Chào các bạn! Vì nhiều lý do từ nay Truyen2U chính thức đổi tên là Truyen247.Pro. Mong các bạn tiếp tục ủng hộ truy cập tên miền mới này nhé! Mãi yêu... ♥

So viele Geheimnisse

14-So viele Geheimnisse

Zeit: Frühsommer 79 / Ort: Capitol Distrikt

„Nein, geh nicht", jammerte Blue und klang damit einmal mehr wie ein verängstigtes Kind.

„Blue..."

„Nein." Jetzt umklammerte er auch noch meinen Arm, krabbelte dabei halb auf meinen Schoss und vergrub das Gesicht an meiner Halsbeuge. Ich konnte seinen hektischen, warmen Atem auf der Haut spüren.

Okay, das war... übel. Blue war anhänglich, schon immer und vor allem bei mir, aber wenn es so schlimm wurde, dann gab es dafür meistens einen triftigen Grund. Etwas, das ihn erschreckt hatte, eine aufflammende Erinnerung – das führte oft dazu, dass er sich einerseits total von der Gruppe zurückzog und abkapselte und gleichzeitig übertrieben anhänglich reagierte. Und da Blue nicht wirklich viele Bezugspersonen hatte, traf es zumeist mich oder auch Seho. Obwohl ihm unser Arzt anfangs große Angst eingeflößt hatte, war es Seho gelungen, in relativ kurzer Zeit ein recht enges Verhältnis zu Blue aufzubauen.

Jetzt gerade traf es allerdings mich und während Blue in meinen Schoß kletterte, wie ein Äffchen, schloss ich seufzend die Augen, schlang die Arme um ihn und streichelte seinen Rücken. Es war nicht so, dass ich nicht gern für ihn da war, es kostete einfach manchmal mehr Kraft als ich hatte. Ich mochte Blue, ich mochte ihn wirklich sehr, allerdings auch mehr als ihm, oder vor allem mir guttat. Für den Moment war es aber okay. Der schmale, warme Körper presste sich an meinen, weiche Haare kitzelten meine Wange und ich seufzte unterdrückt. Ein wenig wiegen, summen, das beruhigte ihn meistens, Streicheleinheiten, ein Kuss in die Haare gehaucht, das alles konnte helfen und dennoch war es immer eine Gratwanderung. Die Vertrautheit, die er heute verlangte, konnte morgen schon zu viel sein und in einem panischen Weinkrampf enden. Ich wusste, dass die meisten sich deswegen scheuten, ihm zu nahe zu kommen, dabei hungerte der arme Kerl nach dieser Art Zuneigung.

Ich wiegte ihn also ein wenig vor und zurück, summte irgendeine Melodie, die mir gerade in den Sinn kam und als sich sein panischer Klammergriff ein wenig lockerte, krabbelte ich ganz leicht seinen Rücken, bis er unterdrückt kicherte. Auch das mochte er, ein wenig balgen und schmusen, solange es diese leichte, unbeschwerte Art behielt und nicht zu intim wurde. Dann durfte man seine Fingerspitzen küssen, auf seinen Nacken pusten und dergleichen mehr, was oft genug dafür sorgte, dass er sich behaglich herumrollte wie eine Katze. Es war schwer, sich dem zu entziehen und in diesen Momenten liebte ich ihn über alles, wahrscheinlich würde er nie begreifen wie sehr.

Heute jedoch war er zwiespältig, zwar lachte er leise, doch weder hob er den Kopf noch wollte er zulassen, dass ich ihn ansah. Und jedes Mal, wenn ich mich von ihm lösen wollte, krallte er erneut die Finger in mein Shirt. Gleichzeitig wirkte er so unterschwellig nervös, dass es sich sogar auf mich übertrug.

„Blue bitte, ich habe Jonah versprochen, dass ich nach ihm sehe, hm?" Unser Neuzugang verwirrte Blue immer noch sehr, wenn auch auf vielfältige Weise. Zum einen hatte er Angst, zum anderen machte ihn der junge Mann, der sich so anders benahm, wohl auch neugierig, weswegen ich in Blues Gegenwart oft seinen Namen benutzte, damit er sich daran gewöhnte. Aber das half gerade auch nicht. Jetzt rupfte er leise murrend am Stoff meines Shirts, also umarmte ich ihn erneut und hielt ihn wieder fest.

„Okay, ich sag dir was, wenn du dich jetzt hinlegst und ein bisschen schläfst, dann bleibe ich noch ein wenig hier, hm? Ich bleibe bis du eingeschlafen bist, aber du musst dich hinlegen."

