Kapitel 45
Ich weinte haltlos, doch David hielt mich nach wie vor fest und legte seinen Kopf beruhigend auf meinen. Alles in meinem Kopf überschlug sich. "Sie war meine erste Freundin hier bei euch", nuschelte ich dann endlich, "Sie war meine beste Freundin! Natürlich hätte ich ihr geholfen! Lieber hätte ich mich töten lassen, als dabei zuzusehen, wie Lara getötet wird!" David strich mir über den Kopf. Das war nicht gerade hilfreich, denn ich konnte sowieso keinen klaren Gedanken fassen. Ob Florian noch hinter uns war, bemerkte ich gar nicht.
Ein paar Minuten standen wir da, ohne dass einer von uns auch nur ein Wort sagte. Doch irgendwann wurde diese Stille durch einen Schrei durchbrochen. Der Schrei kam von unserem Revier! Sofort hatten David und ich wieder so hohe Konzentration, wie es uns in dieser Situation möglich war, und wir liefen los. Zu Lara umdrehen wollte ich mich jetzt gar nicht mehr, wahrscheinlich hatte Florian sie schon total zerstückelt.
Ich spürte gar nicht mehr, wohin meine Füße mich trugen, ich vertraute ihnen einfach. Doch David hielt mich die ganze Zeit über an der Hand. Als wir am Sammelplatz waren, sah ich einen Wolf am Boden liegen. Aus der Ferne sah er schwarz aus, und ich dachte zuerst, sie hätten Ben erwischt, doch dieser stand mehr oder weniger unverwundet daneben. Aber David riss die Augen auf, startete nach vorne, und kniete neben dem dunkelbraunen Wolf nieder, der sich kurz darauf in einen Menschen verwandelte. Es war ein älterer Mann mit einem Lächeln auf den Lippen. "Vater", presste David hervor, der sich noch genauso wenig von dem Schock mit Lara erholt hatte, wie ich.
Auch ich begriff endlich, wer das war, und ließ mich neben David fallen. Adam. Sie hatten nicht nur Lara, sondern noch dazu auch unseren Alpha getötet. Kurz darauf hörten wir eine rauchige Stimme hinter uns. "Meine Lieben, kommt ihr bitte?", sagte die Stimme von Tobi, und versuchte unschuldig zu klingen, "Wir haben die größten Probleme beseitigt, wir können gehen." Alle Hellen drehten sich um, und gingen. Ich allerdings wollte mich gar nicht umdrehen, denn ich wollte Florian nicht ansehen.
"Vater", sagte David wieder, diesmal lauter und beugte sich über seinen leblosen Vater. "Wir haben alles versucht, David. Tut uns leid", erwiderte Ben, der mittlerweile auch bei seinem Onkel kniete. Diesmal war es David, dessen Tränen nicht mehr zu bremsen waren. Diesmal hielt ich ihn fest, damit er nicht zu sehr durchdrehte. So verharrten wir ein paar Minuten lang.
"Anna", sprach David mich dann an, seine Stimme war immernoch tränenerstickt, "Du weißt, was ich dir gestern vor deiner Höhle gesagt habe. Bereits über viele Jahre hinweg waren unsere Alphas aus deiner Familie. Möchtest du mir die Ehre machen, und an meiner Seite die Rolle der neuen Alphas übernehmen? Bist du bereit, deinen rechtmäßigen Platz einzunehmen? Bitte, Anna. Ich möchte dich nicht zwingen, aber bitte! Ben steht es nicht zu, und ich möchte, dass du an meiner Seite bleibst!" Kurz schloss ich die Augen, und blickte in mein Herz. "Ja!", hörte ich es schreien, somit war die Sache für mich eindeutig.
"Ja, sehr gerne, David", sprach ich dann laut aus. Mir war klar, dass David mich jetzt nicht jubelnd anspringen würde, doch ich merkte Erleichterung in ihm. Der Junge wandte sich so lange wieder seinem Vater zu. "Es tut mir leid, Vater. Ich habe nie gewollt, dass es soweit kommt. Aber ich schätze, deine Arbeit hier ist getan. Ich werde dich immer in meinem Herzen behalten, und deine Rolle nach bestem Wissen und Gewissen übernehmen." Dann stand David wackelig auf, und suchte im Stehen sofort nach meiner Hand. Nun waren wir also ein Paar. Das ging schnell.
"Ben? Machen wir es?", wandte David sich dann an seinen Cousin, der nur nickte. Gleich verstand ich nicht, was sie vorhatten, doch dann hoben die beiden Adam auf, und trugen ihn weg. Das restliche Rudel folgte ihnen, denn mittlerweile waren alle wach. Sie trugen ihn einen Hügel hinunter, wo sie ihn erstmal ablegten. Anschließend verwandelten sich beide, und begannen ein Lock in den Boden zu buddeln. Jetzt verstand ich. Sie wollten Adam begraben. Gemeinsam hieften sie ihn also hinein, und verschlossen das Loch wieder.
David stellte sich neben mich, und suchte wieder nach meiner Hand. "Es war uns eine Freude, an deiner Seite leben zu dürfen, Vater. Unter deinem Schutz zu sein, von dir geführt zu werden. Ich bin mir sicher, keiner von uns hat damit gerechnet, dich jetzt zu verlieren. Doch deine Arbeit hier ist getan, das wissen wir alle. So ruhe nun in Frieden, wir werden dich für immer in unseren Herzen einschließen.", sprach David schniefend einige improvisierte Abschlussworte. Ich drückte seine Hand, und wir alle gingen zurück auf den Sammelplatz.
Sowohl David als auch ich blickten zu dem großen Felsen hinauf, auf dem wir ab jetzt wohl öfter stehen würden. Dann ließ David seinen Blick durch das Rudel schweifen. "Ich habe erstmal nichts zu sagen. Ihr könnt alle gehen, wir müssen alle einen großen Schock verarbeiten", gab er den anderen zu verstehen, die sich daraufhin schon in alle Richtungen verstreuten. David allerdings ging mit mir zusammen zu meiner Höhle, und Amy folgte uns.
Dort angekommen brach auch ich wieder in einen Wasserfall von Tränen aus, denn dieser Ort erinnerte mich an Lara. Jeder Winkel, viel zu sehr. Amy merkte, wie es mir ging. Gut, das war auch schwer zu übersehen. Sie blickte um sich. "Wo ist Lara?", hakte sie dann vorsichtig nach, obwohl sie die Antwort bestimmt schon kannte. Bei dieser Frage schloss ich die Augen, und dachte an meine Freundin. "Tot", sagte ich dann kurz angebunden, nachdem ich in Gedanken ein paar schöne Momente mit Lara nochmal erlebt hatte.
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