Kapitel Acht
Ich komme mir fast blöd vor, so mit gebogenen und getuschten Wimpern.
Hannah hatte mir gestern noch gezeigt, wie man das Folterinstrument benutzt, aber ich habe trotz allem noch Respekt davor.
"Wow, Mia. Ist heute was besonderes?", fragt mich meine Mama überrascht und streichelt mir dabei über meine Haare. "Du bist so hübsch. "
Dankbar lächle ich sie an. Ich hatte ernsthaft überlegt wieder hoch zu gehen und mir die Maskara abzumachen, so lächerlich komme ich mir vor.
"Ne, ich dachte mir ich fang mal damit an.", antworte ich ihr, während ich mir angestrengt ein Pausenbrot schmiere.
Meine Mama lässt sich gegenüber von mir auf den Stuhl fallen und sieht mir tief in die Augen. "Sieht toll aus. Aber du brauchst keine Schminke, du bist auch so eine Schönheit. "
Ironisch grinse ich sie an und verdrehe meine Augen: "Typisches Mama Gelaber"
"Ich mein das ernst. Ich will nur nicht, dass du dich irgendwann ohne Make Up unwohl fühlst, Mia."
Ernst sieht sie mich an, bis sie sicher ist, dass die Botschaft bei mir ankommt.
"Und jetzt beeil dich... Du kommst noch zu spät."
Tatsächlich komme ich zu spät.
Aber immer noch früher als unsere Lehrerin. Also im Prinzip eigentlich pünktlich.
Hannah lässt kein Kommentar über meine Wimpern fallen als ich mich neben sie im Klassenraum auf den Stuhl fallen lasse, stattdessen lächelt sie mich nur an, sie kennt mich eben zu gut.
In der Pause, als wir uns alle im Hof versammelt haben, muss ich mir allerdings einiges anhören von meinen anderen Freundinnen.
Und das alles nur weil ich Matteo gefallen will, weil ich will, dass er mich nicht ignoriert, dass er mich wahrnimmt als Frau, als Person die man lieben kann, als mögliche Freundin. Klingt das zu abgedroschen?
Warum muss man um aus der Menge herauszustechen nur immer so hübsch und dünn sein? Warum reicht Intelligent und nett nicht einfach? Das ist etwas was ich hinbekomme, nett sein ist einfach. Aber hübsch? Mein Gesicht kann ich nicht verändern und ob Wimperntusche reicht um mich in einem anderen Licht zu sehen?
Warum nur mache ich mir so viele Gedanken darum? Nur für einen Jungen? Ist das traurig?
"Ich finde das sieht gut aus, Mia. Steht dir, is nur 'n bisschen ungewohnt."
Maja grinst mich aufmunternd an, sie scheint zu spüren, dass ich mich damit nicht wohlfühle.
Gerade will ich ansetzen um etwas zu sagen, da vibrierte es unauffällig in meiner Hose.
Eine SMS.
Wenn mich meine Mutter zum fünften Mal dran erinnern möchte, dass sie heute länger arbeiten muss, aber Lasagne im Kühlschrank steht, dann schreie ich.
In Erwartung meinen Mund schon geöffnet, bleibt er tatsächlich offen. Aber nicht weil ich so genervt bin, sondern eher weil ich so perplex bin.
Es ist doch tatsächlich eine SMS von Matteo.
Der Arsch denkt auch er kann tun und lassen was er will und ich würde mir das gefallen lassen.
Verächtlich schnaupe ich einmal und drehe dann mein Handy zu meinen Freundinnen, die mich schon fragend ansehen.
"So ein Vollidiot.", murmle ich dann. "Der will doch nur meinen Body abchecken."
"Samstag, 14:30 Uhr, Schwimmbad mit mir, ich hol dich ab.", liest Lia laut vor. "Klingt spannend. Ihr seid beide fast nackt und glitachig, daraus könnte sich etwas interessantes entwickeln."
Dann grinste sie mich schelmisch an.
"Entwickeln? Ich bin mir nicht sicher, ob ich überhaupt will, dass sich irgendetwas in irgendeiner Art und Weise entwickelt. Ich werd' aus dem Typen nicht schlau."
Abgesehen davon dass er mich verrückt macht. Er bringt mich dazu über mein Essverhalten nachzudenken, ob ich dünn genug, hübsch genug bin und darüber, ob ich Mascara und Lippenstift tragen will.
Das ist definitiv nichts Gutes, meiner Meinung nach. Ich will mich verändern, dabei bin ich doch gut so wie ich bin.
"Du musst es so sehen: Wenn ihr gemeinsam baden geht, dann kannst du auch seinen Body abchecken. Ich bin mir eigentlich sicher, dass er ein Six Pack hat." Lia grinst schon wieder so dreckig.
Sie scheint begeistert, während ich missmutig vor mich hingrummle: "Ich will dem aber nicht meine Problemzonen zeigen. Eigentlich will ich ihm gar nichts zeigen."
Nach ein paar Sekunden setze ich dazu: "Auch nicht meine guten Zonen."
Da habe ich natürlich auch ein paar. Nur das die sich in Grenzen halten. So spontan fällt mir tatsächlich gar nichts ein.
Was Matteo wohl für Problemzonen hat? Ob bei dem überhaupt sowas existiert? Der Typ dafür scheint er eigentlich eher nicht zu sein, viel zu selbstbewusst.
Bei dem sieht bestimmt auch ein Pickel gut aus, wie ein selbst. gewähltes Accessoire wahrscheinlich, wie eine Brille oder so.
Herrgott, dafür dass er mir eigentlich am Arsch vorbei geht, denke ich viel zu viel über ihn nach.
"Und? Sagst du zu?", holt mich Maja Gott sei Dank aus meinen Matteo-Gedanken.
"Ich weiß nich'.", meine ich, während ich mit meinen Fingern spiele. "Finde schwimmen irgendwie noch zu früh. Wir hatten bisher nur ein 'Date' ."
Das 'Date' unterstreiche ich damit, dass ich Gänsefüßchen mit meinen Fingern mache.
Hannah sieht mich wie erwartet entgeistert an. "Du wirst dich doch wohl mit Matteo treffen! Das ist die Möglichkeit unauffällig sein Six Pack zu stalken!"
"Ja, aber bei einem Date geht es doch nicht darum, ob der Andere einen guten Körper hat oder nicht, sondern herauszufinden, ob die Chemie stimmt. Und ich glaube aber dass das bei Matteo und mir nicht der Fall ist.", fachsimple ich.
"Ich glaube, du nimmst das alles ein bisschen zu ernst. Pass bloß auf, dass du keinen Spaß hast." Hannah verdreht theatralisch ihre Augen.
"Ach Mann, ich will einfach nicht... Ich hab' einfach Angst, dass er sich über mich lustig macht.", gebe ich dann zögerlich zu und sehedie anderen vorsichtig an.
Ich bin mir sicher, dass Matteo daran gewöhnt ist, perfekte Körper zu sehen, so wie Eva einen hat.
Die anderen sehen mich nur genervt an.
"Boah, Mia. Das ist jetzt echt nicht böse gemeint, aber manchmal bist du schon echt nervig. Warum sollte Matteo sich über dich lustig machen? Du bist toll."
Lia sieht mich Augen verdrehend an.
Und ich fühle mich gleich noch schlechter.
Sie hat ja recht, wieso nur bin ich so unsicher?
"Und was schreib' ich ihm jetzt?"
Unentschlossen sehe ich mein Handy und dann meine Freundinnen an.
"Du schreibst natürlich ja!", schreit Hannah mich schon fast an und reißt mir mein Handy aus der Hand.
Fünf Sekunden später in denen ich sie nur geschockt ansehen kann, gibt sie es mir zurück und mir starrt ein simples "Ja", das Hannah geantwortet hatte entgegen.
"Spinnst du?", flüstere ich dann mit großen Augen.
Hannah allerdings scheint kein bisschen schuldbewusst, sondern äußerst zufrieden mit sich und ihrer Aktion zu sein. "Gern geschehen."
Der Rest des Tages ist ziemlich aufwühlend.
Als ich Hannah gestehe, dass ich nur einen alten Badeanzug habe, weil ich schwimmen eigentlich hasse, schleppt sie mich von einem Bekleidungsgeschäft ins Nächste, bis ich einen Badeanzug finde, der uns beiden zusagt.
Zu einem Bikini lasse ich mich partue nicht überreden, da kann Hannah noch so schauen.
Es ist schon halb acht als wir endlich in einer Pizzeria ankommen und dort essen können.
"Gib's zu. Jetzt freust du dich auf morgen.", schmatzt Hannah mit halb vollem Mund.
Ich ziehe ihr nur eine Grimasse, widme mich wieder meinem Essen.
"Nein, ehrlich. Wir können auch tauschen.", schlägt sie dann vor.
Daraufhin verdrehe ich die Augen, ignoriere sie aber weiterhin.
Ganz unschuldig meint sie: "Vielleicht bin ich morgen ja zufällig um die selbe Zeit schwimmen."
Fast verschlucke ich mich an meiner Pizza. "Untersteh dich!"
Hannah grinst sich gerade einen ab. "Ach, morgen soll doch so schönes Wetter werden. Vielleicht nehm' ich Lia und Maja auch noch mit. Machen wir einen Mädelstag, nur noch mit Matteo eben."
Gekonnt ignoriert sie meine bösen Blicke und fügt leicht hämisch hinzu: "Dann seh' ich sein Sixpack auch."
Eigentlich wollte ich mir einen Kommentar verkneifen, aber ehe ich mich versehe ist mir ein "Lass mich und Matteo gefälligst alleine" herausgerutscht.
Da hatte ich mal wieder erst gesprochen und dann gedacht.
"Oh lá lá, Mia."
Anzüglich werde ich angegrinst, tatsächlich ist es mir ein bisschen unangenehm.
"Ach Hannah.", meine ich deswegen gequält.
"Schon klar. Rasiert hast du dich?", fragt sie dann neugierig. "Hast du schon mal wachsen probiert?"
Verwirrt sehe ich sie an. "Nee, hab ich nicht."
"Echt nicht? Musst du ausprobieren, macht viel weniger Arbeit als sich jeden Tag zu rasieren."
Überzeugt nickt sie.
Eine halbe Stunde später stehen wir im Laden und ich habe eine Packung Kaltwachsstreifen in der Hand.
"Und ich dachte die Einkaufshölle wäre für heute schon beendet.", stöhne ich.
"Jammer nich' so rum. Im Nachhinein wirst du mir dankbar ein."
Eine weitere halbe Stunde später sitze ich in meinem Zimmer, den Klebestreifen auf meinem Bein und kurz davor es abzuziehen.
Einmal atme ich noch tief durch - Hannah hatte mich vorsichtig darauf hingewiesen, dass es weh tun könnte und ich bereite mich innerlich schon auf das Schlimmste vor - aber es scheint noch schlimmer zu sein.
Geschockt starre ich mein Bein an, felsenfest davon überzeugt dass meine Haut mit abgerissen wurde und ich nur noch mein Fleisch sehen werde.
"Au.", murmele ich dann mit einiger Verspätung.
Was hatte Hannah mir da nur empfohlen!
Fast ein bisschen wütend schnappe ich mir mein Handy und wähle die Nummer meiner besten Freundin.
"Du Biest.", begrüße ich sie als sie nach dem dritten Klingeln abnimmt.
"Die Kaltwachsstreifen.", vermutet sie.
"Ja.", zischte ich sie durch den Hörer an. "Danke, dass du mir solche Schmerzen empfiehlst."
"Sei kein Baby.", murmelt sie. "Nach ein paar Mal tun die gar nich' mehr so weh."
Empört schnappe ich nach Luft, lege dann einfach auf.
Gerade als ich auf den roten Hörer drücke, zeigt mein Handy mir eine neue Nachricht an.
'Freu mich auf morgen.'
Sie ist von Matteo.
So schnell wir ich aufgelegt habe, wählen meine Finger wieder die Nummer meiner Besten Freundin.
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