2. Sonntagsträume
ER HATTE GLEICH gewusst, dass mehr hinter dem Geruch von Zimt und Zucker gesteckt hatte. Das es sich dabei jedoch um eine kleine Hexe mit strahlenden Augen und einem Hang zum Stottern handelte, hatte George nicht vermutet.
Neugierig lugte er in die Tüte. Augenblicklich lief ihm das Wasser im Mund zusammen und er entschied Schaufenster, Schaufenster sein zu lassen. Stattdessen würde er sich der Zimtschnecke widmen, die seine neue Nachbarin ihm vorbeigebracht hatte.
Als er eine knappe Stunde später in den Kamin trat um zum Fuchsbau zu gelangen, hatte er das erste Mal seit langem etwas im Magen bei seinem wöchentlichen Besuch. Normalerweise frühstückte er nicht.
Das sorgte dafür, dass ihm ausnahmsweise nicht übel wurde, als er aus dem Kamin trat und sich den Ruß von den Schultern klopfte.
Der altbekannte Geruch von gebratenen Zwiebeln und frischen Pasteten trat ihm in die Nase.
"Ah, George, Schatz, da bist du ja", Molly Weasley wuselte auf ihn zu und drückte ihn herzlich an sich.
"Mum", George erwiderte die Umarmung halbherzig und sah sich um. Das Wohnzimmer war leer, was nur bedeuten konnte, dass der Rest bereits am Tisch saß.
"Wir essen heute draußen, es ist doch schon so warm", plapperte seine Mutter drauflos und drückte ihm eine Karaffe mit Wasser in die Hand, "Bring das schon einmal raus. Ich komme gleich."
Im Garten begrüßte ihn gleißender Sonnenschein. Die Luft war noch kühl, so wie es sich für Mitte April gehörte, aber die Sonne war strahlend und warm. Ausgelassenes Geplapper leitete ihn zu einem Tisch hinter dem Haus, gleich neben den Rhododendronbüschen. Die rosaroten Blüten hatten sich bereits geöffnet und streckten ihre Köpfe gen Himmel.
Die Kulisse war trügerisch traumhaft.
Er war der Letzte. Arthur, Bill, Fleur, Percy, Audrey, Ron, Hermine, Ginny, Harry, Andromeda und der kleine Teddy hatten sich bereits am Tisch versammelt und begrüßten ihn der Reihe nach.
Schon kurz nach dem Krieg hatte Molly diese Tradition eingeführt, völlig uneinsichtig gegenüber jeder Ausrede, sodass selbst Charlie mindestens einmal im Monat einen Portschlüssel aus Rumänien beantragen musste, um Molly nicht zu verstimmen. Ließ er auch nur ein Treffen zu viel aus, erwartete ihn eine Standpauke. Je nach Stimmung sogar ab und zu ein Heuler.
Dass mit Familie natürlich auch sämtliche Partner (oder Patenkinder) ihrer Kinder eingeschlossen waren, war für Molly selbstverständlich.
Nach der obligatorischen Begrüßungsrunde war auch Molly im Garten angekommen und balancierte einen riesigen Topf mit Zwiebelsuppe in der Luft vor sich her. Eine Parade von Tellern und Schüsseln folgten ihr.
"Ich hoffe ihr habt ordentlich Hunger mitgebracht!", strahlte das Familienoberhaupt und stellte den Topf auf dem Tisch ab.
"Sicher, Molly", grinste Harry und stand auf um seiner Schwiegermutter unter die Arme zu greifen. Harry und Ginny waren zwar noch nicht verheiratet, jedoch war das Fest schon für den frühen Herbst dieses Jahres geplant - und eigentlich war Harry ja so oder so schon immer ein Teil der Familie.
Während nach und nach Teller mit dampfender Suppe verteilt wurden, lehnte George sich in seinem Stuhl zurück und beobachte das rege Treiben. Bill strich Fleur am anderen Tischende über den dicken Bauch, Ron alberte mit Teddy herum und Andromeda und Arthur waren in ein Gespräch vertieft.
All die Menschen, die er liebte- die, ihn liebten- waren hier versammelt und doch fühlte er sich so, als wäre er ganz und gar alleine auf der Welt.
