Prolog ~ Unverhofft kommt oft
Es war spät am Abend, als der Polizeibeamte, Jensen Bradley, in einem Imbissladen saß und noch einmal die Akten, des derzeitig, frei rumlaufenden Serienmörders, durchging. Er hatte noch köstlich gespeist, bis er den Polizeifunk hörte. GPS-Daten wurden allen Beamten zugeschickt. Diejenigen, die nahe am besagten Ort waren, mussten sich so schnell wie möglich dorthin begeben. Jahrelang mussten sie Verfolgung aufnehmen und jetzt wollte er ganz alleine diese Akte abschließen. Auf Verstärkung zu warten hätte ohnehin zu lange gedauert, daher übernahm er die Verantwortung und stürmte, sobald er angekommen war, in den ersten Stock des Gebäudes.
Die vielen Treppen waren für ihn keine Herausforderung. In Windeseile erklomm er die Stufen, jede einzeln bis er die gewünschte Etage erreicht hatte. Das Licht flackerte am Gang, welches Jensen ziemlich auf die Nerven ging. Er hatte eine leichte Migräne, die dadurch noch verschlimmert wurde. Oft war er deswegen beim Arzt gewesen. Doch auch dieser konnte ihm nicht helfen, nur Medikamente verschreiben und hoffen, dass es bald besser wurde. Für einen kurzen Moment blieb er stehen und rieb sich seine Schläfen, nahm noch schnell eine seiner Tabletten, die er immer dabei hatte, dann eiferte er seinem Ziel weiter nach. Ein scheußlicher Geruch lag in der Luft. Eine Mischung aus Schweiß und dem üblichen Klogestank.
Jensen stand kurz vor seiner Beförderung zum Detektiv, welche er ihm nicht entgehen lassen wollte. Er musste die Dinge selbst in die Hand nehmen können und das wollte er beweisen. Nicht nur seinen Kollegen sondern auch ihm selbst.
Es dauerte nicht mehr lange und das Suchen nach der richtigen Tür im Hochhaus hatte ein Ende. Vor ihm war das Ziel, wo sich laut den GPS-Daten der Mörder befinden sollte. Der Griff war vermodert, genauso wie der Rest des Gebäudes. So alt war es doch noch gar nicht und trotzdem in solch einem miserablen Zustand. Allmählich verstand er, warum keiner in die leerstehenden Wohnungen einziehen wollte. Als er einen kurzen Blick auf den Holzboden warf, fiel ihm auf, dass sich an den Wänden Schimmel gebildet hatte. Gerade, als der Polizist die Aufmerksamkeit wieder der Tür widmete und diese öffnen wollte, stieß jemand einen lauten, schrillen Schrei aus. Ihm zog sich der Magen zusammen. Der Hilferuf ertönte aus einer völlig anderen Richtung.
Sofort rannte Jensen den gesamten Weg zurück zur ersten Tür des Flurs. Er brach mit einem geübten Kick die verschlossene Tür auf und erblickte ein verletztes, braunhaariges Mädchen in den Händen des gesuchten Verbrechers. Voller Angst und Schrecken sah sie Jensen mit Tränen in den Augen an. Der Polizeibeamte erhob seine Handpistole. Genau in diesem Moment ergriff das Mädchen die Initiative dem Mörder gegen das Schienbein zu treten. Sie kam zwar frei, aber der gesuchte Mann stellte ihr das Bein. Das Mädchen fiel zu Boden, robbte sich in Sicherheit – vorerst. Es ging alles so schnell, dass der Polizist nicht einmal zu Wort kam. Der Mörder interessierte sich erstmal nicht mehr für das Mädchen, attackierte stattdessen Jensen geradewegs mit dem Messer. Ein zielsicherer Stich. Doch Jensen wich aus und holte zum Gegenangriff aus. Verpasste jedoch die Chance seinen Gegner zu verletzen. Dadurch wurde er am Kragen gepackt und gegen die Wand geworfen. Für einen kurzen Moment war Jensen benommen vom erschütternden Aufprall, als sich auch noch Bilder von der Wand lösten und auf ihn hinunterregneten. Sein Kopf dröhnte. Nur verschwommen nahm er seinen Angreifer wahr.
