7. ZWEITE CHANCE
EMILIA
Ich hatte so was von Mist gebaut. Ausgerechnet den Chef musste ich so angehen. Ich konnte gestern kaum schlafen, da ich mir ständig Gedanken darüber gemacht habe. Tausend Mal bin ich durchgegangen wie ich mich Entschuldige um den Schaden so minimal wie möglich zu halten.
Schon seit einer Stunde warte ich vor Mr. Evans Büro. Er ist noch nicht da und jede Minute die vergeht werde ich nervöser. Ich bin ein reines Nervenbündel. Ich brauche diesen Job hier. Ich kann nicht wieder zurück auf die Straße. Ich atme hörbar aus und lehne meinen Kopf gegen die Wand. Ob er heute überhaupt erscheint? Vielleicht sollte ich vorher mit Tom reden. Nein. Ich muss mich bei Mr. Evans entschuldigen.
Als ich dann Geräusche von unten höre, fängt mein Herz wie wild an zu Pochen. Schwere Schritte kommen die Stufen hoch und ich presse mich so nah wie möglich an die Wand, da der Flur nicht sonderlich breit ist.
Mr. Evans taucht in meinem Blickfeld auf. Er trägt eine dunkle Sonnenbrille und ein schwarzes Hemd, das an den Ärmeln hochgerollt ist. Schwarze Linien eines Tattoos zieren seinen Unterarm und ich kann mir nur Schemenhaft vorstellen was es sein könnte.
„Guten Morgen Mr. Evans." Bringe ich nervös heraus und versuche mich an ein nettes lächeln.
Er bleibt kurz stehen und betrachtet mich abschätzend, bevor er verächtlich schnaubt und an mir vorbei geht. Nervös knete ich meine Hände, bevor ich ihm in sein Büro folge und dabei einen kurzen Blick auf seine kräftigen Oberschenkel in der Jeans werfen kann.
Es liegt genau neben Toms Büro, ist aber viel geräumiger. Ein schwerer Mahagoni Schreibtisch dominiert den Raum. Davor befinden sich bequeme Sessel, die wahrscheinlich für Besucher gedacht sind.
Aus dem gleichen schwarzen Leder, wie die Stühle, steht an der Wand eine kleine Zweisitzer Couch. Sogar eine Palme und Bilder sind im Büro zu finden.
Mr. Evans, wirft seine Tasche auf einen der Besucher Stühle, bevor er sich schwer fällig in den schwarzen Drehsessel, hinter seinen Schreibtisch, sinken lässt. Er nimmt seine Sonnenbrille ab und blickt mich finster an.
„Was wollen Sie hier?" Ich schlucke den Kloß herunter und knete nervös meine Hände. Er klingt nicht gerade begeistert mich zu sehen. Unsicher blicke ich ihn in die dunklen Augen. Er hat ein sehr Attraktives Gesicht, wenn er mich nicht gerade anblickt, als würde er mich im Hohen Bogen feuern.
„Mr. Evans. Ich wollte mich für mein gestriges Verhalten entschuldigen. Es war nicht angebracht." Fange ich langsam an. Er schnauft verächtlich und streicht sich über sein markantes Kinn.
„Da haben Sie Recht Miss Williams. Es war nicht angebracht, da es mein Club ist und sie für mich arbeiten." Er spuckt mir die Worte entgegen und etwas geschockt trete ich einen Schritt zurück. Wie verächtlich er meinen Namen ausgesprochen hat, wundert mich. Von einem guten Menschen, wie Kim erzählt hat, ist er weit entfernt. Ich habe einen Fehler gemacht, aber das gibt ihm doch nicht das Recht so mit mir zu sprechen. Ich konnte ja nicht wissen, dass er der Chef ist. Stand ja nicht auf seiner Stirn.
Ich spüre wie ich wütend werde. Es war mein Ganzer Mut von Nöten um mich heute bei ihm zu entschuldigen und dann bekomme ich so eine Aussage. Was für ein eingebildeter Arsch.
„Hätten Sie sich vorab vorgestellt, wäre das Ganze nicht passiert." Presse ich zwischen den Lippen hervor und versuche nicht allzu wütend zu klingen.
