26. Kapitel - Das kommt mir bekannt vor...
"Warum denn so ganz alleine und einsam unterwegs?", fragte eine amüsierte Stimme neben mir, als ich gerade auf dem Weg zum Garten war. Ich blickte nach rechts und war verwundert, Jeff und Clint neben mir zu sehen. Ich hatte eigentlich wenig mit ihnen zu tun, aber mir sollte es recht sein. Jeff ging neben meiner linken Seite und Clint befand sich zu meiner Rechten. Es war bestimmt ein eigenartiges Bild, wie wir zu dritt über die Lichtung marschierten und die zwei Sanitäter breit lächelten.
"Erstens, bin ich nicht einsam, und zweitens, warum ist es verwerflich, alleine unterwegs zu sein?", wollte ich amüsiert von den Sanis wissen und sah zuerst den einen, dann den anderen Jungen an.
"Es ist nicht verwerflich", erklärte Jeff, "Wir waren gerade nur bei den Baumeistern. Simon hat sich den Daumennagel abgerissen und sein Hammer ist auf den großen Zeh von Joel geflogen. Das hättest du sehen müssen."
"Nein, danke, so 'was will ich nicht sehen.", ich verzog mein Gesicht und alleine der Gedanke an einen Daumen ohne Fingernagel war ekelhaft.
"Es wär's trotzdem wert gewesen.", Clint nickte, doch ich fragte: "Warum wart ihr überhaupt bei den Baumeistern? Hätten die beiden nicht zu euch in die Hütte kommen sollen?", mein Blick schweifte zwischen den zwei hin und her, bis Jeff mit seinen Schultern zuckte und seine Stimme erhob: "Na ja, Gally gibt niemandem eine Pause, also hat uns Adrian geholt."
Ich nickte, doch um ehrlich zu sein, ich wusste bis heute die ganzen Namen der Lichter nicht. Jedoch, ich konnte mir gut vorstellen, dass Gally seinen Baumeistern keine Pause gönnte. Immerhin wurde die Küche weiterhin repariert. Heute war der dritte Tag nach Chucks Einlage.
"Aber warum bist du nicht im Garten, kleine Rosaly?"
"Ich bin nicht klein!"
"Etwas", beharrte Clint, was mich meine Augen rollen ließ. Fakt war, dass ich einen halben Kopf kleiner als Jeff und etwas mehr als einen Kopf kleiner als Clint war.
"Gut, dann bin ich ein bisschen klein", gab ich zu, "Und aufgrund euer Frage, ich hab' Pfanne Kräuter gebracht."
"Langweilig", erwiderte Jeff, doch im nächsten Moment erreichten wir den Garten, weswegen sich die beiden Sanis von mir verabschiedeten.
"Dann bis irgendwann. Vielleicht sieht man sich bei deiner nächsten Verletzung."
"Ha, normalerweise wünscht man niemandem Verletzungen."
"War nur hypothetisch gemeint", beschwichtigte mich Clint, anschließend waren die beiden Jungs verschwunden.
Im Garten wurde ich jedoch sofort von Newt genervt, der mir erklärte: "Ich hab' dich nicht zum Plaudern mit Clint und Jeff zu Pfanne geschickt."
"Sie haben mich gefunden."
"Ausreden, billige Ausreden", nervte Newt weiter, der neben dem Dünger stand. Zumindest etwas von diesem, denn der Dünger wurde in der Nähe des kleinen Waldes aufbewahrt. Unter diesem Dünger verstand sich natürlich der Mist der Tiere. Niemand hatte Lust, den ganzen Tag den Geruch von Scheiße einzuatmen, wenn Wind über die Lichtung wehte. Eine andere Sache war der Kompost im Garten selbst, der alle vier Wochen zum eigentlichen Dünger transportiert wurde.
"Das sind keine Ausreden", beharrte ich schlussendlich, stellte mich vor Newt. Dieser schaufelte stinkenden Dünger in eine Schubkarre. Ich stand vor dem Blondhaarigen, streckte meine Hand hin zu seiner Schaufel aus.
Stirnrunzelnd reichte er mir diese, mit den Worten: "Was? Willst du diese Arbeit machen?"
Als ich den Stiel der Schaufel festhielt, ging ich einen Schritt zurück. Infolgedessen warf ich die Schaufel in den Dünger, wobei der Stiel genau in der Scheiße landete.
"Nein, ich will nicht helfen."
Nach diesen Worten klappte Newt die Kinnlade nach unten. Er sah zwischen der Schaufel und mir hin und her, aber ich entfernte mich bereits flott.
