ZEHN
ZEHN
Eine Woche später habe ich mit Lina den gewünschten Nachsorgetermin in der Klinik. Lina hat in den letzten Tagen richtig schlapp gemacht. Fast täglich hat sie über Kopfschmerzen geklagt. Gestern wurde ich sogar in die Schule gerufen, da sie umgekippt ist. Langsam mache ich mir wirklich Sorgen.
„Lina, wenn dich gleich der Arzt fragt ob alles gut ist, dann musst du bitte die Wahrheit sagen. Das ist ganz wichtig", erkläre ich meiner Tochter, während wir vor den Untersuchungszimmern warten.
Diese nickt lediglich und baumelt mit ihren Füßen.
„Lina Morgenstern, bitte".
Im Untersuchungszimmer wartet Niklas schon auf uns. Heute scheint er gute Laune zu haben.
„Hallo Lina, was macht der Fuß?", fragt er lächelnd, während er sich Handschuhe anzieht.
„Na ja, der Fuß tut eigentlich gar nicht mehr so stark weh. Aber ich habe seit ein paar Tagen Kopfschmerzen und mir ist immer wieder so schwindelig."
„Gestern hatte sie in der Schule sogar einen Kreislaufkollaps", ergänze ich besorgt.
„Alles klar. Strecke mir mal bitte deine Zunge heraus", bittet er. Ich sitze angespannt auf meinem Stuhl und warte ab.
„Ja, die Zunge ist ganz rot. Meike, nehmen Sie bitte Blut ab. Ich möchte ein großes Blutbild. Die Ergebnisse bitte sofort in mein Büro. Ich nehme die zwei Damen mit", meint Niklas ehe er aufsteht.
„Muss ich denn weiterhin diese Schiene anziehen?", fragt Lina auf dem Weg in Niklas Büro.
„Ich würde sie schon noch tragen. Ich kann dir das gleich mal an einem Modell zeigen", antwortet Niklas grinsend und lässt uns in sein Büro.
„Du hast doch schon einen Verdacht, oder?", frage ich Niklas während wir auf das Ergebnis des Bluttests warten.
„Allerdings, aber um dich nicht zu beunruhigen, werde ich dir meinen Verdacht nicht äußern."
Zehn Minuten später kommt Sophie zu uns ins Büro.
„Ich habe die Ergebnisse", teilt sie uns freundlich mit.
„Danke. Sophie, würden Sie bitte Lina mit zu sich nehmen?", fragt Niklas höflich. Diese nickt lediglich und verlässt mit unserer Tochter den Raum
Während Niklas den Befund studiert, nage ich nervös an meinen Nägeln. Eine schreckliche Marotte.
„Mein Verdacht hat sich leider bestätigt. Lina leidet an einer Thalassämie. Einer Form der Blutarmut. Ein Gendefekt. Kannst du dich erinnern, dass es in deiner Familie schon mal so einen Fall gab?"
Bitte was?
„Nein. Niklas was bedeutet das?" frage ich verwirrt nach.
„Es ist eine Erkrankung der roten Blutkörper, bei denen, durch eben diesen Gendefekt nicht genügend Hämoglobin produziert wird. Ich könnte dir jetzt auch erklären wieso es zu Linas Symptomen kommt, aber das ist viel zu kompliziert."
„Das hatte niemand bei uns in der Familie. Muss sie jetzt Antibiotika nehmen?", frage ich aufgewühlt.
Niklas lächelt etwas und faltet seine Hände.
„So leid es mir tut, Klara. Antibiotika helfen dabei leider nicht. Eine Therapiemöglichkeit wären regelmäßige Bluttransfusionen. Diese müssen dann allerdings lebenslang durchgeführt werden."
Ich sehe ihn geschockt an. Das kann doch nicht sein Ernst sein.
„Gibt es denn keine andere Möglichkeit?" Ich sehe ihn hoffnungsvoll an.
„Doch gibt es. Eine Stammzelltransplantation", gibt er bedenklich zu.
„Ja gut, das machen wir", sage ich ohne nachzudenken. Erst im Nachhinein kommt mir in den Sinn, was das bedeutet.
„Klara, wenn du dich dafür entscheidest, müssen wir dich und Linas Vater testen."
„Testen? Du meinst ob ich für eine Spende in Frage komme? Und was ist wenn wir nicht in Frage kommen?", frage ich nach.
„Falls es keine Übereinstimmung geben sollte, wenden wir uns an die Datenbanken und suchen einen geeigneten Spender. Natürlich wäre es allerdings super, wenn ein Elternteil in Frage kommt. Wenn du willst, können wir dich sofort testen."
Ich nicke sofort und folge ihm, einmal mehr an diesem Tag.
„In etwa einer Stunden sollten wir das Ergebnis haben, Frau Morgenstern."
Ich nicke der Schwester zu. „Ich werde mit meiner Tochter in die Cafeteria gehen", teile ich ihr mit bevor sich unsere Wege trennen.
„Hier ist dein Kakao", sage ich als ich mich neben Lina und Sophie setze.
Eigentlich würde meine Tochter für einen Kakao alles stehen und liegen lassen, doch jetzt sieht sie nicht sehr glücklich aus.
„Maus, was ist?", frage ich besorgt und fahre durch ihre Haare.
„Ich bin krank oder?", fragt sie mich daraufhin und sieht mich mit Tränen in den Augen an.
„Ja, meine Süße. Aber ich habe gerade schon ein paar Tests gemacht. Die Ärzte werden dir helfen. Außerdem hat mir Niklas gesagt, dass es nichts Lebensgefährliches ist", versuche sie etwas zu beruhigen. Uns beide.
„Und was ist, wenn bei den Tests herauskommt, dass du mir nicht helfen kannst?", fragt Lina traurig.
Ich sehe Sophie an. „Kannst du nochmal kurz auf Lina aufpassen? Ich muss jetzt mit Niklas reden", sage ich und stehe auf.
„Worüber müssen wir sprechen?", fragt mich Niklas, welcher plötzlich vor mir steht. In seiner Hand hält er eine Akte.
„Es gibt etwas worüber wir beide dringend reden müssen. Dieses Thema dudelt keinen Aufschub mehr", antworte ich und versuche mich selber zu beruhigen.
„Okay. Aber zuerst muss ich dir was sagen. Ich hab dem Labor Druck gemacht. Das Ergebnis ist da, leider kommst du nicht in Frage. Kannst du Linas Vater bitten herzukommen?"
Im ersten Moment bin ich geschockt, ich werde meiner Tochter nicht helfen können. Doch ich muss mich zusammenreißen.
„Niklas, ich weiß es ist jetzt nicht der richtige Ort, aber ich muss dir was sagen. Du musst dich bitte testen lassen. Du bist... Du und Lina... Ihr seid..."
„Wir sind was? Klara, verdammt nun rede doch endlich".
„Sie ist deine Tochter du Idiot", sage ich etwas energischer als eigentlich gewollt.
Niklas sieht mich verstört an. „Sie ist was? Sag mal spinnst du? Was erzählst du denn da für einen Mist?"
Ich gehe zu Lina und ziehe ihr T-Shirt etwas nach unten. „Hier, das ist dein Leberfleck. Ich hatte nie eine Affäre mit einem anderen Mann. Du bist ihr Vater, Niklas. Bitte lass dich testen", flehe ich ihn an.
Niklas zieht sein Telefon aus dem Kittel und wählt eine Nummer.
„Beck, machen Sie bitte alles bereit. Ich bin in fünf Minuten bei Ihnen und lasse mich testen", ruft er in das Telefon und sieht mich mit einem finsteren Blick an.
„Darüber sprechen wir noch, Klara", ruft er mir eisig zu, ehe er die Cafeteria verlässt.
Ich sehe ihm mit gemischten Gefühlen nach.
„Hey, das wird schon", meint Sophie tröstend und legt ihre Hand auf meine Schulter.
„Ich habe Angst das er jetzt etwas Unvernünftiges macht, so wie immer wenn er sauer ist. Und jetzt ist er eindeutig sauer. Mehr als sauer.
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