Ein knurren verlässt seine Kehle, was mich kurz zucken lässt. Ich versuche mich zu beruhigen. Ein eingesperrtes Wildtier sollte man nicht reizen. Unruhig trete ich von einem Fuß auf den anderen, da er mich nicht gebeten hat sich zu setzen.
„Sie sind zu mir gekommen und jetzt soll ich mich bei Ihnen entschuldigen?" Fragt er verächtlich. Mein ganzer Mut schwindet. Bin ich doch zu weit gegangen?
„Nein ich..." Er bringt mich mit einer Handbewegung zum Schweigen.
„Lassen sie es gut sein, ich will nichts mehr hören. Wir vertreten nicht die gleichen Interessen. Vielleicht passen Sie nicht in unser Team."
Mit offenem Mund blicke ich ihn an. Was? Ist das jetzt sein Ernst?
Ich spüre wie mein Ganzer Körper zu zittern anfängt. Er kann mich doch nicht einfach feuern. Nur weil ich ihn nicht erkannt habe an der Bar?
Ich brauche diesen Job. Die Wohnung. Das Geld.
Ich schlucke meinen Tränen herunter, bevor ich versuche weiter zu sprechen.
„Mr. Evans..." Doch er schneidet mir abermals das Wort ab.
„Sie haben Tom und mich angelogen." Perplex blicke ich ihn mit großen Augen an. Was meint er? Geht es hier um etwas anderes?
„Ich...ich verstehe nicht." Er lehnt sich lässig in seinen Stuhl zurück und verschränkt seine Arme vor seinem Körper.
„Sie verstehen nicht Miss Williams?" Ein kaltes Lachen dringt über seine Lippen und abermals muss ich schlucken. Wieder hat er meinen Namen so abwertend ausgesprochen und langsam dämmert mir was er meint. Mein Schwindel ist aufgeflogen. Er hat den Namen überprüft. Ich hätte es mir denken können. Es war alles umsonst. „Vielleicht sollte ich deutlicher werden. Eine Emilia Williams aus New Jersey existiert nicht." Seine Lippen sind zu einem dünnen Strich verzogen. Meine Hände fangen unkontrolliert zu zittern an.
„Es...Es tut mir leid." Demütig senke ich den Kopf. Wie ein Kartenhaus bricht gerade alles in mir zusammen.
„Wie heißen sie richtig." Ich schlucke schwer. Seine Stimme klingt ruhig und diese Ruhe macht mir mehr Angst als wenn er mich anschreien würde.
Er will wissen wer ich bin. Wenn ich ihm das sage, muss er meinen Richtigen Namen angeben und dann kann er mich finden.
Ich erschaudere. Nein. Die Angst Jason wieder zu begegnen sitzt tief. Ich kann ihm nicht die Wahrheit sagen. Ich kann meiner Vergangenheit noch nicht entgegentreten. Diesen Schritt bin ich noch nicht bereit zu gehen.
Weiterhin den Blick nach unten gerichtet schüttle ich den Kopf.
„Ich kann nicht..." Ich höre ihn wie er seinen Stuhl zurückschiebt. Seine schwarzen Schuhspitzen treten in mein Blickfeld und ich höre ihn schnaufen.
„So funktioniert das aber nicht." Seine Stimme wird lauter und ich zucke zusammen. „Sie haben mich angelogen und würde es nach mir gehen, wären sie jetzt schon nicht mehr hier. Aber aus irgendeinem Grund haben sie Tom um den Finger gewickelt. Also sollten sie mir jetzt schleunigst die Wahrheit sagen." Tränen laufen leise meine Wangen hinunter.
„Es tut mir leid. Ich kann nicht." Ich hebe meinen Kopf um ihn an zu sehen. Mit verschränkten Armen steht er vor mir und blickt mich immer noch abwertend an. Mein Blut rauscht in meinen Ohren. „Bitte schmeißen sie mich nicht raus. Ich brauch diesen Job." Versuche ich ihn anzuflehen. Wo sollte ich hin. Ich habe kein Geld mehr. Nur Jason wäre noch hier und die Vorstellung zu ihm zurück zu müssen löst Panik in mir aus.
„Das hätten sie sich früher überlegen müssen." Blufft er mich an.
