Kapitel Fünfzehn
Immernoch geschockt liege ich am nächstes Morgen auf meinem Bett.
Matteos Schwester hatte sich umgebracht.
Und ich hatte kein Stück mit solch einer Aussage gerechnet als er mich auf einen Kaffee eingeladen hatte.
Erstaunlich, dass das nie die Runde in der Schule gemacht hatte, sowas verbreitet sich normalerweise wie ein Lauffeuer.
Ob ich richtig reagiert hatte?
Was ist überhaupt richtig? Gibt es in so einem Fall ein richtig und falsch?
So viele Gedanken in meinem Kopf und so wenig Platz.
Seufzend schließe ich meine Augen und massieren meine Schläfe.
Ich habe jetzt schon Kopfweh, dabei hat der Tag gerade erst begonnen.
Noch einmal atme ich tief ein und aus und hieve mich dann hoch.
Als ich mir unten mein Pausenbrot schmiere, scheint Mama meine gedrückte Stimmung zu spüren.
Sie legt die Zeitung weg, sieht mich an und hebt dann fragend eine Augenbraue.
"Ach Mama.", seufze ich. "Matteo ist so kompliziert."
Tatsächlich fängt sie an zu lachen.
"Ach, Mia. So sind Männer nun mal. Damit wirst du wohl oder übel zurecht kommen müssen."
"Matteos Schwester hat sich umgebracht.", meine ich dann und blicke vorsichtig von meinem Pausenbrot auf.
Mama sieht mich mit großen Augen an, dann sagt sie:
"Oh, okay. Das ist etwas anderes."
"Wusstest du davon?", frage ich dann obwohl ich die Antwort eigentlich schon weiß.
"Natürlich nicht. Das ist aber auch nichts was man eben mal so rausposaunt. Das muss eine schwere Zeit für ihre Familie gewesen sein. Weißt du wann das war? Matteo is doch erst neu in deine Klasse gekommen, oder?"
"Hm, seit einem oder zwei Jahren ist er in meiner Klasse."
Jetzt hat Mama ihren mitleidigen Blick aufgesetzt. "So eine arme Familie. Vielleicht haben sich Matteos Eltern deswegen getrennt.", überlegt sie dann laut.
"Die sind geschieden?", frage ich überrascht.
"Ja, ich habe mal mit seiner Mama gequatscht beim Elternabend als wir warten mussten. Sie ist sehr freundlich. Da hat sie das erwähnt. Ich rate dir Matteo einfach so wie immer zu behandeln. Mia, mach da kein großes Ding draus wenn er es auch nicht macht. Und jetzt ab in die Schule."
Dann scheucht sie mich vom Tisch.
Als ich in der Schule ankomme, ist Matteo noch nicht da.
Kurz beschleicht mich ein unwohles Gefühl, als er dann doch zwei Sekunden vor dem Läuten durch die Tür huscht.
Als er sich setzt, blickt er einmal zu mir nach hinten und lächelt mich süß an.
"Habt ihr euch jetzt schon geküsst?", raunt Hannah mir von der Seite zu.
Ich sehe sie nur böse an, weil sie die Antwort genau kennt.
Als die letzte Stunde vorbei ist, verstaue ich meine Bücher unter dem Tisch und hieve meine Tasche auf meine Schultern. Gerade will ich mich mit Hannah auf den Weg nach draußen machen, als Matteo zu uns rüberkommt.
"Hey Mia."
Sofort fange ich an zu lächeln. Wie automatisch.
"Hey Matteo."
Hannah räuspert sich kurz. "Bin dann schon mal bei den anderen. Lasst euch Zeit." und damit läuft sie davon.
"Wie geht's dir?", fragt er dann überraschender Weise.
"Mir geht's gut.", antworte ich verwirrt. Das hatte er noch nie gefragt.
Dann schlägt er vor: "Lass uns heute was unternehmen. Essen gehen oder einen Film schauen."
"Klar, lass uns einen Film sehen."
