Kleine Jungen interessieren sich für Autos und Feuerwehr und Polizei und Fußball.

Punkt.

Jeder kleine Junge, der anders ist, wird geschimpft.

Das sind Mädchensachen.

Damit spielen doch nur Mädchen.
Willst du, dass die Leute denken, dass du ein Mädchen bist?

Nein Papa.
Nein Papa, das wäre schrecklich.

Wieso hat dir die Mama das dann gekauft?
Seo, kannst du mir bitte mal erklären, wieso du das dem Jungen gekauft hast?
Ach, weil er es wollte?
Sag mal, spinnst du? Willst du ihn zur Frau machen?
Kein Aber, das Ding kommt weg.
Hör auf zu weinen Joon.
Seo lass ihn, jetzt tröstest du ihn auch noch.
Joon sei still. Denkst du, ein Mann weint wegen so etwas?
Joon, sieh mich an.
Hast du mich schon jemals weinen gesehen?
Eben.
Und jetzt ab Marsch.

...
Vielleicht bin ich deswegen ein wenig schief gewachsen.
Wie ein Baum, der vom Wind gegen den Boden gedrückt wird.

Aber man versucht trotzdem zu gefallen.

Oder?

Jetzt erst recht.

Nachdem die Leute bemerken, dass man schief gewachsen ist.

Jetzt muss man was unternehmen.

Gefallen.

Also richtet man sich auf.

Steht gerade.

Wächst in die andere Richtung.

Und dann wieder in die Andere.

Und wieder in die Andere.

So lange, bis ein völlig verbogener, im Zick Zack gewachsener Baum irgendwie versucht, unter den ganzen geraden, großen Artgenossen einen Platz an der Sonne zu finden.

Viel Glück dabei.

Natürliche Selektion, nennt man das.

Man gehört nicht dazu.
Man sieht vor lauter Wald keine Bäume mehr.
Und trotzdem muss man weiter wachsen.

Geht ja nicht anders.

Lauf der Natur.

Fürn Arsch.

Vielleicht hätte man mal von Anfang an dem Lauf der Natur nachgeben sollen.

Aber du willst doch nicht, dass die Leute denken, du wärst ein Mädchen.

Oder?

Oder?

Sag was.

Hallo.

Was siehst du mich so an?

Mach den Mund auf.

Sag was.

Mir reichts jetzt.

Siehst du nicht, dass der Junge macht, was er will?

Ich hab die Schnauze voll von diesem Mist.

Geh in dein Zimmer.

Sofort.

Ich will dich heute nicht mehr sehen.

Aber man geht nicht in sein Zimmer.

Man will raus.

Also geht man.

Und entdeckt plötzlich, dass es unglaublich viele andere Bäume gibt, die das gleiche Problem haben.

Und zusammen schaffen sie Platz. Eine Lichtung, sozusagen.
Dort sind alle gleich groß.
Und jeder kommt an die Sonne.

Endlich.
Wie schön.

Hier will ich bleiben.

Dann geh doch zu deinem Gesocks.
Die halbe Nachbarschaft redet sowieso schon über uns.
Wird Zeit.
Aber glaub nicht, dass du hier einfach so mir nichts dir nichts wieder auftauchen kannst.
Und jetzt hau ab.
Ich will dich nicht mehr sehen.

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Was, wenn ein Junge, der gerne mit Barbies spielt, der ins Ballet will und der sich selbst die Fingernägel mit dem Lippenstift seiner Mutter "lackiert",
was wenn dieser Junge, der so gar nichts mit Jungssachen am Hut hat, sich nicht mit ihm:

..sondern mit ihr

identifiziert?

Und er nicht versteht, warum er so unzufrieden mit sich selbst ist.
Weil er, im wahrsten Sinne des Wortes, kein Verständnis für seinen Körper hat.

Was, wenn diesem Jungen erst mit 18 dämmert, warum er anders ist?

Was der Grund für seine Probleme ist,
warum er sich so fühlt, als würde ihn niemand verstehen, obwohl er sich selbst nicht einmal versteht?

Warum er sich isoliert, sich verstellt, jeden Tag eine Clownsmaske aufsetzt, eine komplett neue Person erfindet und mit der Zeit so gut in seiner Rolle wird, dass er sie wie eine zweite Haut rund um die Uhr trägt?

Eine zweite Haut, die die Person darunter komplett von der Sonne abschirmt, von der Luft, vor der Kälte, der Wärme,
vor Gefühlen.

Und auch nach dieser Erkenntnis kann ihm keiner helfen.
Weil niemand davon wissen darf.
Er hat Angst, seine zweite Haut abzuwerfen.
Seinen Unsichtbarkeitsmantel. 

Aber was, wenn dieser Junge plötzlich merkt, dass er nicht wie sie ist,

sondern wie er:

Wenn ihm klar wird, dass er zuerst seine Hülle abwerfen muss, um zu sehen, was sich darunter verbirgt.

Nun hat er Freunde, bei denen er sich zum ersten Mal keine Sorgen darüber machen muss, ob sie ihn so mögen, wie er ist.
Denn wenn man sich öffnet, zieht man automatisch die richtigen Menschen an.

Menschen, denen es egal ist, dass er schwul ist.

Und er ist endlich glücklich.

Und er weiß, dass es noch nicht perfekt ist.

Aber es ist gut.

Es ist so gut, wie es noch nie zuvor gewesen ist.

Und er freut sich, dass es so viele Menschen gibt, die ihn lustig finden.

Nicht den Clown von vor 6 Jahren.

Ihn selbst.

Joon.

Danke dafür.

Alles Liebe

Euer Joon

Vielleicht werden manche nicht schlau aus diesem Kapitel, aber vielleicht werden manche dafür
schlauer.