Kapitel 29
Neugierig starrte ich auf die Stelle im Unterholz, von der aus ich das Rascheln vernahm. "Flo?", fragte ich in den Wald hinein. Plötzlich sprang ein weißer Wolf auf mich zu. Ich hatte also Recht! "Bu!", machte er, als er sich schwungvoll in seine Menschenform zurück verwandelte, und sich wie beim ersten Treffen neben mich auf den Boden fallen ließ. Erst da bemerkte ich, dass seine Frisur heute wunderschön war. "Lass das, Anna!", ermahnte ich mich.
"Ich sehe, mein Wunsch ist wahr geworden!", grinste Flo. Zugegeben, ich war verwundert. Sehr verwundert. "Dein Wunsch?", sprach ich meinen Gedanken ungewollt aus. "Naja, seit du angegriffen wurdest, haben wir nicht mehr miteinander geredet. Überhaupt bist du mir aus dem Weg gegangen", erklärte er. Ich nickte, und da fielen mir meine Gedanken wieder ein. "Ja, du hast Recht, ich bin dir aus dem Weg gegangen, tut mir leid. Ich dachte nur, du bist ein Heller, und so. Du weißt ja. Aber eigentlich bist du ganz nett, und du hast während unserer kurzen Bekanntschaft schon so viel für mich getan", startete ich meine Erklärung, wobei ich Florian nicht anschaute, sondern mal wieder nur den Boden anstarrte, "Eigentlich bin ich hierher gekommen, eben weil ich mit dir reden wollte. Bei den Dunklen herrscht gerade teilweise echt dicke Luft."
"Was ist denn passiert?", erkundigte er sich, und stand gleich auf, denn offensichtlich saß er nicht für längere Zeit auf einem Fleck. "Lass uns eine Runde gehen", fügte er dann noch schnell hinzu, als hätte er meine Gedanken gelesen, was ich irgendwie lustig fand. Generell war es eine gute Idee, spazieren zu gehen, denn einfach nur rumsitzen und reden war dann auch nicht unbedingt die beste Option. Also stand ich mit einem kräftigen Nicken auch auf, und stelle mich neben ihn, bereit zum Gehen.
Als wir uns weiter vom Baumstumpf entfernt hatten, fragte Florian nochmal, was passiert war. "Du bist passiert", antwortete ich seufzend, denn das war die erst beste Antwort, die mir einfiel, "Also, dass meine ich nicht so, wie du jetzt vielleicht denkst! Es sind nur viele sauer auf mich, weil ich mit dir, einem Hellen, befreundet bin. Aber auch am Anfang waren schon viele mir gegenüber abgeneigt, weil ich ein Halbblüter bin."
Beim letzten Wort zuckte mein Freund plötzlich zusammen. "Aber es kann ihnen doch egal sein, ob wir befreundet sind, oder nicht?", versuchte er auszuweichen, doch ich hatte es genau bemerkt. "Was hast du gegen Halbblüter?", fragte ich mit etwas wütendem Unterton. Ich wollte nicht, dass sich zwischen uns beiden wieder ein Streit aufbaute. Nicht jetzt, wenn ich ihm endlich vertraute. "Das ist jetzt nicht wichtig. Wir reden jetzt über dich", wich der Feigling wieder aus. Ach du meine Güte. Er war es wohl wirklich nicht gewohnt, über seine Probleme zu reden. Allerdings konnte ich das verstehen, denn mir fiel es auch nicht immer leicht.
"Was ist?", fragte ich nochmal, als ich immernoch keine Antwort erhalten hatte. Keinesfalls wollte ich aufdringlich wirken, doch ich machte mir Sorgen um meinen Freund. "Mein Vater war Halbblüter", erklärte Flo dann endlich, und ich hörte an seiner Stimme, dass er den Tränen nahe war, "Er kam erst kurz vor meiner Geburt zu den Hellen, weil er sich davor immer dafür geschämt hatte, was er war. Kaum war er hier, hat man ihn getötet. Bei uns ist man nicht so tolerant mit Halbblütern, wie bei euch. Man wird sofort getötet, sobald heraus kommt, dass man kein Vollblut ist. Deswegen hatte ich auch Angst um dich. Du bist so ein nettes Mädchen, und ich hatte Angst, dass sie dich auch gleich töten würden."
Oha. Nun musste ich zugeben, dass ich echt geschockt war. Ich schaffte es jedoch nicht, etwas zu erwidern, sondern ging nur stumm neben Flo her, dem schon die erste Träne die Wange runter kullerte. Kurzerhand ließ ich mich einfach so auf den Boden fallen, wie er es immer tat. "Wenn man weint, geht es sich nicht so gut", erklärte ich ihm meine Tat warm lächelnd, als er neben mir Platz nahm.
In dem Moment war es mein erster Instinkt, meinen Freund einfach zu umarmen. Irgendwie fand ich den Gedanken komisch, da ich noch nie einen Jungen umarmt hatte. Mal ganz abgesehen davon, dass noch nie einer vor mir geweint hatte. Dadurch war ich mit der Situation ziemlich überfordert. Doch ich tat einfach das, was ich für richtig hielt. Also rückte ich vorsichtig an Flo heran, und legte meinen Arm langsam um seine Schulter. Immerhin wollte ich keinen von uns überfordern.
Gerade wie wir hier so saßen, und ich mein bestes gab, Flo zu beruhigen, hörten wir neben uns ein Knurren.
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