2. Selbsthass
Das ist jetzt kein spezieller Oneshot, den ich überarbeitet habe, sondern eher eine Wiedergutmachung für die vielen Storys, in denen ich Depressionen / depressive Verhaltensweisen komplett falsch dargestellt habe.
Triggerwarnung: Selbstverletzendes Verhalten (psychisch und physisch), verzerrte Selbstwahrnehmung, Beleidigungen
(Ich hab das grad mitten in der Nacht geschrieben und werd es bestimmt nochmal überarbeiten wenn ich ausgeschlafen bin, nicht wundern)
„Schatz? Was ist los?"
Ich sehe auf, sage aber nichts. Über meine Wangen laufen Tränen und ich weiß, dass er sie sieht, aber das ist mir egal. „Warum weinst du?" Ich antworte nicht. Ich will nicht reden und selbst wenn ich wollte, wüsste ich nicht, was ich auf diese Frage antworten sollte. „Bitte red mit mir, was ist los?" Ich schüttle den Kopf, schaue dann wieder auf meinen Bildschirm, klicke auf respawn und laufe los, in die Richtung in der ich meine Items vermute. „Schatz? Bitte!" Ich schüttle erneut den Kopf, während ich immer stärker weine. Es ist mir egal, dass er sich Sorgen macht und ich weiß ganz genau, wie unfair das ist, aber ich blende es aus.
Einige Minuten lang schweigen wir uns an. Ich weine und sein Gesichtsausdruck wird immer besorgter. Ich minimiere den Discord-Tab, damit ich sein Gesicht nicht mehr sehen muss. Ich weiß, dass er mich schluchzen hören kann und dass man, auch wenn die Qualität meiner Webcam nicht die beste ist, ganz deutlich sehen kann, dass ich immer noch weine. Aber mir ist alles egal.
Ich habe meine Items wiedergefunden, aber ein Teil ist in der Lava verbrannt, unter anderem auch meine Glück III Spitzhacke. Ich weiß, dass das eigentlich kein Grund ist, sich aufzuregen, aber ich werde nur noch trauriger. Oder naja, eher noch enttäuschter von mir selbst. Ironischerweise hat der Feuerschutztrank überlebt, den ich nicht getrunken habe, weil ich dachte, ich schaff es vorher zum Wasser. Ich Idiot.
„Meine Spitzhacke ist verbrannt." Es ist das erste Mal seit bestimmt zehn Minuten, dass ich rede und dementsprechend hört sich meine Stimme auch an. „Und deswegen bist du so schlecht drauf?", fragt er zurück. Ich weiß, dass er mir keinen Vorwurf machen wollte. Es muss für ihn unglaublich schwer sein, mit meinen Stimmungsschwankungen klar zu kommen, doch auch das ist mir gerade egal. „Ja, ich darf schlecht gelaunt sein, wann und warum ich das will." „Aha." Wir schweigen uns weiter an. „Soll ich dir meine Spitzhacke geben?" Er meint es nett, doch ich greife sein Angebot als Vorlage auf, um mich noch weiter in meine Selbsthass-Spirale zu katapultieren: „Nein? Ich bin so unfähig, dass ich die auch verlieren würde. Mir darf man überhaupt nichts anvertrauen, erst recht nichts Wichtiges, das sollte dir doch bewusst sein." „Sei doch bitte nicht immer so scheiße zu dir selbst", fängt er an, doch ich unterbreche ihn: „Ich bin aber scheiße und hab das verdient. Ist ja auch egal, ich geh jetzt schlafen."
Und mit diesen Worten beende ich den Anruf, verlasse den Server, schließe Minecraft und fahre den PC herunter. Die ganze Zeit lang bin ich seltsam gefasst, weine nicht mehr, sitze nur da und führe nacheinander meine Aufgaben aus, wie programmiert.
Dann, als der Computer ausgeschaltet ist, stehe ich vom Schreibtisch auf, gehe ins Schlafzimmer und lasse mich dort auf das Bett fallen. Ich kralle mich in mein Kopfkissen und drücke es so fest an mich, dass es weh tut. Dabei kann ich nicht mal wirklich zuordnen, ob es wegen dem Druck oder wegen meinen Gefühlen so schmerzt.
Ich bin auf der einen Seite ein komplettes Gefühlschaos und kann auf der anderen Seite weder meine Gedanken noch meine Emotionen benennen, so leer fühle ich mich an. Würde mich jetzt jemand fragen, warum es mir schlecht geht, könnte ich keine sinnvolle Antwort geben. 'Weil ich in Minecraft gestorben bin'. Ich bin erwachsen, das ist lächerlich. Erwachsene weinen nicht wegen einem Videospiel. Erwachsene sollten überhaupt nicht weinen, sondern die Gefühlsduselei den Kindern überlassen.
Mir geht es gut. Ich habe ein Bett, in dem ich schlafen kann. Ich habe einen Job. Ich habe einen Freund, den ich über alles liebe. Ich habe einen gefüllten Kühlschrank. Ich habe Freunde und Familie, die mich bedingungslos unterstützen. Und trotzdem geht es mir schlecht.
Ich fühle mich unglaublich undankbar, während ich auf meinem Bett liege und verzweifelt nach meinem Armband greife. Es ist aus Silikon und ich habe mir extra einen Zehnerpack gekauft, damit ich immer eins dabeihaben kann. Es beruhigt mich, damit zu spielen und es um meine Finger zu wickeln, doch jetzt gerade reicht mir das nicht. Ich ziehe an dem Gummiband, so fest ich kann und lasse es dann gegen mein Handgelenk schnalzen, immer und immer wieder, bis sich ein wunderschöner blauer Fleck abzeichnet und die Haut angeschwollen ist. Die Schmerzen sind unangenehm. Sie fühlen sich falsch an. Ich höre auf und massiere meinen Unterarm. Nicht mal Selbstverletzung kann ich richtig durchziehen, ich bin wirklich nutzlos.
Ich rolle mich unter meiner Bettdecke zusammen. Zum Umziehen habe ich nicht genug Energie. Dann greife ich nach meinem Handy. Mein Freund hat mir geschrieben. 'Was ist los? Alles okay bei dir?' Ich antworte: 'Ja, alles gut, keine Sorge. Bin nur müde und das mit der Spitzhacke hat mich genervt. Gute Nacht <3'.
Dann lege ich das Handy wieder weg. Ein Lügner bin ich also auch noch. Na ganz toll.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro