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Robin's Sicht
Mir bleibt fast mein Herz stehen, als ich über das Handy höre, wie Marco sich gegen die Männer wehrt und letztendlich mit einem lauten Knall zu Boden geht.
"Robin! Was ist?" Natascha sieht mir direkt ins Gesicht und produziert eine Welle von Tränen in ihren Augen.
"Wenn mich nicht alles täuscht, haben sie ihn zusammen geschlagen. Wir müssen jetzt schnell sein! Ich weiß nicht wie lange Marco das noch durchhält!" mir klopft mein Herz bis zum Hals, da ich solche Angst habe, das wir Marco nun doch nicht mehr lebend aus dieser Hölle befreien können.
"Worauf warten wir noch?" Phil stürmt sofort in den Flur um seine Schuhe anzuziehen.
"Warte. Gib mir dein Handy! Ich muss Klaus anrufen! Wir wissen nicht, wo er sich genau aufhält. So lange wie wir auf dem Weg sind, müssen die auf dem Revier Kontakt mit der russischen Behörde aufnehmen und herausfinden wo sich dieses Bordell befindet!" ich nehme Phil's Handy in Empfang, um Klaus von den Neuigkeiten zu unterrichten.
Als das Gespräch beendet ist, schauen mich Phil und Natascha erwartungsvoll an.
"Wir haben grünes Licht. Allerdings muss Natascha aus Sicherheitsgründen hier bleiben. Marc wird als Unterstützung mitkommen. In einer Stunde geht ein Flug, den uns Klaus organisiert. Alles weitere erfahren wir dann, wenn wir in Russland sind!"
"Hallo? Das ist mein Sohn! Ich will mit!" Natascha ist verständlicherweise empört darüber, das sie nicht mitgehen darf.
Ich fasse ihr an die Schultern und schaue eindringlich in ihre Augen:
"Hör mal, ich kann dich verstehen. Aber du bist ebenfalls eine Tolstoi! Auch wenn ihr geschieden seid oder besser gesagt wart, wissen wir nicht was dich da drüben erwartet. Maxim ist tot. Dein Sohn wird gefangen gehalten und dich möchte ich gerne in einer sicheren Zone haben. Okay? Wir melden uns sofort, wenn wir Marco haben!"
Natascha's Unterlippe fängt an zu zittern, doch sie nickt mir als Bestätigung zu.
"Geh rüber zu Sandra und Arne, dann bist du nicht so alleine!" ich umarme das Häufchen Elend und drücke sie fest an mich.
"Robin?"
"Ja?"
"Bring mir bitte meinen Marco wieder zurück!"
"Das werde ich! Versprochen!" mir kullern jetzt selbst ein paar Tränen aus den Augen, da ich nicht genau weiß, ob wir ihn tot oder lebendig zurück bringen werden.
Während der Fahrt zum Revier hoffe ich, das der Akku von Marco's Handy lange genug durchhält, damit meine Kollegen eine Ortung durchführen können.
Phil überwacht immer wieder nervös die Verbindung und lässt seinen Blick nicht von dem Mobilteil ab.
An unserem Zielort angekommen, tausche ich das Handy gegen Marc aus und nehme Kurs auf den Flughafen.
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Zu unserer Überraschung werden wir direkt am Flughafen von zwei Polizeibeamten abgeholt.
Einer der beiden spricht zum Glück relativ gut deutsch und vermittelt uns das weitere Vorgehen, nachdem wir uns alle in den Streifenwagen gequetscht haben:
"Wir fahren jetzt zuerst in die Zentrale. Dort bekommen Sie eine Schutzausrüstung. Als nächstes werden wir mit dem Einsatztrupp unseren Zielort anfahren. Wir haben schon einige Männer in Zivil dorthin geschickt, um die Lage zu überschauen. Wenn wir stürmen, halten sie sich bitte im Hintergrund!"
"Alles klar!" bestätige ich und bete nebenher zu Gott, das Marco noch am Leben ist.
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Als wir die Türe mit dem Bolzenschneider von seinem Schloß befreit haben, stoßen wir die Türe auf.
Ein ekelhaft beißender, süßlicher Geruch steigt uns in die Nase.
Ebenso wird der Raum von einem penetranten Fäkalgeruch durchzogen.
Wir stöhnen allesamt lauthals auf, da der Geruch fast unerträglich ist.
Marc betätigt von außen den Lichtschalter, worauf der gesamte Raum durch das Licht erhellt wird.
Der Anblick der uns hier geboten wird, lässt mir das Blut in den Adern gefrieren:
Marco's Körper liegt mit dem Rücken fest an Maxim's Leichnahm gepresst, während ein Arm über seinem Körper liegt.
Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man meinen, die beiden schlafen einfach nur.
Ich schüttel einmal meinen Kopf, um wieder zur Besinnung zu kommen und stürme direkt auf den Jungen zu.
Der Leichnahm zeigt schon Verwesungserscheinungen auf und mir ist es unerklärlich, wie der Junge diesen Gestank nur Ansatzweise ertragen konnte.
Allerdings hatte er keine andere Wahl.
Die Russische Polizei stürmt nun ebenfalls diesen Raum, scheint über den Anblick genauso schockiert zu sein wie wir.
Einer der Polizisten schießt ein paar Fotos und erst danach dürfen wir die beiden bewegen.
Während Marc mit verzogenem Gesicht den Leichnahm auf die Seite zerrt, überprüfe ich Marco's Puls am Hals:
"Schwach, aber zumindest tastbar!"
Bei Marco's Anblick könnte ich lauthals losheulen:
Sein spindeldürrer Körper ist mit Hämatomen in jeglichem Farbspektrum übersäht.
Sein kompletter Körper ist mit Dreck und Blut verschmiert.
Er liegt da, wie ein Stück Vieh, das auf sein Ende wartet.
Anscheinend hat irgendjemand Phil das okay gegeben zu uns dazuzustoßen, oder er hat sich die Erlaubniss selbst erteilt, man weiß es nicht genau, jedenfalls wirft er sich plötzlich neben mir auf die Knie:
"Puls?"
"Ja, aber schwach!"
Phil zieht den Jungen etwas näher zu sich und dreht ihn auf den Rücken:
"Marco? Hörst du mich? Marco? Leck mich am Arsch, noch ein bisschen länger und er wäre ein Eis am Stiel! Er ist komplett ausgekühlt!"
Da keinerlei Reaktion von dem Jungen kommt, versucht Phil sein Glück mit einem Schmerzreiz auf dem Brustbein.
Mehr als ein Brummen kann er Marco leider nicht entlocken.
"Er ist viel zu schwach. Wir müssen ihn sofort in den RTW bringen!" als hätten die russischen Retter es gehört, stehen sie auch schon neben uns und ballern uns allerlei russische Wörter um die Ohren.
Der eine Polizist, der uns auch vom Flughafen abgeholt hat, übersetzt uns das Gesagte des Rettungspersonal.
Nach einigem hin und her, konnte ich mir die Erlaubnis erkämpfen, Marco selbst in den RTW tragen zu dürfen.
Ich schiebe eine meiner Hände unter den knochigen Rücken und drehe seinen Körper so weit wie möglich zu mir, damit wir eine Decke unter ihm platzieren können.
"Ach du... Schaut euch den Rücken an!" Marc fallen fast die Augen aus dem Kopf, als er mit dem Zeigefinger auf Marco's Kehrseite zeigt.
Phil und ich werfen gleichzeitig einen Blick auf die Angedeutete Stelle.
"Scheiße... Er hat ihn fürs Leben gezeichnet... Wie konnte er nur?" Phil fällt fast die Kinnlade auf den Boden.
An mir selbst geht diese Tat natürlich auch nicht spurlos vorbei, doch wir müssen jetzt schnell handeln und den Jungen hier rausbringen.
Nachdem wir eine dicke Decke um ihn gewickelt haben, da er nichts weiter als eine verrissene Boxershorts trägt, liegt das Fliegengewicht in meinen Armen.
"Nein!" flüstert mir Marco schwach entgegen.
"Marco, ich bin es. Robin! Phil und Marc sind auch da. Ich bring dich jetzt in einen Krankenwagen. Du bist in Sicherheit, hörst du? Dir kann nichts mehr passieren!" mir zerreißt es mein Herz in Tausend Einzelteile, als ich die kleine Tränen in seinem Augenwinkel bemerke.
Ein paar Stunden länger und er hätte es nicht überlebt.
Nachdem ich Marco in den Krankenwagen gelegt habe und er nun grob durchgecheckt und versorgt wird, geselle ich mich zu Phil und Marc dazu, die direkt neben dem Gefährt stehen.
Beiden Männern stehen die Tränen in den Augen, die sie versuchen irgendwie unter Kontrolle zu halten.
"Ich kann mir nicht vorstellen, wie er es wochenlang in diesem Zimmer aushalten konnte. Geschweigedenn die Qualen die er erleiden musste.... Man will gar nicht wissen, wie die ganzen Gemälde an seinem Körper entstanden sind. Ich hoffe nur, sie haben ihn nicht auch noch..." Phil kann die Worte, die uns womöglich allen durch den Kopf fegen, nicht aussprechen.
Die Vermutung alleine wiegt soviel, wie eine Tonne Blei.
"Wie verzweifelt er gewesen sein muss. Er hat sich eigentlich schon seinem Tot hingegeben. Ich werde das Bild von Marco, im Arm seines Toten Vater, wohl so schnell nicht mehr aus dem Kopf bekommen. Ein Kind, das auf seinen Tod wartet!" Marc wendet sich nach seinen Worten von uns ab, diese Bilder werden uns noch lange zu knabbern geben.
Doch im Vergleich zu dem, was Marco durchmachen musste, ist das Gesehene wirklich Pillepalle.
Einer der russischen Sanis streckt seinen Kopf zur Türe heraus, zeigt auf uns und anschließend in den Innenraum des RTW.
Ohne zu zögern schiebe ich Phil auf den Mann zu, denn er hat an erster Stelle das Recht bei Marco zu sein.
Schließlich hat er sich im letzten Jahr als sehr guter Ersatzvater entpuppt, der ein geschicktes Händchen mit Marco bewiesen hat.
Als der Krankenwagen sich auf den Weg gemacht hat, schnappe ich mir meinen Kollege und werfe einen Arm um seine Schulter:
"Marc... Er lebt! Ich hätte es fast nicht mehr für möglich gehalten... Aber er lebt wirklich. Dafür sollten wir sehr dankbar sein!"
"Das wird eine sehr, sehr schwere Zeit werden die da vor uns allen liegt. Vor allem für Marco!"
"Sicher! Da hast du vollkommen recht. Ich bin mir aber sicher, das wir das zusammen schaffen werden. Es wird lange dauernd, aber wir werden es schaffen!"
Bevor wir uns ebenfalls auf den Weg in das Krankenhaus machen, informiere ich Natascha darüber, das ihr Sohn lebt und gerettet wurde.
Anschließend rede ich auch noch schnell mit Arne und teile ihm ebenfalls mit, das sein Kumpel am Leben ist, worauf dieser ebenfalls vor lauter Erleichterung in Tränen ausbricht.
Marc lässt bei Cedric und Stephan durchklingeln und füttert diese ebenfalls mit Informationen.
Cedric plagt seit dem Tag der Entführung schreckliche Gewissensbisse, da Marco alles auf sich genommen hat um Cedric zu retten.
Wäre irgendetwas schief gegangen, hätte unser Kollege das niemals verkraftet.
Ich hoffe das er sich wieder etwas beruhigt, wenn er Marco live und in normaler Farbe wiedersehen kann.
"Auf, lass uns aufbrechen!" mit einem kräftigen Schlag auf den Rücken, lenkt mich Marc zu dem Einsatzwagen, der uns zu Marco in die Klinik chauffiert.
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