Zwanzig
ZWANZIG
Klara
Um halb drei mache ich mich auf den Heimweg. Ich will vor meinen Eltern da sein. Ich kenne sie ja. Wenn es heißt um drei, sind sie wahrscheinlich um zehn vor drei da. Zum Glück habe ich gestern aufgeräumt. Nicht das es bei uns unaufgeräumt wäre, aber für meine Eltern kann es gar nicht aufgeräumt genug sein.
Als ich mein Auto zwei Blocks weiter abgestellt habe und endlich an meiner Wohnung ankomme. Und wie erwartet, stehen meine Eltern gut gebräunt schon vor meiner Tür.
„Oskar, da ist sie", höre ich meine Mutter schon von weitem begeistert sagen.
„Hey ihr zwei. Schön euch endlich zu sehen", sage ich wahrheitsgemäß und lasse mich von beiden umarmen. Erst jetzt wird mir wirklich bewusst, wie sehr ich die beiden wirklich vermisst habe.
„Wir freuen uns auch wirklich. Aber vielleicht gehen wir erst einmal rein", schlägt Mama lächelnd vor. Ich nicke und schließe auf. In der Wohnung angekommen, gucken sich beide erst einmal um.
„Es ist wirklich schön hier. Sehr geschmackvoll eingerichtet", meint Mama staunend und hängt ihre Jacke auf.
„Vielen Dank. Wir fühlen uns auch richtig wohl. Sollen wir uns setzen?", frage ich und deute auf das große Sofa.
„Ja und so kam dann alles heraus. Niklas hat zwar noch einen Vaterschaftstest gemacht aber jetzt bemüht er sich wirklich. Ich meine Lina macht es ihm ja auch nicht schwer. Sie liebt ihn ja ohnehin." Meine Eltern sind mittlerweile schon fast zwei Stunden bei mir und es gab noch keinen Streit. Nach dem üblichen: Wie geht's und ihren Urlaubsberichten, wollten beide aber sofort Erfahren was es mit Linas Krankheit auf sich hat.
„Klara, dein Vater und ich, wir sind wirklich sehr stolz auf dich. Wie du das all die Jahre geschafft hast. Neben der Arbeit ein kleines Kind aufziehen und dann noch in einer fremden Stadt. Wir hätten damals anders reagieren sollen. Im Nachhinein tut uns das beiden wirklich sehr, sehr leid. Nicht nur, weil wir unsere Enkelin so selten sehen konnten. Auch dich haben wir dadurch irgendwie verloren. Du bist unsere einzige Tochter. Umso schöner ist es jetzt, dass ihr wieder in München lebt". Meine Mutter ist ganz ergriffen und kämpft mit den Tränen. Ich glaube so habe ich sie noch nie gesehen.
„Deine Mutter hat Recht, Klara. Wir haben dich wirklich vermisst. Es war ein riesiger Fehler von uns, dich nicht so zu unterstützten wie du es eigentlich verdient hättest. Stattdessen haben wir dir noch Vorwürfe gemacht, einfach so abzuhauen." Auch mein Vater ist gerührt und tätschelt während seiner Rede Mamas Hand.
„Das freut mich wirklich zu hören. Es gab schon Zeiten in denen ich euch furchtbar vermisst und auch gebraucht hätte, aber ich glaube diese Zeit hat mich stärker gemacht. Und verloren habt ihr mich nie. Ich hab nur irgendwie gedacht, dass ihr mich nicht mehr als Tochter haben wollt. Das ich euch enttäuscht habe", gebe ich zu und muss nun auch mit den Tränen kämpfen.
„So ein Unsinn. Du bist doch unsere Tochter", meint meine Mutter leise und schüttelt verzweifelt ihren Kopf.
„Vielleicht versuchen wir das alles zu vergessen und wagen einen Neuanfang". Ich bekomme von den beiden ein zustimmendes Nicken.
„Wollt ihr nicht auch zum Abendessen bleiben? Ich denke Lina kommt auch gleich und dann könnten wir doch gemeinsam essen", schlage ich vor und hoffe inständig das sie wirklich noch bleiben.
„Das würden wir gern, aber wir sind schon bei Becks zum Essen eingeladen. Die beiden haben Hochzeitstag. Aber wie wäre es denn, wenn ihr zwei einfach mitkommt. Ich glaube es wird Zeit, dass Lina auch ihre anderen Großeltern kennenlernt", meint Mama und ist total glücklich über ihre Idee.
„Mama, ich weiß nicht. Das ist glaube ich keine gute Idee. Wir sind doch gar nicht eingeladen. Außerdem wird Niklas sicherlich auch dort sein. Und seine Verlobte".
„Ach ja, diese impertinente Person."
Papa schüttelt den Kopf. „Ich glaube auch, dass sich die beiden freuen würden dich und vor allem Lina zu sehen."
Ich sehe meinen Vater nachdenklich an. Niklas wird mir den Hals umdrehen.
„Also gut. Vielleicht ist es ja wirklich eine gute Idee", stimme ich zu und wähle die Nummer meiner besten Freundin. Ich muss Lina schließlich noch abholen.
„Sehr schön. Dann würde ich vorschlagen, du machst dich fertig und dann holen wir zusammen unsere Enkeltochter ab", meint Mama strahlend. So gut wie in den letzten Stunden haben wir uns schon Jahre nicht mehr verstanden.
Ich nicke und gehe erst in Linas Zimmer und packe ihr noch ein paar frische Sachen ein. Man kann ja nie wissen. Danach stehe ich ratlos vor meinem Kleiderschrank. Es ist zum Haareraufen.
„Hast du noch dein schönes Kleid? Das violette, welches wir dir mal gekauft haben? Darin siehst du so gut aus", höre ich Mama neben mir flüstern. Ich habe sie gar nicht hereinkommen gehört.
„Meinst du ich kann das Anziehen?" frage ich unsicher. Dieses Kleid habe ich erst einmal getragen, - zum 60. Geburtstag meines Vaters.
„Aber sicher".
Ich nicke und begebe mich ins Badezimmer, traue mich gar nicht mich im Spiegel zu betrachten. Eigentlich müsste ich meine Haare waschen, aber dafür habe ich keine Zeit mehr. Also mache ich mir schnell einen lockeren Zopf. Make -up muss ich nicht mehr auftragen, nur etwas erfrischen. Zum Schluss kommt das Kleid. Ich bin gespannt, ob es überhaupt noch passt. Als ich es das letzte Mal anhatte, war es schon etwas knapp. Ich will ja schließlich nicht wie eine Presswurst aussehen.
„Mama? Kannst du mir bitte beim Reißverschluss helfen?" rufe ich durch die Tür. Nur wenige Minuten später öffnet diese die Tür.
„Du hast sehr viel abgenommen, Klara", meint Mama mit besorgter Stimme. Sie hat Recht. Das Kleid sitzt viel lockerer.
„Während Lina im Krankenhaus lag, hab ich kaum etwas gegessen."
„Ach mein Mädchen. Du bist so schnell groß geworden. Ich weiß noch wie du so alt warst wie Lina jetzt."
Ich sehe meine Mutter lächelnd an, ehe ich ihr einen Kuss auf die Wange gebe.
Eine halbe Stunde später parkt mein Vater sein Auto vor dem Haus der Becks. Lina war ganz begeistert, als sie erfahren hat wo wir hingehen. Erst einmal hat sie aber ihre Großeltern stürmisch begrüßt.
„Dann wollen wir mal", meint Papa und klingelt wenig später.
Peter macht die Tür auf und sieht uns glücklich an. Es doch schön hier zu sein, auch wenn ich weiß, dass Niklas wenig begeistert sein wird.
„Klara, wie schön das du gekommen bist. Und das ist wohl unsere Enkeltochter", meint Fiona kurze Zeit später, ehe sie Lina an sich zieht.
„Hallo", meint diese nur leise. Und umarmt ihre beiden, für sie noch fremde, Großeltern.
„Kommt rein. Die Eltern unserer zukünftigen Schwiegertochter sind auch schon da. Ich finde sie ja etwa speziell", meint Peter grinsend und macht hinter uns die Tür zu.
Auf in den Kampf.
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