1. NEUANFANG
Gegenwart
EMILIA
Ich hatte es geschafft.
Seit ich ein Kind war und in einer Zeitschrift ein Bild von New York gesehen hatte, war es mein Traum dorthin zu fahren. Damals hatte ich mir die Seite herausgerissen und verwahrte sie seitdem sicher auf.
Wie von selbst greife ich in meine Tasche und hole das mittlerweile zerknitterte Bild, des Empire State Building, hervor. Seitdem ich hier war, hatte ich noch nicht die Möglichkeit es zu betrachten. Doch ich nehme mir fest vor es mir eines Tages anzusehen.
Zärtlich Streiche ich über das 380m hohe Gebäude, bevor ich es wieder sicher verstaue.
Von diesem Traum hatte ich nie jemanden erzählt. Es war mein Geheimnis und im Nachhinein, bin ich froh darüber.
Jason soll mich nicht finden.
Seit einem Monat halte ich mich mit Nebenjobs in Cafés oder Bars über Wasser. Schlafe in Obdachlosenasylen oder in leerstehenden Gebäuden.
Ich hatte keine andere Möglichkeit. Ohne festen Job, bekomme ich keine Wohnung. Noch dazu ist New York teuer, daher bleibt mir nichts anders übrig.
Die Reise von Rixford, in Pennsylvania, nach New York war anstrengend und kostspielig gewesen und die Nebenjobs wurden nicht gerade gut bezahlt. Es reichte gerade mal so aus um von Tag zu Tag zu leben.
Auch wenn es nicht leicht ist, bereue ich dennoch nichts.
Es war die richtige Entscheidung Jason zu verlassen. Er hätte mich irgendwann zerstört, doch ich möchte leben.
Und in New York neu anzufangen, hört sich verlockend an.
Heute stehe ich mit meinen ganzen Habseligkeiten vor dieser schwarzen Eisentür. Die Sonne steht, an diesem schönen Frühlingstag, hoch am Himmel. Passanten strömen an mir vorbei und behandeln mich wie Luft, während ich seit einer Ewigkeit diese Tür anstarre. Ich hatte das Glück einen gut Bezahlten Job in einem Angesagten Club zu ergattern. Noch dazu hatten sie für ihre Angestellte kleine Wohnungen in der Nähe. Ich bin froh endlich von der Straße weg zu kommen, dass es für mich wie ein strahlendes Licht vorkommt. Immer wieder überlege ich ob das ein Traum ist. Endlich läuft etwas in meinem Leben gut. Aber ist das alles wahr?
Etwas mulmig im Bauch, betätige ich die Klingel an der schweren Tür. Meine Atmung wird unregelmäßiger und mit jeder Sekunde die vergeht, kommen Zweifel in mir hoch. Ist es wieder nur eine Illusion wie Jason? Werde ich abermals Enttäuscht? Mein Herz klopft schwer, als die Tür aufgerissen wird und ein großer dunkelhäutiger Afrikanischer Mann vor mir steht.
„Was willst du?" Seine tiefe Stimme jagt mir einen Schauer über den Rücken und Instinktiv weiche ich einen Schritt nach hinten aus.
Bei Männern klingeln bei mir sofort meine Alarmglocke.
Ich muss meinen Kopf in den Nacken legen um in sein Gesicht zu blicken.
Mit meinen gerade mal 1,65m wirkt er für mich wie ein Riese. Seine muskulösen Arme verschränkt der Mann vor seiner Brust. Mein Blick huscht zu seinen braunen Augen und den lockigen schwarzen Haaren, die kurz gehalten sind. Ich schnappe mehrmals nach Luft und versuche etwas aus meinem Mund heraus zu bekommen. Doch nichts.
"Wir kaufen nichts und Almosen verteilen wir auch nicht."
Der Mann rollt die Augen und will mir die Tür wieder vor der Nase zuschlagen. In diesem Moment packe ich meinen Mut zusammen und ein fiepen gleitet über meine Lippen.
„Ich arbeite ab heute hier." In der Bewegung innehaltend blickt er auf mich herunter. Sein Blick wandert über meinen Körper, was mir kurzerhand unangenehm ist.
Es war nicht leicht mit den wenigen Klamotten in dem Monat auszukommen. Noch dazu ist es um diese Jahreszeit, nachts ganz schön kalt.
In den Obdachlosenasylen konnte ich aber waschen und mich auch duschen. Ich habe es geschafft nicht aufzufallen und keiner meiner Arbeitgeber bemerkte meine Mittellosigkeit.
Für den heutigen Tag, bin ich extra einkaufen gegangen. Deswegen stehe ich mit einer neuen Jeans und eine beige Bluse vor ihm.
Als ich ihn wieder entgegenblicke lächelt er. Seine weißen Zähne, strahlen in seinem dunklen Gesicht gerade zu.
„Sorry kleine, wusste ich nicht. Dann komm mal rein." Er tritt einen Schritt zurück und deutet mir mit einer Handbewegung an hinein zu kommen. Einmal noch tief Luft holend, folge ich seiner Anweisung und betrete den Vorraum hinter der schweren schwarzen Eisentür.
„Du musst wissen, dass hier manch komische Gestalt vor der Tür auftaucht. In New York muss man vorsichtig sein. Ab und an sind es irgendwelche Junkies die ihren nächsten Schuss suchen. Oder Obdachlose, die einen Platz zum Schlafen ergattern wollen." Ich folge dem jungen Mann weiter in den Club hinein.
„Du bist Emilia oder?"
„Ja. Ich habe mich für die Bar beworben." Der Afrikanische muskulöse Mann nickt, während er mich in den Club führt. Wie auf einer Galerie blickt man hinunter auf die Tanzfläche. Ich bleibe kurz, am Geländer Stehen und blicke mich um.
„Ich bin Jackson. Aber alle nennen mich nur Jacks. Ich arbeite vorne an der Tür und achte darauf, dass nicht jeder hier reinkommt und ganz besonders, dass niemand ärger macht." Er bleibt neben mir stehen und dreht sich zu mir um. Ein Lächeln umspielt seine vollen Lippen. „Willkommen im „Eclipse de Sol".
Mit einer Einladenden Geste deutet er in den Raum hinein. Ein großer Kronleuchter hängt über der Tanzfläche, die etwas abgetrennt mit erhöhten Emporen unter uns liegt. Anthrazitfarbene Fliesen zieren den Boden sowie schwarze Wände. Gegenüber schlängelt sich eine Lange Bar und immer wieder stehen vereinzelt Sitzgelegenheiten wie kleine Nischen an den Wänden.
„Komm mit." Jacks deutet mir, mit einer Handbewegung an, ihm die
S-Förmige Treppe nach unten zu folgen. „Hier gelangen wir zur Bar und der Tanzfläche." Wir treten weiter in den Club hinein. Zwei Stufen führen zu dem großen Tanzbereich.
Mit offenem Mund betrachte ich die Meterhohen Decken und den stilvollen Kronleuchter, der momentan voll beleuchtete ist.
„Und hier oben ist unser VIP Bereich." Jacks reißt mich aus meinen Gedanken.
Er zeigt mir im hinteren Bereich des Tanzbereiches, eine Treppe. Eine rote Kordel trennt diese vom restlichen Bereich.
Langsam folge ich ihm diese Treppe nach hoch.
„Hier oben arbeitet meist Cassy, wenn sie da ist." Neugierig blicke ich mich in dem Schicken VIP Bereich um. Grüne Palmen stehen in den Ecken.
Es stehen mehrere edel aussehende beige melierte Couch Ecken und Sessel in verschiedenen Nischen. Auch eine kleine Bar ist im VIP Bereich vorhanden. Eine Absperrung aus Glas grenzt den VIP Bereich ab und man hat einen schönen Blick auf den Bereich unter uns.