Bei dem Gedanken daran Matteo wieder so nah zu sein, fängt mein Herz erstaunlich schnell an zu schlagen.
"Bei dir?"
"Bei mir? Äh, klar, können wir.", antworte ich ein bisschen überrumpelt. Dann denke ich daran dass Mama heute ihren langen Bürotag hat und schlage deswegen vor: "Jetzt gleich?"
Matteo strahlt. "Klar."
Das Lächeln scheint sich in mir eingebrannt zu haben, immer wenn Matteo bei mir ist, denke ich und meine Mundwinkel ziehen sich fast noch weiter nach oben, während das Kribbeln in mir drin immer stärker wird.
Als wir uns langsam auf den Weg machen, schweigen wir, was aber ganz angenehm ist.
Kurz verabschiede ich mich von den Anderen, die wie so oft noch vor der Schule sitzen und quatschen und die uns jetzt relativ eindeutig angrinsen.
Ich versuche es zu ignorieren und laufe schnell weiter, während der Braunhaarige neben mir doch tatsächlich kichert.
Als wir bei mir zu Hause ankommen, frage ich: "Willst du was essen? Wir könnten Spaghetti mit Pesto machen."
"Das klingt perfekt."
Matteo scheint nicht sehr anspruchsvoll zu sein.
Also stelle ich einen Topf mit Wasser auf den Herd, schalte die Platte an und öffne den Schrank um Spaghetti zu holen.
Noch bevor ich mich wieder mit der Packung umdrehen kann, spüre ich Matteos Hände um meinen Bauch und seinen Oberkörper an meinem Rücken. Dann raunt er mir "Du bist so hübsch, Mia." ins Ohr und küsst die Stelle kurz darunter.
Überrascht zucke ich ziemlich heftig zusammen.
Als ich mich einigermaßen beruhigt habe, habe ich tatsächlich das Gefühl als würden Flugzeuge in meinem Bauch Amok fliegen während mein Atem stockt.
Er wird mich küssen, denke ich, oh mein Gott, er wird mich küssen.
Matteos Arme um meinen Bauch sind mir mehr als bewusst. Die Wärme seiner Finger frisst sich durch mein Oberteil.
Diese Nähe ist kaum auszuhalten für mich.
Langsam drehe ich mich also um um ihm in die Augen blicken zu können.
Matteo lächelt mich an.
Und wie er mich anlächelt. Ich muss aufpassen dass mir meine Knie nicht weich werden.
Himmel.
"So süß.", flüstert er dann und küsst mich kurz auf die Wange.
Keine fünf Sekunden später, in denen ich wie schwebe, landen seine Lippen auf den meinen.
Ich muss ehrlich damit kämpfen nicht umzufallen so sehr hatte ich mir das scheinbar gewunschen.
An die Spaghetti Packung denke ich erst wieder als ich meine Arme hinter Matteos Hals verschränken möchte und es so laut knistert, dass Matteo seinen Kopf verwirrt zurück zieht.
Dann lacht er.
"Ach, Mia."
Er nimmt mir die Spaghetti aus der Hand, legt sie auf die Küchenplatte und drückt mich dagegen.
Kurz sieht er mir noch einmal in die Augen und legt dann seine Lippen wieder auf meine. Seine Hände wandern über meine Taille zu meinem Po und hinterlassen eine Gänsehaut auf meinem gesamten Körper.
Es ist mir mehr als bewusst wo seine Hände liegen, als ich jetzt meine Arme hinter seinem Nacken verschränke - diesmal ohne Spaghettipackung.
Er drückt mich gefühlt noch näher und seine Körperwärme gibt mir ein mehr als gutes Gefühl.
Gerade bin ich dabei meine Hände von seinem Nacken zu seinen Haaren gleiten zu lassen, als das Geräusch von überlaufendem Wasser mich aus dieser Gefühlstrance reißt.