Kraftlos sinke ich auf die Knie. War nun alles umsonst? Meine Flucht vor Jason nur um jetzt wieder zurück zu ihm zu kriechen. Die ständigen Jobwechsel um sich über Wasser zu halten. Um nicht zu verhungern. Die Angst keinen Platz in einem der Obdachlosenheime zu bekommen. Angst mitten in der Nacht überfallen zu werden. Ich bin gerade am Ende meiner Kraft. Dieser Job ist für mich alles. Meine letzte Chance auf ein neues Leben. Mein Geld ist weg. Ich würde keine Woche mehr überleben. Meine einzige Chance ist flehen. Etwas was ich nicht machen will. Doch ich habe eine andere Option?
„Ich mach alles. Ich komm als erstes ich gehe als letzte. Arbeite an sieben Tagen die Woche. Ziehen sie mir etwas von meinem Gehalt ab, aber bitte kündigen sie mich nicht." Eine lange Zeit höre ich nichts, bis dann Schritte verraten, dass er näherkommt. Ich schlucke und als ich langsam aufblicke, steht er genau über mir. Ich halte den Atem an. Er sieht wie eine Furcht einflößender Gott aus, wie er über mir steht und auf mich herabblickt. Seine Augen ruhen dunkel auf mir und sein Gesicht ist krampfhaft verzogen.
„Stehen sie auf." Presst er zwischen seine, zu Strichen verzogenen Lippen, hervor. Ich schlucke schwer.
„Bitte. Schmeißen sie mich nicht raus. Der Club ist alles was ich habe." Meine Stimme ist nur noch ein flüstern. Ich sehe wie seine Nasenflügel anfangen zu beben. Er ist wütend. Panik und Angst schnüren mir die Kehle zu. Als er seinen Arm ausstreckt zucke ich instinktiv zusammen und halte schützend meine Hände über den Kopf. Ein Reflex um die Schläge gegen mein Gesicht abzufangen. Doch nichts passiert. Kein Schmerz durchströmt mich. Ich höre ihn immer noch über mir schnaufen. Als sich seine Hand um meinen Oberarm legt, zucke ich zusammen. Doch der Schmerz bleibt aus. Fast schon zärtlich zieht er mich nach oben, bis ich direkt vor ihm stehe. Ich öffne die Augen und sehe seine starke Brust direkt vor mir. Uns trennt nicht mehr als eine halbe Armlänge. Ich atme hörbar ein und nehme seinen feinen Duft nach Zimt und Anis wahr. Sekunden vergehen, die sich wie Minuten anfühlen, in denen sich niemand rührt.
Wir stehen nur da.
Zentimeter voneinander entfernt. Ich höre das Rhythmische schlagen seines Herzens und versuche mich darauf zu konzentrieren.
Meine Atmung wird gleichmäßiger und ruhiger.
Ich lege meinen Kopf in den Nacken um in sein Gesicht sehen zu können. Seine Züge sind zärtlicher geworden und das erste Mal sehe ich wie attraktiv er wirklich ist. Seine beeindruckenden fast schwarzen Augen blicken ruhig auf mich herab. Sein markantes Kinn weist Stoppeln auf, als habe er sich heute früh nicht rasiert. Seine schlanken sinnlichen Lippen liegen locker aufeinander.
Schnell blicke ich wieder weg, da ich spüre rot zu werden.
Doch was ich da sehe, lässt mich scharf einatmen. Sein Hemd steht leicht offen und offenbart mir seine glatte sonnengebräunte Haut. Die Muskeln wölben sich und drücken bei jedem einatmen, gegen sein Hemd. Ich schlucke den Kloß runter und versuche den Gedanken zu verdrängen die Hand nach ihm Auszustrecken. Versuche nicht denselben Fehler wie damals zu machen.
„Enttäusche mich nicht nochmal, Emilia." Seine Stimme klingt rau und ist gerade mal so ein flüstern. Sein warmer Atem streift mein Ohr und eine Gänsehaut zieht sich über meinen Nacken. Als er seine Hand von meinem Arm nimmt, spüre ich die kühle Luft und wie ein Bann der sich löst, sehe ich wieder klar. Doch ein komisches Gefühl bleibt zurück.
Er tritt zurück zu seinem Schreibtisch und da er mich nicht mehr anblickt, deute ich es als eine weitere Chance. Erleichterung durchströmt mich. Ich kann es kaum fassen.
„Danke." Hauche ich ihm noch zu, bevor ich sein Büro verlasse.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro