinder eigentlich zur genüge vor dem Schnee schützen würde, hält er dennoch einen geöffneten, pinkfarbenden Regenschirm über seinen Kopf.
Als er schliesslich direkt vor mir steht, fragt er mich liebevoll:
"Darf ich mich zu dir setzen?"
~~~~~ca. 874 Wörter~~~~~
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