Nie hätte ich gedacht, dass ich mal diesen Satz durch die Wohnung plärren würde: "KAI da sitzt ein Fremder auf unserem Klo!!!"

"Das ist Joachim."

Joachim wurde von seiner Freundin vor die Türe gesetzt und schleppt sich seit gestern morgen in regelmäßigen Abständen von der Coach zum Klo und wieder zurück.

Außerdem sieht er aus, als ob er zum Spaß Welpen umbringt.
Wenn Joachim als Türsteher vor einem Club steht, kann man davon ausgehen, dass NIEMAND mehr rein will.

Aber der Kerl macht seinem Spitznamen "Pooh Bär", alle Ehre.
Mit was könnte man Joachim noch vergleichen?
Mit einem Blauwal.
Das Schlimmste, das dir mit Joachim passieren kann, ist, dass er sich aus versehen auf dich drauf setzt, oder dich ohne es zu merken verschluckt.
Und danach würde er wahrscheinlich weinen, weil es ihm so leid tut.

Naja lange Rede, kurzer Sinn, wie muntert man so einen Koloss auf?
Man zerrt ihn auf eine Tattoo Convention.

Also ab in den Zug.

Die "Oberbayerischen Tattoo Tage" locken an die 100 Tätowierer in eine riesige Halle, in der sie dann hinter kleinen Ständen zusammengedrängt ihre Kunst präsentieren.

Das Ganze funktioniert so:
Jeder Tattoostand hat auf einer kleinen Theke seine Zeichnungen und Photobücher ausgebreitet. Man kann durchblättern und wenn einem was gefällt, dann lässt man sichs' stechen.
Eigene Motive, die man zu Hause ausgedruckt hat, macht da kaum ein Tätowierer. Es geht darum, sich aus den Vorschlägen der Künstler was auszusuchen.

Wir waren unter den Ersten, die die Halle stürmten.
Die meisten wussten schon ganz genau, von welchem Studio, bzw. von welchem Tätowierer sie sich stechen lassen wollten, und tigerten zielstrebig zu ihrem Stand.
Kai, Joachim und ich wanderten einfach nur ziellos durch die Gegend.

Ich finde Tattoos faszinierend. Wenn ich genug Geld hätte, wäre ich von Kopf bis Fuß voller Farbe.

Joachim tätowiert sich spontan eine Krähe auf die einzige, freie Stelle auf seinen Armen.

Kai schleicht schon seit Ewigkeiten um den Stand eines italienischen Studios.
Er will sich einen Bären aufbinden....uhm, tätowieren lassen...

Ich finde seine Idee super.

Der Bär sieht irre putzig aus.

Nachdem ich das gesagt habe, verwirft Kai seine Idee.

Schade.

Vielleicht sollte ich mir den Bären...?

Nein.

Finde heraus, dass das Teil 350€ kosten soll.

Danach fällt mir ein, dass ein Bärentattoo sowieso keine gute Idee gewesen wäre.
Falls ich in einen Szeneclub gehen sollte...Holla die Waldfee, lieber nicht 😅 
(Große, haarige Schwule werden allgemein als 'Bären' bezeichnet...🐻)

Während ich darauf warte, dass Joachim mit seinem Krähentattoo fertig wird, verwickelt mich einer der Tätowierer in ein Gespräch.
Er ist groß, bis zum Hals voller Tinte und steHT EINDEUTIG ZU NAHE HILFE RIECHt der gut.

Ich brauche dringend einen Freund. Mein Hormonhaushalt gerät zur Zeit stark ins Wanken. So muss man sich als 13 jähriges, pubertätgebäuteltes 1D Fangirl fühlen, wenn einem Harry Stiles zuzwinkert.

Nur, dass es bei mir keinen Harry Stiles braucht, sondern lediglich einen verdammt gut riechenden Tätowierer.

Habe Kai sogar dazu überredet, sich mit mir The Voice anzusehen, nur damit ich heimlich 2 Stunden lang Samu Haber bespannern kann. 

Ich sollte meine Hormone wirklich unter Kontrolle kriegen... :/

Plötzlich steht Joachim neben mir und reißt mich aus meinen Gedanken.

Sein Arm ist in Frischhaltefolie gewickelt und seine Augen sind glasig.
Er habe jetzt mit seiner Ex-Freundin abgeschlossen, verkündet er.
Nina könne ihm ab jetzt egal sein.

Er umarmt mich überschwänglich.
Mein Tätowierer runzelt irritiert die Stirn. Dann deutet er überascht zwischen mir und Joachim hin und her.
"Aaachso, ja klar haha", meint er und verschwindet mit einem gezwungen fröhlichen Lächeln hinter seinem Stand.

Ich starre Joachim fassungslos an.

"Duu......du Bär!", fauche ich ihn böse an.

Gott sei Dank weiß er nicht, was das bedeutet. Ansonsten wäre ich jetzt Mus.

Auf dem Weg nach draußen kommt uns Kai mit einem dämlichen Grinsen im Gesicht entgegen.

Nach 5 Minuten, in denen er sich wie ein neurotischer Jack Russel am Ohr gekratzt hat, fällt mir ein dünner, silberner Ring an seinem rechten Ohrläppchen auf.

Kai hat sich ein Ohrring stechen lassen.

"....du weist schon, dass das das schwule Ohr ist, oder?", frage ich, während ich mir vor unterdrücktem Lachen fast die Lippe blutig beiße.

"Was?"

"Naja, links ist cool, rechts ist schwul."

"Was."

"Ach vergiss es."

"Ne sag jetzt!"

"Ein einziger Ohrring am rechten Ohr ist ein Erkennungszeichen für H-o-m-o-s-e-x-u-e-l-l-e!"

Lange Rede, kurzer Sinn, wir wanderten zurück zur Tattoomesse und Kai ließ sich sein linkes Ohr auch noch piercen.

Eine Stunde später saßen wir im Zug zurück nach München.

Joachims Handy klingelte.

Nina will ihn anscheinend wieder zurück.

Der Trottel springt vor Glück fast gegen die Gepäckablage.

Ich musterte meine beiden Begleiter.
Der Eine sah aus, wie eine Mischung aus Rudolf dem Rentier und Dumbo. Seine Ohren waren feuerrot und aufs doppelte angeschwollen.
Der Andere grinste seelig und summte vor sich hin, wärend er sein Krähentattoo betrachtete.

Vielleicht sollte ich meinen Freundeskreis erweitern.

SO LEUTE, jetzt wird The Voice gekuckt!
😁😁

Schönen Abend noch! ^^