"Heb' die Schaufel auf, Rosaly!", rief er mir nach.
"Nein! Du bist schon den ganzen Tag nervig, das ist die Rache!", rief ich zurück und es stimmte; Newt nervte mich bereits seit dem Frühstück. Ja, es war keine Entschuldigung dafür, die Schaufel in den Dünger zu werfen, doch mir war die Idee spontan in den Sinn gekommen.
Selbstverständlich hatte ich später eine Rache vonseiten Newt ertragen müssen. Diese hatte darin bestanden, mich in den Kompost zu schubsen, als ich eine Schubkarre ausgeleert hatte. Dass ich ihm dies bis zum Abendessen übelgenommen hatte, sollte jedem klar sein. Der Tag bis zum Abendessen war jedoch ohne weitere Zwischenfälle verlaufen. Nun, jedenfalls dachte ich das bis zu dem Zeitpunkt, als Liv und Minho aus dem Labyrinth zurückgekehrt waren. Keine Sorge, es war nichts im Labyrinth geschehen, nichtsdestotrotz war nach dem Abendessen Unruhe zwischen uns eingetreten.
Ich hatte nämlich mit den zwei Läufern eine heiße Diskussion am Laufen gehabt, die der liebe Newt mit einem Kopfschütteln kommentiert und dabei alles interessant beobachtet hatte. Später war es jedoch so weit ausgeartet, dass Liv, Minho und ich in diesem Moment am anderen Ende der Lichtung standen und uns aufwärmten.
Ihr fragt euch sicher, warum aufwärmen? Na ja, in der Hitze unserer Diskussion war es darum gegangen, dass Minho von sich behauptet hatte, dass ich keine fünf Sekunden im Labyrinth überleben könnte. So groß mein Ego aber war, könnt ihr euch schließlich denken, dass ich heftig dagegen argumentiert hatte, und obwohl Minho natürlich vollkommen recht hatte, hatte ich behauptet, dass ich genau das Gegenteil meiner wahrhaftigen Fähigkeiten könnte.
Zu diesen Fähigkeiten zählte das Laufen, ohne dem Hinfallen. Newt wusste als einziger, wie es um meine Fähigkeiten stand, und hatte sich deswegen nur grinsend von uns verabschiedet, da er sich den Ausgang unseres Vorhabens bereits denken hatte können.
Unser Vorhaben, ja genau. Wir hatten beschlossen, ein kleines Wettrennen zu veranstalten, und deswegen standen wir hier wie drei Trotteln, die bestellt, aber nicht abgeholt worden waren. Wir wärmten uns auf, indem wir unsere Oberschenkel und Waden dehnten und wie bescheuert auf- und absprangen. Jedenfalls kam mir dieses Springen sehr bescheuert vor und meine Beine berührten immer wieder die Wiese unter mir.
Ja, natürlich ist mir bewusst, dass ich nicht gewinnen kann, dachte ich, als ich abermals in die Höhe sprang.
Ich war zwar nicht langsam, jedoch im Vergleich zu den Läufern war ich ein Nichts. Ein talentloses und unbegabtes Nichts. Meine größte Schwierigkeit lag darin, dass ich keine Ausdauer hatte und zu meinem Bedauern noch extrem tollpatschig war.
"Bereit?", witzelte Liv neben uns und sah Minho und mich abwartend an, wobei sie ihr Kinn provozierend in die Höhe streckte.
Nein, antwortete ich stumm in meinen Gedanken auf ihre Frage.
Ich und Minho beendeten kurz darauf unseren Blickkontakt, der den jeweils anderen herausfordern hatte sollen, und nickten der schwarzhaarigen Läuferin bestimmt zu.
"Oh, ich bin bereiter als bereit", hob sich Minho selbst in den Himmel. Wir hörten mit dem Strecken auf und vor uns erstreckte sich die Lichtung. Die Sonne war bereits hinter dem westlichen Tor verschwunden, doch die Welt war noch hell. Hinter uns befand sich die hohe Mauer, aber die von ihr ausgehende Kälte nahm ich nicht wahr. Durchs Aufwärmen war mir warm geworden.
"Hochmut kommt vor dem Fall, Minho", erwiderte Liv knapp auf die Worte ihres Freundes. Die Läuferin stand zwischen uns beiden, ihr Blick schweifte kurz zu mir. Ihre Stimme erklang: "Na, bereit, Rosy?", ihre rechte Augenbraue ging in die Höhe.
Langsam nickte ich, erwiderte: "Ja."