"Wie geht es dir, George?" Die Stimme drang wie durch Watte zu ihm hindurch und doch erkannte er sie sofort. Hermine. Er wandte sich der Hexe zu, die mit den Jahren wie eine zweite, kleine Schwester geworden war.
"Ausgezeichnet", erwiderte George ohne auch nur eine Sekunde zu zögern und lächelte, "Wie geht es dir? Ron hat mir erzählt, dass du dich vielleicht auf eine neue Stelle im Ministerium bewerben möchtest."
In Hermines Augen funkelte beinahe augenblicklich der Ehrgeiz auf. Er schmunzelte. Manchmal hatte er das Gefühl, dass sie wohl für immer der ehrgeizige Bücherwurm bleiben würde, den er damals in Hogwarts kennengelernt hatte.
"Oh, ja. Dawson möchte in den Ruhestand gehen und somit wird die Position zur Leitung der magischen Strafverfolgung frei. Das wäre der nächste Schritt auf der Karriereleiter", sprudelte sie sogleich hervor.
"Und wirst du es tun? Wie sind von dort aus deine weiteren Beurfschancen?", fragte er. George wusste genau, welche Fragen er ihr stellen musste, sodass er wiederum unangenehmen Fragen über sein Wohlbefinden, potenziellen Partnerinnen und anderen unerfreulichen Dingen aus dem Weg gehen konnte.
"George-Schatz, noch etwas Suppe?", unterbrach Molly Hermines Monolog und wedelte mit der Suppenkelle vor seiner Nase herum.
Er schüttelte den Kopf: "Ich habe erst vor einer Stunde gegessen, danke Mum."
"Aber du frühstückst doch eigentlich nie etwas", irritiert ließ seine Mutter die Suppenkelle sinken und musterte ihn besorgt.
"Ich habe gegessen, das kannst du mir glauben", entgegnete er und warf seiner Mutter einen beruhigenden Blick zu. Das Misstrauen in ihren Augen war jedoch kaum zu übersehen.
Seit dieser Sache vertraute sie ihm nicht mehr so wirklich.
Er seufzte. Dann erzählte er von dem neuen Geschäft, dass morgen neben dem Scherzartikelladen eröffnen würde und von der Besitzerin, die ihm zum Kennenlernen eine Kostprobe ihres Könnens vorbei gebracht hatte. Scheinbar schien diese Geschichte Wirkung zu zeigen, denn Mollys Gesichtsausdruck wurde augenblicklich sanfter.
"Das klingt ja toll", sagte sie ein wenig zu enthusiastisch, "Ist sie in deinem Alter?"
Auch wenn er am liebsten erneut aufgeseufzt hätte, hielt er dem folgenden Fragenhagel seiner Mutter stand.
"Ist sie in deinem Alter?"
"Ich schätze schon, Mum"
"Oh, das heisst du kennst sie noch aus Hogwarts?"
"Nein, ich kann mich nicht an sie erinnern."
"Ist denn überhaupt Engländerin? Vielleicht war sie ja in Beauxbatons?"
"Sie wirkte nicht besonders französisch, wahrscheinlich ist sie mir nur nicht aufgefallen."
"Aber warum?"
"Wie, warum?"
"Ist sie nicht hübsch?"
"Äh, doch- nein, keine Ahnung. Lass' diese Fragerei, Mum!"
Charlie und er waren die Einzigen ohne Partner, was weder ihn noch Charlie besonders störte. Dafür störte es Molly Weasley umso mehr.
Kein Wunder, dass sie über jede potenzielle Frau in Georges Leben informiert sein wollte.
༄
Rosie hatte die restlichen drei Willkommensgeschenke eigentlich schnell verteilen wollen, denn sie hatte noch einiges zu tun. Nicht zu vergessen, die frische Ladung Zitronentörtchen, die noch im Ofen war.
Das hatte zu Beginn auch recht gut funktioniert. Während ihr der Inhaber des gegenüberliegenden Pubs, Mr. Hopkins, die Tüte mit einem gegrummelten 'Drecksbalg' aus der Hand gerissen hatte, war Madame Delacroix, von dem Friseursalon links von ihr, zwar deutlich freundlicher aber ähnlich wortkarg gewesen.
