Kapitel Zwölf
Vor zwei Jahren
Lena ist kurz davor sich an ihrem Schluchzen zu verschlucken.
Warum ist die Welt so?
Warum tut sie ihr das an?
Ihre Finger sind eiskalt und schon fast starr um das Geländer gekrallt. Wie festgefroren.
Der Himmel über ihr ist tiefgrau. Es scheint als würden selbst die Wolken vor etwas davon laufen so schnell ziehen sie vorbei.
Die Tränen auf ihrem Gesicht hinterlassen eine eisige Spur nach unten.
Wie kann es sein dass sie vorhin so viele Gefühle auf einmal verspürte und jetzt nur noch der Wunsch zu springen übrig ist?
Wie kann es sein dass ihr dieser letzte Schritt, das Loslassen des Geländer das für so viel anderes steht, dass sie damit endgültig das Leben loslässt als einzige Lösung erscheint?
Und wie kann es sein dass es überhaupt so weit gekommen ist?
Wieso ist Ivy so? So egoistisch und auf sich selbst bezogen?
Und wieso passt sie so gut in die heutige Zeit in der Menschen wie Lena kaum noch Platz haben?
Das Schluchzen bricht einfach so aus ihr heraus, sie kann es nicht kontrollieren geschweige denn unterdrücken.
Inständig hofft sie dass sie niemand hört.
Das sind ihre letzten Sekunden, ihre letzten Minuten alleine auf einem schmalen Grad, schmalem Steg zwischen Leben und Tod.
Zehn Zentimeter nach vorne und alles wäre vorbei. Das rauschende Wasser unter ihr hört sich so tröstend an.
Das rauschende Wasser das plötzlich von einer höhnischen Stimme unterbrochen wird.
"Spring doch, Lena. Spring, wenn du dich traust."
Sie muss sich nicht umdrehen um zu wissen wer da wenige Meter hinter ihr steht.
Wenn es ihr nicht egal wäre, wenn sie nicht selber springen würde, hätte sie Angst dass die Person hinter ihr sie schubsen könnte.
Lena antwortet nicht. Sie schließt nur die Augen. Ärgert sich über den Eindringling, der ihre letzten Momente zerstört.
"Spring doch, du Feigling.", schreit die Person jetzt so laut, dass Lena sich erschreckt und ein paar Vögel davonflattern.
"Du bist so erbärmlich, Lena. So erbärmlich. Nur weil du etwas nicht haben kannst das du möchtest willst du dir das Leben nehmen? Das kaufe ich dir nicht ab. Alles was du da tust ist eine Show.
Du hoffst darauf dass dich jemand findet bevor du springst und natürlich wirst du dann nicht springen weil du den Menschen denen du etwas bedeutet nur Angst machen willst. Angst damit sie dich behandeln wie die Prinzessin, die du denkst welche du bist.
Angst, damit sie dir alles geben was du willst, damit du dich nicht wirklich umbringt. Spring doch, Lena. Zeig mir dass du es ernst meinst."
Es ist still. Lena hat ihr Gesicht gen Himmel gereckt.
Ivy ist so ungerecht.
So ungerecht weil sie gar nichts versteht.
Sie versteht nicht dass Lena das nicht wegen den anderen macht, sondern wegen sich selbst.
Sie hat die Augen geschlossen und spürt nur wie ein Tropfen auf ihrer Wange landet.
Zuerst ist sie sich nicht sicher, ob das nicht eine ihrer Tränen ist, aber dann fängt es richtig an zu regnen.
Ihre Tränen vermischen sich mit den Tränen des Himmels und fast könnte man meinen die Welt trauert um Lena.
"Da siehst du's.", kommt es wieder von hinten, fast noch lauter als vorhin.
"Du springt nicht, weil du es nicht ernst meinst. Weil du dich nicht traust. Weil es genau so ist, wie ich gesagt habe. Weil du dich in den Vordergrund drängen möchtest. Du bist so erbärmlich."
Komischerweise tun Ivys Worte gar nicht mehr so weh.
Vielleicht weil Lena schon abgeschlossen hat.
Abgeschlossen mit Ivy und ihren Worten und Taten.
Abgeschlossen mit der Welt an sich.
"Spring doch.", schreit Ivy wieder. "Spring doch, Pummelchen."
Tief atmet Lena ein.
Tief atmet sie aus.
Breitet ihre Arme aus.
Und tut das was Ivy von ihr verlangt.
Springt in die kalte Gischt.
°°°
Ich liebe solche dramatischen Szenen.
Wie fandet ihr's?
Über Votes und Kommentare würde ich mich sehr freuen (:
xxx
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