Überrascht, hektisch und mit klopfendem Herzen mache ich mich von Matteo los, stoße ihn fast von mir und hebe mit zitternden Händen den Deckel von dem übersprudelnden Wasser, während ich schnell die Platte herunter drehe.
Dann sehe ich Matteo mit großen Augen an und lache.
"So viel dazu.", kichere ich weiter und Schütte schnell ein paar Nudeln in das Wasser.
"Eigentlich habe ich jetzt gar keine Lust mehr auf Nudeln.", meint Matteo und grinst mich schelmisch an.
Himmel.
Dieser Junge.
"Lass uns doch was anderes machen.", murmelt er dann, kommt wieder auf mich zu und küsst meine Wange.
"Du und ich. Wieder nackt in deinem Bett zum Beispiel."
Ich glaube ich muss nicht erwähnen dass mir bei seinen Wörtern eine gewisse Hitze aufsteigt und ich hätte auch fast zugestimmt. Aber eben nur fast. Deswegen teile ich Matteo so sachlich wie möglich mit: "Die Nudeln sind gleich fertig."
Aber Matteo denkt gar nicht daran aufzuhören. Seine Hand legt sich auf meine Wange und dann fährt er mit seinem Zeigefinger über die Konturen meines Gesichts.
"Habe ich schon gesagt wie süß du bist?", fragt er dann und stupst mir auf die Nase.
Ich grinse ein bisschen dümmlich. "Nein."
Es scheint fast so als könne Matteo jetzt wo er mich geküsst hatte, seine Finger nicht mehr von mir lassen zu können.
Als ich die Herdplatte ausschalte und die Nudeln abgieße, sieht er mir lächelnd zu und zieht mich als ich fertig bin in seine Arme. Tief atme ich sein leichtes Parfum ein und genieße die Wärme, die er ausstrahlt, während ich die Augen schließe.
"Du hast wohl echt keinen Hunger.", murmle ich dann leise mit meiner Wange gegen seinen Hals gedrückt.
"Gut, essen wir Spaghetti. Danach haben wir immer noch genug Zeit."
Lachend mache ich mich also los von ihm und decke den Tisch, stelle die Spaghetti in einer Schale drauf und hole das Pesto.
Matteo ist nach zwei Tellern satt. Nachdenklich starre ich auf meinen Teller.
Wie gerne ich jetzt noch eine dritte Portion hätte.
Aber dann denke ich wieder darüber nach dass ich eigentlich abnehmen müsste und das Matteo doch mehr auf dünne Mädchen steht und mir vergeht der Appetit.
Also räume ich langsam ab und maschiere mit dem hübschen Jungen im Schlepptau in mein Zimmer.
"Was möchtest du sehen? Ich hab hier eigentlich nur Komödien, Schnulzen und... Schnulzen.", frage ich Matteo und versuche zu ignorieren dass er jedes einzelne Teil auf meinem Nachtisch in die Hand nimmt und begutachtet.
"Wow, doch so viel Auswahl. Hm, da muss ich glatt überlegen. Ich glaube ich nehme lieber eine Komödie, such du dir eine aus."
Jetzt liegt Matteo auf meinem Bett und hüpft ein bisschen darauf rum.
Ich versuche immer noch sein Verhalten zu ignorieren - er benimmt sich wie ein kleines Kind und stecke die DVD in meinen Laptop.
Dann lasse ich mich neben Matteo fallen, der endlich wieder normal daliegt und stelle den Laptop ab.
Fünf Minuten später liege ich in Matteos Armen und weiß gar nicht so genau wie das passiert ist.
Matteos Arme sind um mich geschlungen und mein Körper wird so dermaßen nah an seinen gedrückt, dass ich mir nicht sicher bin wo ich aufhöre und er anfängt.
Seine Finger fahren sanft über meinen Arm und hinterlassen dabei eine Gänsehaut.
Kann sein dass mir das tatsächlich ein bisschen peinlich ist und ich hoffe dass er sich zu sehr auf den Film konzentriert dass ihm das nicht auffällt. Das und dass mein Herz gleich zu hyperventilieren droht.