„Dein Arbeitsbereich wird aber unten an der Bar sein. Komm mit, Kim ist bereits da." Ich nicke, als er mich wieder in den unteren Bereich, zu der Bar im hinteren Teil des Clubs, führt. Sie erstreckt sich über mehrere Meter. Eine Glaswand bildet die Rückwand und wird von LED's beleuchtet. Mehrere Regale sind davor und Alkohol Flaschen verschiedener Sorten reihen sich aneinander.
Dahinter huscht eine blonde Frau hin und her. Sie ist schlank und groß gebaut. Ihre Haare trägt sie glatt und ein Aufreizendes Make up mit rotem Lippenstift ziert ihr hübsches Gesicht. Ihre vollen Brüste sind zusammengepresst in einem gewagt ausgeschnittenen Bustier und ihre dünnen langen Beine stecken in kurzen Hotpants. Als Jacks sich nähert, bleibt sie kurz stehen und schenkt ihm ein strahlendes Lächeln.
„Hey Jacks." Sie stützt ihre Arme auf den Tresen, was dazu führt, dass ihre Brüste einem direkt ins Auge stechen.
„Hey süße." Mit einem breiten Lächeln lehnt sich Jacks an die Bar und deutet mir an, näher zu kommen. „Kim, das ist Emilia. Sie arbeitet ab heute hier. Emilia, das ist Kim. Sie wird dir den Rest zeigen, da ich kurz mit dem Boss reden muss." Er schenkt mir ein lächeln. „Viel Spaß an deinem ersten Tag." Damit dreht er sich um und verschwindet. Langsam wende ich mich Kim zu, die immer noch auf der Theke hängt und Jackson nachsieht.
„Hey." Ich reiche ihr meine Hand und sie ergreift sie.
„Hey. Schön, dass wir bisschen Hilfe bekommen. Komm ich zeig dir schnell wo du deine Sachen verwahren kannst."
Ich nicke und folge ihr in einen Raum mit silberfarbenen Spinden, wie sie in den meisten Schulen stehen.
Nachdem ich meine wenigen Sachen hineingepackt habe, folge ich Kim wieder hinter die Bar.
Kim zeigt mir wo ich die Getränke finde. Wie Zitronen und Obst für die Cocktails geschnitten werden und wo die verschiedenen Gläser stehen. Sie scheint nett zu sein. Ihre quirlige Art ist erfrischend und lenkt mich mit meinen Gedanken ab.
„Komm mit. Ich zeig dir schnell wo die Kühlhäuser sind. Wir müssen noch die Getränke hier oben auffüllen."
Ich folge ihr eine Treppe hinunter in den Keller. Leere Kisten und Fässer stapeln sich an der Wand. Von dem großen Kühlhaus geht ein angenehmes surren aus.
Kim stellt einige Getränkekisten zusammen und reicht mir eine.
Nachdem wir die Bar soweit bestückt haben, zeigt mir Kim kurz das Backoffice.
„Hier hinten ist der Mitarbeitereingang. Dieser führt in unseren Hinterhof und ist mit einem vierstelligen Code gesichert." Ich nicke als sie mir den Code gibt und schreibe ihn mir vorsichtshalber, mit Kugelschreiber, auf mein Handgelenk.
Wir folgen dem Gang zu einer weiteren Tür. „Hinter dieser Tür befindet sich unser Gemeinschaftsraum. Meist essen wir vor der Arbeit alle noch gemeinsam. Du brauchst dich auch um nichts zu kümmern. Jacks kocht meistens und das schmeckt immer Göttlich." Dabei blickt sie verliebt in die Luft.
"Wir haben noch einige Minuten, bevor der Club öffnet. Nimm dir aus dem Kühlschrank ein Getränk oder wenn du magst hier ist frischer Kaffee. Ohne würde ich nicht überlegen." Sie strahlt über beide Ohren, als sie sich eine große Tasse Kaffee einkippt.
"Jacks hat heute Lasagne mitgebracht. Die duftet so herrlich." In diesem Moment fängt mein Magen wie aufs Stichwort an zu knurren, da ich heute noch nichts gegessen hatte.
Kim fängt zu Lachen an und reicht mir Besteck und einen Teller, bevor sie sich selbst eine große Portion aufschlägt.
Gemeinsam sitzen wir in die kleine Küche, die mit einer Sitznische ausgestattet ist und essen. Wie Kim erzählt hat, schmeckt es wirklich Himmlisch.
Ich unterhalte mich mit ihr und muss feststellen, dass sie eine echte Frohnatur ist. Sie lacht viel und redet in einer Tour.
„Sag, wo kommst du her?" Neugierig blickt sie mich an und ich verschlucke mich fast an den Nudeln. Übertrieben lange kaue ich, um mir eine gute Antwort zu überlegen. Nachdem ich von Jason weg bin, habe ich mir überlegt was ich machen kann, damit er mich nicht findet. Bis jetzt klappte es ganz gut, indem ich einfach bei meinem Nachnamen gelogen habe. Bei Aushilfsjobs und Barauszahlung nimmt es keiner genau. Doch das hier ist mein erster fester Job und bis auf meinen Vornamen habe ich, bei dem Bewerbungstelefonat, noch nichts angegeben. Davor habe ich am meisten Angst. Ich räuspere mich und blicke in ihre grünen Augen.
„Aus New Jersey." Lüge ich sie an. Ihre Augen fangen an zu strahlen.
„Wirklich? Ich auch. Das ist ja cool. Wo genau hast du gewohnt?" Ich schlucke schwer. In dem Moment, als mein Schwindel aufzufliegen droht, betritt ein großer kahlköpfiger Mann, mit Vollbart, den Raum. Erleichtert stoße ich die Luft aus, was seine Aufmerksamkeit auf mich lenkt.
„Kim, mach dich fertig." Sein Ton ist schroff, doch das hindert die Blonde Barfrau nicht daran mit einem Lächeln aufzustehen und an ihm, mit den Worten „Jawohl Boss" vorbei zu huschen. Der große Mann, der über und über mit Tattoos geschmückt ist, blickt auf mich herab. Sein Muskulöser Oberkörper steckt in einem weißen Shirt und wird mit schwarzen Jeans kombiniert. Seine braunen Augen huschen über mein Gesicht bevor er sich auf den Stuhl mir gegenüber fallen lässt.
„Du bist also Emilia und arbeitest ab heute hier." Es ist eher eine Feststellung als eine Frage, doch ich nicke. „Wir haben telefoniert. Ich bin übrigens Tom." Er streckt mir seine Hand entgegen die ich nervös ergreife. Sein fester Griff zollt von stärke.
„Da wir unter der Woche haben, wird es heute Abend etwas ruhiger. Normalerweise schafft das einer allein. Deswegen habe ich heute Zeit dir alles zu zeigen. Wir lassen es ruhig angehen und irgendwann läuft es von allein. Übrigens bräuchten wir auch noch deine Unterlagen." Ich spüre wie mein Herz anfängt schneller zu schlagen. Aber was hatte ich anders erwartet. „Aber das hat noch Zeit." Tom lehnt sich in seinem Stuhl zurück und verschränkt seine Arme vor der Brust.
Dabei stechen mir seine muskulösen Arme ins Auge.
Er könnte locker als Boxer durchgehe und hätte wahrscheinlich null Probleme gegen irgendwelche Gegner.
„Hast du Fragen?" Ich schiebe meinen leeren Teller weg und Blicke ihn wieder in die Haselnuss braunen Augen.
"Gibt es hier einen Dresscode?" Er schüttelt den Kopf.
"Nein. Zieh an was du möchtest. Worin du dich wohl fühlst." Ich nicke und bin erleichtert nicht extra noch einkaufen gehen zu müssen.
"Die Wohnung über die wir geredet haben..." es ist mir unangenehm über meine Wohnsituation zu sprechen, daher blicke ich auf meine Hände.
"Wenn das okay ist zeige ich dir die Wohnung später. Der Club öffnet gleich und wir sollten langsam vor zu Kim." Schnell nicke ich, da ich nicht am ersten Tag Anweisungen geben will.
"Gut. Wenn was ist frag einfach. Wollen wir an die Bar?" Er blickt mich fragend an, bevor er sich langsam erhebt.
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