Ginstersturms Geburt
Ein leiser Schrei ertönte aus der Kinderstube. Im Inneren lag eine dunkle, rotbraune Kätzin in ihrem Nest und gebar ihre Jungen. Die Heilerin, eine schwarze Kätzin mit weißem Gesicht namens Schleiergesicht, hockte gespannt zwischen ihren Schenkeln. Die rotbraune Kätzin biss die Zähne zusammen und sah die Heilerin mit ihren Bernsteinaugen an. "Ist es bald vorbei?" "Bald, Eichenfell", beruhigte sie Schleiergesicht. Weiter hinten sahen fünf weitere Kätzinnen ihnen zu, furchtsam, aber auch interessiert. Auch sie würden bald ihre Jungen bekommen und konnten daher was lernen. Aus dem Nest einer dunkelcremefarben gestreiften Kätzin mit dunkelbraunen Flecken lugte ein schwarz gestreiftes Gesicht. "Was ist da los?", quiekte der kleine Kater und krabbelte aus dem Nest. "Espenjunges!" Die Mutter des Jungen zog ihn wütend am Schwanz zu ihr und stopfte ihn zurück ins Nest. "Eichenfell bekommt ihre Jungen! Das ist da los!", schimpfte sie und richtete ihre blauen Augen auf die Graugrünen ihres Sohnes. "Ich will aber zusehen!", protestierte dieser. Sein graubraunes Fell war empört aufgestellt, aber in seinem Blick war mehr Wissensdurst als Wut. Fauchend gab seine Mutter ihm einen Klaps auf die Ohren. Herbstfell zuckte mit den Ohren, sichtlich nicht angetan von den Erziehungsmethoden ihrer Baugefährtin. Espenjunges war nie ein störendes oder unfreundliches Junges gewesen. "Sie hat recht, Espenjunges", miaute sie, aber nicht ohne einen warnenden Blick auf dessen Mutter. "Du willst nicht sehen, was dort los ist." "Stimmt", bestätigte Schleiergesicht, die gerade mit den Pfoten über Eichenfells Bauch fühlte. "Das ist nichts für Junge. Du kannst bei sowas zusehen, wenn du älter bist." Espenjunges legte den Protest nieder und setzte sich hin, mehr aus Angst vor seiner Mutter als vor den Ratschlägen der Anderen. "Gut", scherzte Eichenfell angestrengt. "Noch mehr Zuschauer hier und ich werde verrückt." Dann zuckte sie unter einer weiteren Wehe zusammen. Schleiergesicht machte sich bereit. "Wann kommen die Jungen eigentlich?", meldete sich Espenjunges schließlich vorsichtig wieder zu Wort und erntete dabei weitere zornige Blicke seiner Mutter. "Das wüsste ich auch gerne", keuchte Eichenfell. "Sie müssten jetzt kommen", antwortete Schleiergesicht ungerührt. Bevor Eichenfell etwas erwidern konnte, wurde sie von einer weiteren schmerzhaften Wehe geschüttelt. Die Heilerin duckte sich in Position. Eichenfell schrie. "Da kommt das Erste! Pressen! Ja! Gut!" Eichenfell drückte und ein dunkles, nasses Fellknäuel fiel vor Schleiergesicht ins Moos. "Hier ist das Erste!" Eichenfell reckte den Kopf und sah es an. "Ein Kater!", informierte Schleiergesicht sie weiter und drehte das kleine Wesen mit der Pfote um. "Ist er gesund?" Eichenfells Schmerzen waren wie vergessen, während sie mit den Augen das Moos zwischen ihren Hinterbeinen anstarrte. Die Heilerin zögerte. Sie presste dem Jungen die Pfoten auf die weiße Brust und drückte leicht. Dann fing sie an, ihn heftig gegen den Strich zu lecken. Furcht blitzte in Eichenfells bersteinfarbenen Augen auf. "Nun?" Schleiergesicht unterbrach kurz ihr Lecken, die Augen weiter auf das Junge gerichtet. "Er atmet nicht." Entsetzt keuchte ihre Patientin auf, ihr langes Fell sträubte sich. Die anderen Kätzinnen in der Kinderstube hoben besorgt die Köpfe und Herbstfell konnte gerade noch eine schwarze Kätzin in der hinteren Ecke "Oh nein" flüstern hören. Schleiergesicht war weiterhin mit dem Jungen beschäftigt. "Was ist mit ihm?" Eichenfells Stimme wurde zwischen der gespannten Ruhe immer nervöser und sie stemmte sich mit den Vorderpfoten auf. "Schleier-" Sie brach ab. "Atmet er immer noch nicht?" Wild leckte sie dem kleinen Kater die Brust, bis er das rosa Mäulchen aufriss, einen röchelnden Atemzug tat und leise maunzte. "Jetzt tut er es." Erleichterung machte sich unter den Katzen breit. "Wie viele kommen noch?" Die junge Heilerin fühlte die Flanke. "Keine mehr. Das war's." Eichenfells Sohn miaute leise und zuckte mit einem seiner großen Ohren. Sie hatten die gleichen riesigen Haarpinsel an den Spitzen wie die seiner Mutter, auch die Fellfarbe war dieselbe. Herbstfell hatte dies ebenfalls bemerkt. "Er sieht aus wie seine Mutter!", schnurrte sie. Schleiergesicht nickte, schob den rot-grün gestreiften Pullover von Eichenfell hoch und legte ihr das Junge an den Bauch. Sie schnurrte und strich ihrem Sohn über die dunkelbraunen Haare, die nur etwas heller und rötlicher waren als ihre eigenen. Ja, er sah ihr wirklich ähnlich. "Ist er nicht wunderschön?", schnurrte Eichenfell verträumt. Schleiergesicht schob sich nochmals vor und hob vorsichtig eins der Lider hoch, um das Junge zu