Liv neben mir zog ihre Augenbrauen fokussiert zusammen und setzte ein siegessicheres Lächeln auf. Man konnte ihr ansehen, dass sie gewinnen wollte und das um jeden Preis. Ob sie sich damit selbst etwas beweisen wollte oder ob sie Minho nur schlagen wollte, war ungewiss, obwohl ich auf Zweiteres tippte.
"Gut, dann eins", meine Muskeln spannten sich an, während ich etwas in die Knie ging, "zwei", ich hielt den Atem an, "drei und LOS!", gab Liv das Startsignal. Mein Körper erwachte zum Leben und zusammen sprintenden los.
Meine Beine setzten sich in Bewegung. Wir rannten über die Lichtung, wie irgendwelche Irren. Ich brauchte nicht allzu lange, um zu bemerken, dass meine Vermutung von vorhin korrekt war. Die Läufer hatten eine deutlich größere Ausdauer, was natürlich logisch war, sehr logisch war. So logisch, dass jeder, welcher etwas anderes behauptet hätte, sofort von allen als geisteskrank und vollkommen durchgeknallt beschrieben worden wäre.
Am Anfang konnte ich noch einigermaßen mithalten, jedoch war ich viel zu sehr damit beschäftigt, meine Füße im Auge zu behalten, auf jede ach so kleine Unebenheit im Boden zu achten, was nicht für eine erstaunliche Geschwindigkeit sprach. Schon ab der Hälfte der Strecke hatte ich die Befürchtung, an einem Sauerstoffmangel zu krepieren, und so, dass es auch jeder Lichter auf der Lichtung bewundern könnte.
Hilfe...
Als wir in der Nähe des Gartens waren, blickte ich zu den zwei Läufern vor mir. Sie stichelte sich gegenseitig an und schienen ganz versessen darauf zu sein, den Sieg für sich zu entscheiden. Somit schenkten sie mir keinerlei Beachtung mehr und ich beschloss, eine Abkürzung durch den Garten zu nehmen. Mein Vorhaben war nur zum Teil Schummeln, da wir solche Dinge im Vorhinein nicht besprochen hatten.
Ebendeswegen bog ich in den Garten ein, versuchte, so schnell wie möglich, diesen zu durchqueren. Meine Füße bewegten sich übers Gras und nur mehr wenige Hackenhauer kümmerten sich um die Bewässerung des Gartens. Auch ich sollte bei ihnen sein, doch Newt hatte mir seine Erlaubnis gegeben, mich dem blödsinnigen Vorhaben der beiden Läufer anzuschließen. Ein Vorhaben, das mich gerade, wie verrückt, durch den Garten laufen ließ. Ich kam gut voran, nun, dachte ich zumindest.
Denn hatte ich euch schon von meinem größten Feind erzählt, nein? Okay, gut, mein größter Feind war das fiese und mit einem Messer bewaffnete Karma, welches einem immer auflauerte, um sich zu rächen. Wie auch jetzt in meinem Fall.
Gerade, als ich um ein Beet biegen wollte, ja, wollte, passierte es; das Karma schlug zu. Wie es das Schicksal haben wollte, knallte ich wuchtvoll in jemanden hinein und rannte diesen jemanden über den Haufen. Ich verlor mein Gleichgewicht, überschlug mich gefühlt mit meinem Leidensgenossen ein Mal. Meine Welt drehte sich, ich spürte den Aufprall in meinem ganzen Körper. Mein Kopf brummte, als ich mit meinem Opfer unter Schmerzenslauten zum Stillstand kam.
Aua...
Ein Zischen verließ meinen Mund, während ich realisierte, dass ich am Boden lag. Besser gesagt, ich lag auf jemandem und erst jetzt bemerkte ich, wen ich gerade umgerannt hatte. Ich musste verlegen grinsen, wobei ich mir auf meine Unterlippe biss.
"Oh, fuck!", gab ich einfallsreich von mir und blickte auf Newt hinab. Ich hatte Newt umgerannt und lag nun auf ihm. Er lag rücklings am Boden und sah mir verwirrt in die Augen, wobei ihm seine Atmung stoßweise über die Lippen kam. Seine Hände lagen neben seinen Kopf, wo sich auch meine Hände im nächsten Augenblick befanden, als ich mich etwas aufrichtete.
"Oh Scheiße, tut mir leid. Ich hab' dich nicht gesehen. Hast du dir wehgetan, hab' ich dir wehgetan?", fragte ich ohne Unterbrechung. Den geringen Abstand zwischen unseren Gesichtern nahm ich in diesem Moment nicht wahr.
Als Newt jedoch lachend seinen Kopf schüttelte, kamen meine Sorgen zu einem Stillstand. Ein kleines Schmunzeln erschien folgend auf Newts Lippen, die sich öffneten, als er sprach: "Passt schon."
Er richtete sich ebenfalls auf. Ich saß nun mit meinen Beinen links und rechts von ihm auf seinem Schoß und musterte den blonden Lichter verwirrt, als er weitersprach: "Du hast mich nicht verletzt, alles gut, aber wenigstens sind wir jetzt quitt."
"Quitt?"
"Ja, quitt. Ich meine, jetzt warst du diejenige, die mich umgerannt hat", antwortete Newt und zwinkerte keck, um auf den Tag meiner Ankunft auf der Lichtung anzuspielen.
"Du hast mich schon zweimal umgerannt", erinnerte ich ihn, dass er mich in den Teich im Wald geschubst hatte.
"Wann?", tat Newt ahnungslos.
"Als ich dich beim Maisfeld erschreckt habe und du mir nachgelaufen bist. Du hast mich umgerannt und wir sind in den Teich gefallen."
"Nope, kann mich nicht erinnern.", Newt schüttelte leicht seinen Kopf, wenn ihn das immer noch existierende Schmunzeln auf seinen Lippen bereits als Lügner entlarvte.
Ich wusste, dass ich ihn nicht dazu bringen könnte, die Wahrheit zuzugeben, warum ich augenrollend seufzte. Anschließend blickte ich Newt in seine braunen Augen. Immer noch saß ich auf ihm, doch erst, als es still zwischen uns wurde, nahm ich die Nähe zu Newt wahr. Die warme Abendluft strich sanft über meine Haut, während wir uns tief in die Augen blickten. Ich wusste nicht, warum, doch in meinem Inneren formte sich eine Anspannung. Jeder Herzschlag wurde lauter, jede Sekunde erschien wie eine Ewigkeit. Die ganze Welt um uns herum verschwamm. Es gab nur uns beide.
Ich glaubte, meinen eigenen Atem zu hören. Newt starrte mich ebenfalls an. Die Welt schien einen Augenblick stehenzubleiben, bis Newt sich bewegte. Seine Hand streckte sich aus. Meine Augen beobachteten seine Finger, wie sie zu meiner linken Wange fuhren. Newts Hand legte sich sanft auf meine Wange. Die Berührung war zart, als würde er ein kostbares Porzellan berühren, das er nicht zerbrechen wollte.
Eine Berührung, die Hitze in meinem Körper auslöste. Ein Schauer durchlief meinen Körper, als ich spürte, wie sich seine Fingerspitzen auf meiner Haut abzeichneten.
Warum fühle ich mich gerade so, als würde mir schwindelig werden?
Dieses Gefühl verstärkte sich, als Newts Daumen vorsichtig über meine Wange strich. Braune Augen folgten dem Weg Newts Fingers, bis sich unsere Blicke trafen. Mir wurde wärmer und Newt schien zu realisieren, was gerade geschah.
"Ähm", äußerte sich mein Gegenüber und schnell verschwand Newts Hand von meiner Wange, "D-da war ein Erdfleck."
"Oh", erwiderte ich einfallsreich, erinnerte mich, dass der Garten frisch gegossen worden war, "i-ist er weg?"
"Was?"
"Der Fleck?"
"Ja, ja, der ist jetzt weg", bestätigte Newt.
"D-danke", stotterte ich weiter, blickte weg. Hitze stieg vermehrt in meine Wangen, doch in meiner Verlegenheit übersah ich, dass auch Newts Wangen ein Hauch von Rosa zierte.
Stattdessen verabschiedete ich mich flott von Newt, versuchte, das seltsame Gefühl in meinem Inneren zu vertreiben. Es war schlimm, dass ich so fühlte. Schlimmer wurde es jedoch, als ich daran dachte, dass ich schon des Öfteren in Newts Gegenwarts so gefühlt hatte.
Schnell verwarf ich diesen Gedankengang. Ich verließ den Garten und lenkte mich ab, indem ich nach Liv und Minho suchte. Diese fand ich kurz darauf und Minho hatte das Rennen verloren. Natürlich fragten die beiden mich, warum ich plötzlich verschwunden war, und ich erzählte es ihnen knapp. Selbstverständlich brachen sie in Gelächter aus und am Ende des Tages waren wir uns alle in einem vollkommen einig, und zwar, dass ich nie eine Läuferin werden würde.
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