Tatsächlich kann ich es fast nicht glauben dass ich hier so nah mit Matteo liege und er mich festhält.
Ob ich wohl bald keine Jungfrau mehr bin, frage ich mich, vertreib den Gedanken allerdings schnell wieder bevor er mich auf falsche Gedanken bringt. Das wäre ja vielleicht doch ein bisschen zu früh.
Als der Film vorbei ist, kann ich nicht mal sagen, wie die Hauptfigur hieß, weil alles worauf ich mich konzentriert hatte, Matteos Wärme und Nähe war.
Als jetzt der Abspann läuft, will Matteo sich aufrappeln, wird allerdings von meinen Beinen und Armen behindert, weil ich ihn nicht loslasse.
Unwillig vergrabe ich meinen Kopf in seinem Shirt und murre unverständliche Dinge.
Matteo soll liegen bleiben und weiter mit mir kuscheln.
Ich will ihn nicht loslassen, weil ich Angst habe dass dieser schöne Traum dann zu Ende geht.
Matteo lacht nur und lässt sich tatsächlich wieder nach hinten fallen.
"Mia.", murmelt er dann.
"Hm?"
"Bist du ein bisschen Kuschelbedürftig?"
Sein Atem streift meine Wange.
Gerade will ich antworten, da höre ich ein lautes "Mia?" durchs Haus hallen.
"Oh."
Augenblicklich lasse ich den warmen Körper neben mir los und setze mich auf.
"Mia?", jetzt ist die Stimme näher und Schritte nähern sich meinem Zimmer.
"Äh...", stottere ich überfordert vor mich hin während mein Herz nervös klopft und frage mich, warum ich so panisch reagiere. "Äh..."
Unschlüssig stehe ich auf und warte bis sie die Tür öffnet.
"Hey Mama.", kichere ich dann und hoffe dass Matteo sich richtig hingesetzt hat.
"Hey Schatz.", fängt sie an, scheint dann aber Matteo zu bemerken: "Du hast ja Besuch."
Tatsächlich sieht sie überrascht aus. Als wäre es so abwegig, dass ich mal einen Jungen mit nach Hause bringe.
Völlig unbegründet klopft mein Herz schnell, so als hätte sie mich bei etwas verboten erwischt.
"Das ist Matteo.", murmle ich, drehe mich um und zeige auf den Braunhaarigen, der mit verwuschelten Haaren auf meinem Bett sitzt. Ich merke richtig, wie ich rot werde.
Matteo und mein Bett sehen so aus, als hätten wir es dort getrieben. Und wären an der spannendsten Stelle unterbrochen worden.
"Matteo, meine Mama.", sage ich und zeige auf meine Mama, die wie frisch gestiegelt aussieht, obwohl sie von der Arbeit kommt.
"Hey, Matteo. Schön dich kennen zu lernen.", meine Mama strahlt ihn an.
Dann wendet sie sich mir zu: "Habt ihr schon gegessen? Ich kann was schönes kochen."
Dieses Lächeln gefällt mir gar nicht. Es scheint gar nicht mehr zu verschwinden.
"Tatsächlich haben wir schon gegessen. Aber Matteo meinte vorhin, er müsse eh gehen.", sage ich dann, keine Ahnung warum. Und könnte mich kurz darauf schlagen.
Matteo sieht mich überrascht an, dann murmelt er, während er aufsteht: "Äh, stimmt. War schön Sie kennen zu lernen."
Er lächelt meine Mama nochmal kurz an, sagt dann sowas wie:" Ich find alleine raus. " und schwups, ist er weg. Hat mich nicht mal mehr angesehen.
Ich kann es ihm nicht mal verübeln, das war eine blöde Aktion.
Geknickt starre ich auf die Stelle auf der er vorhin noch gesessen war.
Meine Mama sieht mich nur worwurfsvoll an und mault: "Mia!"
Als ob das mein schlechtes Gewissen beruhigen würde.
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