untersuchen. Beim Anblick der blauen Augen sah man eine Mischung aus Stolz und Trauer auf Eichenfells Gesicht. An wen oder was dachte sie? Ein Gedanke, den Herbstfell teilte, und der von einem Paar hellgrüner Augen unterbrochen wurde. Sonnenfell lugte über ihren Rücken. "Wie willst du ihn nennen?" Eichenfell sah sich das kurze, dunkelrotbraune Fell an, dann die Haarpinsel an den Ohren, die weißen Flecken in seinem Fell. "Vielleicht Luchsjunges?", flüsterte sie, mehr zu sich selbst. Sonnenfell und eine schwarze Kätzin neben ihr wechselten einen vielsagenden Blick. Dann blieb Eichenfell still, starrte auf ihren trinkenden Sohn hinab. "Nein..." Lange Pause. "Ginsterjunges." Sie strich ihm mit der Vorderpfote über den Rücken und berührte dabei einen der großen Haarpinsel. Der winzige Kater maunzte und als er sich bewegte, schickte ein Lichtstrahl von der Decke einen rötlichen Schimmer über sein kurzes, noch leicht flaumiges Fell. "Ich nenne ihn Ginsterjunges." Ginsterjunges maunzte erneut bei seinem neuen Namen und kuschelte sich enger in ihr langes Fell. "Ginsterjunges?" Espenjunges' Pfoten erschienen am Rand von Himmelherz' Nest. "Ist ein schöner Name!", schnurrte Schleiergesicht zustimmend. "Passt sehr gut zu seinem hübschen Fell." Die Kätzinnen um sie herum miauten verzückt Glückwünsche, sogar Espenjunges war von dem neuen Baugefährten begeistert. Nach einer Weile erhob sich Schleiergesicht wieder auf die Pfoten, ihre bersteinfarbenen Augen mit Wärme auf das von ihr neu gerettete Leben gerichtet. Sie nickte Eichenfell zu. "Ich lasse euch jetzt alleine mit dem Kleinen. Wenn etwas mit ihm sein sollte, dann kommt sofort zu mir, ich bin in meinem Bau. Am besten aber schickt ihr in dem Fall jemanden." Die sechs Kätzinnen nickten alle synchron und Eichenfell nahm Ginsterjunges zwischen ihre Pfoten, der sich sofort zusammenrollte. Sie hatte ihm den gleichen Pullover angezogen, wie sie einen hatte. Schleiergesicht entfernte sich leise aus der Kinderstube und tappte zurück zu ihrem eigenen Bau. Derweil war Ginsterjunges eingeschlafen und ein paar der Kätzinnen sahen sich um. Herbstfell wusste, nach was sie sich umsahen. Ein kaum wahrnehmbares Ohrenzucken zeigte, dass auch Eichenfell die Frage erkannt hatte, die ihren Baugefährtinnen im Kopf herumschwirrte. Wo war der Vater? So gut wie kein einziger männlicher Krieger interessierte sich dafür, wer da gerade geboren worden war. Ginsterjunges musste doch einen Vater haben. Aber... interessierte er sich nicht für ihn? Prüfend musterte Herbstfell möglichst unauffällig die weißen Stellen im Fell, die blauen Augen und das kurze Fell und fragte sich, zu welchem Krieger diese Färbung passen könnte. Hellbraune Sommersprossen blitzten durch das kurze Fell auf dem Nasenrücken und den Wangen Ginsterjunges' auf, was ihn noch niedlicher aussehen ließ. Herbstfell kam zu dem Schluss, dass keiner der Krieger eine passende Farbe in Kombination mit einer engen Beziehung zu Eichenfell hatte. Was war dort los? Alle hatten solche Gedanken, aber niemand traute sich, diese laut auszusprechen, geschweige denn, ihre Freundin über Ginsterjunges' Vater auszufragen. Eichenfell hatte auch nie einen Gefährten erwähnt. Ob sie...? Nein. Eichenfell war ihrem Clan treu. Oder doch nicht? Herbstfell wusste nicht, was sie tun sollte. Sollte sie ihre Freundin fragen? Aber sie erwartete selber Junge und war verliebt. Wenn Eichenfell Ginsterjunges tatsächlich von einem Kater außerhalb der Clans bekommen hatte, dann musste sie einen guten Grund dafür haben. Sie war in einen da draußen verliebt... Ein Schielen auf die glückliche Mutter. Und sie ist es immer noch. Ein Schnurren riss Herbstfell aus ihren Gedanken. "Sieh mal!" Eichenfells Pfote schob den Pullover von Ginsterjunges hoch und entblößte das weiße Brustfell, das unter dem linken Vorderbein in einen Blitz-förmigen Fleck an der Seite überging. Das war der seltsamsten Fleck Fell, den die Kätzinnen je gesehen hatten. "Wow!" "Das sieht ja aus wie ein Blitz!" "Ein Blitz!" "Ich weiß schon, wie sein Kriegername lauten wird." Stolz hob Eichenfell das Kinn und ihr Schweif bauschte sich anmutig um ihre Hinterpfoten. Während die anderen Kätzinnen begannen, aufgeregt über Namensmöglichkeiten zu tuscheln, schob Eichenfell Ginsterjunges enger an ihre Brust. "Ich wünschte, du könntest ihn jetzt sehen, Wolkenpelz", flüsterte sie so leise, dass niemand anderes sie hören konnte. Plötzlich bemerkte sie Herbstfell neben sich und zuckte erschrocken zusammen. Hatte sie sie doch gehört? Aber die junge, gefleckte Kätzin sah ruhig und liebevoll auf ihr Junges hinunter. "Willkommen im DonnerClan, Ginsterjunges."
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