Das Bücherregal neben sich warf er mit großer Mühe um, sodass der Angreifer ihn nicht erreichen konnte. Hätte er doch auf Verstärkung gewartet. Als Detektiv war man auch nicht immer auf sich alleine gestellt – zumindest nicht in solchen Situationen. Aus seinem Blickwinkel bemerkte er, dass sich der gesuchte Mörder ihm von der anderen Seite näherte. Tief holte er Atem um die verbrauchte Luft ruckartig wieder aus zu lassen, sobald er sich bereit fühlte weiterzukämpfen.
Der Schwächere wollte dem Verbrecher entgegen laufen, um ihn mit der Pistole außer Gefecht zu setzen. Ein Stoß unterbrach sein Vorhaben. Die Kraft des anderen war unermesslich. Stolpernd fiel er beinahe mit dem Kopf gegen die Tischkante, doch konnte sich gerade noch so fangen. Langsam trat er einen Schritt zurück. Blickte dem Mann tief in die Augen, während er sich einen Plan überlegte. Er könnte Zeit vertrödeln und auf Verstärkung hoffen. Erschießen konnte er ihn nicht mehr, seine Pistole hatte er vorhin dummerweise fallen gelassen. Außer Reichweite liegt sie auf dem Steinboden.
Gedanken kreisten ihm im Kopf umher. Kein Ausweg war in Sicht, doch dann passierte etwas Unvorhersehbares. Zwei Beinpaare gruben sich tief in seine Magenhöhle, schleuderten ihn mit voller Kraft in Richtung des Fensters. Jensen hörte nur noch die Fensterscheiben klirren, während er versuchte sich nicht übergeben zu müssen. Sein Körper begann zu schwitzen und er fühlte, wie die Schwerkraft ihm die Hand reichte. Immer schneller zog sie ihn in den Abgrund, bis sein Körper gegen den schmutzigen, kalten schotterbestreuten Teerboden prallte. Mit verschwommener Sicht sah er nur noch, wie sich vereinzelte Glassplitter über ihn, wie Schnee rieselnd, und neben ihm, ganz dicht an seinem Ohr eine klirrende Melodie spielten.
Es kam nicht, wie er es sich vorgestellt hatte. Er wollte es alleine schaffen, doch nun hatte er alle enttäuscht.
Fehler passieren, oder?
Sein Herz stolperte. Mit jedem Schlag erlosch ein Funken Hoffnung, die vor diesem Ereignis noch ganz groß und klar zu erkennen war. Kampf für die Gerechtigkeit, oder so ähnlich. Das war sein Motto, sein Idol und seine Motivation weiterzumachen.
Ist sie erloschen?
Seine Gedanken wurden unklarer, sein Herzschlag langsamer und sein Atem ruhiger. Das, obwohl er vorhin noch voll Panik erfüllt war. Seine Frau hätte ihn für diese Aktion geschlagen, das war Gewiss. Immer wieder versuchte er sich zu bewegen. Aufzustehen. Am Leben zu bleiben. Ein brennendes Gefühl strömte durch seine Adern. Das Blut pochte in seinen Ohren, so laut, als wäre der Bass zu laut aufgedreht, übertönte seinen flachen Atem.
Sirenen der Polizeiwägen dröhnten in seinen Ohren, während er vor höllischen Schmerzen beinahe das Bewusstsein verlor. In seiner Magengegend stach es ununterbrochen je öfter er einen Atemzug nahm. Seine Lungen waren kurz vorm Ersticken. In seinen Schmerzen wollte er sich zu einem Embryo rollen, andererseits versagten seine Muskeln, ließen ihm am kalten Erdboden liegen.
Blau-rotes Licht blinkte wie wild. Seine Augenlieder wurden plötzlich so schwer. Jensen versuchte dagegen anzukämpfen. Versuchte wach zu bleiben. Er versuchte klare Gedanken fassen zu können. Das alles war ihm nicht möglich. Nicht in diesem Moment. In dieser Situation.
Langsam schlossen sich seine tränenerfüllten Augen und er ließ endlich die Schwärze über sich ergehen.
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