2️⃣8️⃣ Dienstag
"Mira, komm! Wir müssen weiter!" ich schiebe sie sachte von meinem Schoß, um selbst unter ächzen und stöhnen aufstehen zu können.
Anschließend ziehe ich sie an ihren Händen auf die Beine.
Oli hat gesagt, sie braucht Ruhe!
Fest entschlossen fasse ich mit einem Arm unter ihre Kniekehle und lege den anderen an ihrem Rücken an.
Mit Schwung lade ich mir das Mädchen auf die Arme und laufe los.
Mira wehrt sich nicht großartig.
Mit Schweißperlen auf der Stirn , schwindenden Kräften und fest zusammengebissenen Zähnen trage ich mein Rettungsobjekt durch die Landschaft.
Ich werde nicht aufgeben!
Ich werde sie so weit tragen, bis sie in Sicherheit ist.
Entgegen meiner Vorstellungen, muss ich mehrere Pausen einlegen.
Mir tut alles weh, ich habe Hunger und mein Mund schmerzt unerträglich.
Mein kompletter Körper giert nach Wasser.
Es bildet sich nicht einmal mehr genug Spucke, um meine Kehle wenigstens etwas zu befeuchten.
Doch ich muss kämpfen!
Für Mira, denn sie hat es verdient.
Als ich an dem Ortsschild Koblenz vorbeilaufe, kullern mir ein paar Tränen über die Wangen.
Ich bin so erleichtert, es endlich geschafft zu haben.
Jetzt muss ich nur noch das nächstgelegene Krankenhaus finden.
Die Dämmerung hat längst schon wieder eingesetzt, was mir allerdings sehr zugute kommt.
Ein Junge, der ein Mädchen im Brautstyle durch die Straßen läuft, erweckt eine gewisse Aufmerksamkeit.
Allerdings bin ich um die Anonymität und das fehlende Interesse meiner Mitmenschen nicht böse.
Ich lege extra noch einen bösen Gesichtsausdruck auf, damit auch wirklich niemand auf die Idee kommt, mich anzusprechen.
Kurz vor einem Zusammenbruch meinerseits, strahlt mir mein sehnlichst herbeigewünschtes Zielobjekt entgegen.
Ich atme einmal tief durch und werfe einen Blick auf das Mädchen in meinen Armen:
"Mira, ich weiß nicht ob du mich hören kannst, aber dir wird gleich geholfen. Hab keine Angst! Ich werde Robin bescheid geben und ich schätze das er zu dir kommen wird. Er wird dir helfen! Es tut mir wahnsinnig leid, was du wegen meinem Vater durchmachen musstest und das ich dich jetzt auch wieder im Stich lasse... Aber ich muss fort. So weit wie möglich. Du bist ohne mich besser dran und dir kann viel schneller geholfen werden. Vergiss mich einfach schnell. Ich hoffe du findest wieder zu deiner Familie zurück und hast ein besseres Leben vor dir!"
Zögerlich drücke ich ihr einen sanften Kuss auf die Lippen und laufe anschließend mit tränenverschleierten Augen direkt in das Krankenhaus.
An der Anmeldung werde ich sofort mit großen Augen angestarrt.
"Sie braucht Hilfe! Bitte!" mein flehender Blick wird sofort mit einem Nicken beantwortet.
Die Frau hinter dem PC greift schnell zum Telefon und informiert irgendjemand mit den Worten:
"Kom bitte schnell an die Anmeldung. Ein Notfall!"
Es dauert nicht lange, bis ein Typ in weisen Kittel angesprungen kommt:
"Was ist passiert?"
"Keine Ahnung. Ich schätze sie hat eine Blasenentzündung. Seit gestern ist es ganz schlimm... wie lange sie es schon hat, weiß ich nicht. Seit heute morgen hat sie Fieber!" ich übergebe dem Arzt das Mädchen und lasse ein letztes Mal meinen Blick über sie gleiten.
"Du setzt dich bitte in den Wartebereich! Du siehst auch nicht aus wie das blühende Leben!" mit diesen Worten verschwindet der Arzt mit Mira in einem der langen Flure.
Ich reise mich nochmal zusammen und widme mich wieder der Dame an der Rezeption, um meinen Plan, den ich mir unterwegs in meinem Kopf zurechtgelegt habe, zu verwirklichen.
"Entschuldigung! Hätten Sie mir vielleicht ein Stift und Papier? Dann könnte ich Ihnen die Nummer meines Vaters aufschreiben. Ich habe unsere Versicherungskarten nicht dabei und die brauchen sie sicherlich nachher!" ich bemühe mich um mein schönstes Lächeln, auch wenn mir mein komplettes Gesicht dabei schmerzt.
"Natürlich! Hier... Wie heißt denn deine Freundin?" die nette Dame schiebt mir meine geforderte Dinge über den Tresen zu und legt ihren Kopf leicht schief.
"Mira heißt Sie. Und ich bin Arne!" ich hoffe das Robin sofort ein Licht aufgeht, wenn er hört, das "sein Sohn" Arne hier ist.
Nachdem ich den Namen Robin Sturm, mit der dazugehörigen Nummer notiert habe, übergebe ich den Zettel wieder an die Empfangsdame.
"Ist es okay, wenn ich kurz auf Toilette gehe? Bon gleich wieder da!"
"Natürlich. Geh nur. Du musst den Gang da drüben ganz nach hinten laufen. Die vorletzte Türe, auf der rechten Seite ist dann für dich!" sie deutet mit dem Zeigefinger in die genannte Richtung und lächelt mich freundlich an.
Ich folge der Beschreibung und treffe nur wenig später im Gäste-WC ein.
Zu allererst hänge ich mich unter den Wasserhahn und trinke gefühlt zehn Liter auf einmal.
Ich kann gar nicht genug bekommen.
Es fühlt sich an, als könnte ich meinen Durst überhaupt nicht stillen.
Erst als mir die Übelkeit, aufgrund der Wassermassen in meinem Magen, aufsteigt, lasse ich von dem Wasserhahn ab und richte meinen Blick auf mein Spiegelbild.
Wenn ich nicht wüsste, das ich das in dem Spiegel bin, hätte ich mich wohl selbst nicht erkannt.
Boah Marco, wie du aussiehst!
Ich wasche mir zuerst das ganze getrocknete Blut um meine Nasen- und Mundregion weg und beseitige auch somit den Schmutz von meinem restlichen Gesicht.
Danach sehe ich schon etwas besser aus.
Naja, wie ein gewaschener Zombie eben.
Mein Herz lastet schwer unter meinem Vorhaben, Mira zu verlassen.
Aber es ist besser so.
Zumindest rede ich mir das nonstopp ein.
Mit schmerzenden Herz und noch schmerzvollerem Körper, begebe ich mich wieder in den Wartebereich des Krankenhaus um mich hoffentlich unbemerkt aus dem Staub zu machen.
Da vor der Frau an der Rezeption zwei Personen stehen, sieht sie mich nicht und ich kann ungesehen flüchten.
Mein nächster Halt ist der Bahnhof, denn ich muss jetzt unbedingt eine Route festlegen und vor allem schauen, in welche Richtung ich laufen muss.
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