Beiden hatte sie außerdem einen Flyer überreicht, der die bevorstehende Eröffnungsfeier ihres Ladens bewarb, wobei ihr aufgefallen war, dass sie vergessen hatte George einen dieser Flyer zu überreichen. Eigentlich hatte sie gehofft, dass der ein oder andere Nachbar den Flyer in seinem jeweiligen Geschäft auslegen könnte.
Doch da sie von George so aus dem Konzept gebracht worden war, hatte sie vollkommen vergessen ihm überhaupt einen Flyer mitzugeben. Im Fall von Mr. Hopkins hatte sie sich gar nicht erst getraut zu fragen. Nur Madame Delacroix hatte sie darauf angesprochen. Trotz der wenigen Worte, die sie mit der adretten Französin gewechselt hatte, hatte sie sich einverstanden erklärt den Flyer in ihrem Salon auszuhängen.
Der letzte der dreien war ein Mann Ende vierzig, der sich als Mr. Kumar vorstellte. Ihm gehörte der gegenüberliegende Buchladen seit nunmehr zwölf Jahren, er besaß zwei Katzen und er liebte es ganz offensichtlich zu plaudern, wie Rosie nach zwanzig Minuten feststellen musste.
"Wie überaus schön, dass Mrs Merryweather eine geeignete Käuferin für das Geschäft finden konnte!", rief der Mann begeistert aus, nachdem sie ihm erklärt hatte, warum sie an einem Sonntagmorgen an seine Tür klingelte.
"Ja, ich bin unglaublich dankbar, dass sie mir ihr Geschäft verkauft hat", erwiderte Rosie höflich und streckte ihm die letzte Tüte Selbstgebackenes entgegen.
Mr. Kumar klatschte begeistert in die Hände: "Ach, Miss Summers, sie sind jetzt schon ein wahrer Segen!"
Er nahm ihr freudestrahlend die Tüte ab und lugte hinein.
Rosie machte eine abwinkende Handbewegung: "Aber das ist doch selbstverständlich. Und nennen sie mich bitte Rosemary oder Rosie".
"Wunderbar, wunderbar, Kindchen. Wenn es auch nur ansatzweise so gut schmeckt, wie es riecht, dann werde ich sicherlich ein paar Kilo zunehmen in den nächsten Monaten", gluckste der Mann und klopfte sich auf den Bauch.
"Für den Fall verkaufe ich auch die ein oder andere gesünderen Gebäckstücke", sagte sie und zwang sich zu einem halbherzigen Lachen. In Gedanken war sie bei ihren Zitronentörtchen, die wohl dabei waren zu verbrennen.
Mr. Kumar lachte dröhnend: "Eine wahre Geschäftsfrau, ich seh' schon. Nun, wenn sie irgendetwas benötigen- einen Rat von Unternehmer zu Unternehmer- dann steht meine Tür immer offen."
Das war dann Wohl das Zeichen, dass sich ihr Gespräch dem Ende neigte. Erleichtert atmete Rosie aus.
Als sie sich nach herzlichen Worten der Verabschiedung endlich von Mr. Kumar losreißen konnte und auf die schmale Armbanduhr an ihrem Handgelenk blickte, rutschte ihr beinahe das Herz in die Hose. Sie hatte fast eine halbe Stunde bei dem Buchhändler verbracht.
Hastig öffnete sie die Hintertür zur Backstube und sprintete zu dem großen Ofen. Schwarzgrauer Rauch qualmte aus jeder Öffnung und sofort begannen ihre Augen zu brennen. Keuchend und mit Tränen in den braunen Augen riss sie das Blech heraus. Noch im gleichen Moment ließ sie das Blech fallen und schrie auf. Flammender Schmerz breitete sich auf der Innenfläche ihrer rechten Hand aus.
"Verdammt!", fluchte sie und sprinte zum Waschbecken. Kühles Wasser floss über die verbrannten Stellen ihrer Haut, wo sich bereits rote Blasen bildeten. Mit einem Blick über die Schulter stellte sie fest, dass sich die Überreste der verbrannten Zitronentörtchen auf dem Boden verteilt hatten. Sie waren nicht wie sonst honigbraun, sondern rußig-schwarz und steinhart.
Das fing ja wirklich grandios an.
Nachdem sie das Chaos so gut es ging beseitigt hatte, ihre Hand mit einer Muggelcreme verarztet hatte und den Teig für eine neue Ladung Zitronentörtchen vorbereitet hatte, setzte sie sich.
Die Salbe brannte auf ihrer empfindlichen Haut. Der Geruch von beißendem Rauch hing trotz der gezauberten Windböe noch in der Backstube und die Törtchen im Mülleimer erinnerten sie an ihr Versagen.
Wie konnte man nur so dämlich sein und ein heißes Blech ohne Ofenhandschuhe aus dem brennend heißen Ofen nehmen?
Wie konnte man nur so dämlich sein und Gebäck verbrennen lassen?
Sie war eine Bäckerin!
Oder zumindest, redete sie sich das ein.
War es nicht töricht, zu denken, dass sie ihr eigenes Geschäft führen konnte?
Ganz allein?
Augenblicklich traten ihr heiße Tränen in die Augen. Als die erste Träne ihre Wange hinunterlief, konnte Rosemary Summers sich noch problemlos einreden, dass dies nur eine Nachwirkung des Rauchs war.
Als der ersten Träne noch eine Zweite, ein Dritte und eine Vierte folgten, war das jedoch nicht mehr so einfach.
Wie immer, wenn sie traurig war, glitten ihre Finger zu der feingliedrigen, goldenen Kette an ihrem Hals. Das kühle Metall spendete ihr Trost. Sie drehte den herzförmigen Anhänger in ihren Fingern und spielte mit dem Verschluss des Amuletts. Auch ohne ihn zu öffnen, wusste sie, was sich dahinter verbarg.
Ein kleines Lächeln schlich sich auf ihre Lippen.
Sie würde es schaffen. Egal, wer oder was sich ihr in den Weg stellen würde.
Schniefend trocknete sie ihre Tränen an dem mehligen Ärmel ihres Shirts, dann stand sie auf und begann zu backen.
Es war spätnachts, als Rosie endlich ihre Backstube verließ und den Heimweg antrat. Da sie noch keine Zeit gehabt hatte, eine Flohverbindung von der Backstube in ihre Wohnung im Londoner East End zu beantragen, musste sie den Muggelweg gehen. Zu Fuß durch die Winkelgasse, zurück in die Muggelwelt, zwei Stationen mit der U-Bahn und dann noch einmal fünf Minuten zu Fuß, bis zu ihrer Wohnung.
Für eine Hexe aus einer Muggelfamilie eigentlich kein Problem, doch nachts um halb eins bereitete selbst ihr das U-Bahn-fahren keine Freude mehr. Hauptsächlich aufgrund der meist eher fragwürdigen Gestalten, die an den beinahe leeren, unterirdischen Haltestellen herumlungerten.
Als sie endlich ihre Wohnung erreicht hatte, kickte sie ihre Chucks von den müden Füßen und warf ihre Jacke in den leeren Flur.
Sie war erst vor drei Wochen eingezogen, in denen sie beinahe ununterbrochen das Geschäft in der Backstube renoviert hatte. Zeit um ihre neue Wohnung einzurichten, hatte sie noch nicht gehabt. Aber so wie es im Moment aussah, würde sich das demnächst auch nicht verändern.
Sie hatte heute fast 18 Stunden in der Bäckerei verbracht- und ab morgen würde sie nicht nur Backen, sondern auch Verkaufen. Angesichts des morgigen Tages- der für sie auch schon in wenigen Stunden beginnen würde- stieg wieder das prickelnde Glücksgefühl in ihr auf.
Mit einem seligen Lächeln auf den Lippen, schlief sie ein.
Danke für's Lesen <3
In diesem Kapitel schnuppern wir mal eine bisschen in George's Alltag hinein...
und in Rosie's alltägliche Katastrophen.
Habt ihr eure eigenen Headcannons, für Harry und Co, nach dem Krieg?
Irgendwie ist es super interessant,
sich zu überlegen, was sie alle treiben.
Wo sie arbeiten, ob es ihnen Spaß macht und mit wem sie
zusammen sind.
Da ich bei Ron und Hermine einfach nicht das Gefühl habe, dass sie zusammenpassen, sind sie in dieser Fanfiction kein Paar.
Fight me on this if u want.
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