„Versprochen?", nuschelte er gegen meine Brust.

„Versprochen."

Zum ersten Mal hob er nun den Kopf und sah mich an. Das Band seiner Augenklappe war verrutscht und knickte ihm fast das Ohr um, die Haare standen in alle Himmelsrichtungen davon. Ich musste schmunzeln.

„Na jetzt guck dir mal an, wie du aussiehst, hm? Wie ein kleines Küken, das aus dem Nest gefallen ist." Behutsam glätte ich seine Haare, hielt dann auffordernd meine Hand hin und Blue nahm die Augenklappe ab und reichte sie mir. Das machte er auch nicht bei jedem und war wohl seine Art von bedingungslosem Vertrauen.

Ich lächelte, als er mich ansah. Blue hatte wunderschöne Augen – nun, gehabt. Es war nur noch eins davon übrig, das andere blind, das hübsche Blau verwaschen grau. Von seiner Augenbraue abwärts verlief zudem eine hässliche Narbe, die es ihm schwermachte, das Auge ganz zu schließen. Das wiederum hatte zur Folge, dass er immer wieder mit Entzündungen kämpfte und zum Schutz die Augenklappe trug. Ich hatte mich längst daran gewöhnt. „Ab in deine Kuschelhöhle", wies ich ihn an. Deckte ihn zu, als er endlich Ruhe gab, nachdem er eine ganze Weile herumgewetzt hatte, um Zeit zu schinden. Dann legte ich mich zu ihm und strich nun sanft durch seine Haare. Blue seufzte und rollte sich herum. Wahrscheinlich war er ohnehin komplett erledigt, aber das hätte er natürlich nie zugegeben.

Für eine Weile hielt ich also bei ihm Wache und als seine tiefen Atemzüge verrieten, dass er eingeschlafen war, stahl ich mich langsam von seinem Lager. Ich saß noch nicht richtig, da brummelte Blue schon wieder, sodass ich beruhigend eine Hand auf seine Schulter legte.

„Ich bin hier, alles in Ordnung."

Blue entspannte sich wieder und ich erhob mich still und schlich zu meinem eigenen Lager, das an seines anschloss. Dort öffnete ich meine Kleiderkiste, tastete darin herum und zog schließlich eins meiner Fundstücke heraus und kehrte damit zu Blue zurück, wieder setzte ich mich neben ihn, wartete, doch er hatte sich in seinem Nest zusammengerollt wie ein kleines Kind und schlief, die Decke bis an die Ohren gezogen

Langsam hob ich die Brieftasche aus schwarzem Leder an und drehte sie in der Hand. Wie oft hatte ich sie jetzt schon angestarrte, ihren Inhalt, das Geld, die Karten – ich wurde immer noch nicht schlau daraus, dabei konnte ich bis ins Detail beschreiben, was darin war. Das Münzfach war fast leer, die Münzen darin aus einem Material das ich nicht kannte und mit einer Randprägung die mir nichts sagte. Bei den Münzen lag ein kleiner dunkler Stein, vielleicht ein Glücksbringer. Ich hatte ihn nur einmal in die Hand genommen, aber da war bereits eine Spitze abgebrochen, also nahm ich ihn kein zweites Mal heraus. Hinter einem Fach mit durchsichtigem Kunststoffdeckel war eine Plastikkarte mit dem lächelnden Abbild von Jonah. New Jersey war oben fett aufgedruckt, darunter: Auto Driver License. Der Name lautete auf Jonah Resa Young und die Daten darunter waren... offenbar ausgedacht, denn sie ergaben keinen Sinn. In weiteren Fächern fanden sich noch insgesamt sieben Plastikkarten in allen Farben, glitzernd und nicht, mit geprägter Schrift, mit Jonahs Unterschrift – sahen alle toll aus und hatten für mich keine Bedeutung. In den großen Fächern steckten Geldscheine, hinten mit einem Clip zusammengehalten, vorne lose. 10, 20, 50. Ich hatte sie gezählt, das Papier zwischen den Fingern gerieben und nach Wasserzeichen und anderen Merkmalen gesucht, doch nichts, weder die Bilder darauf noch sonst was, hatte ich je zuvor gesehen. Sie waren alle gleich groß, alle grün. Was war das alles? Fantasiedokumente und falsches Geld? Wofür? Gab es einen nachvollziehbaren Grund, warum er solchen Krempel mit sich herumschleppen sollte? Wären es gut gemachte Ausweise und Falschgeld gewesen, hätte ich wohl eher Victors Theorie unterstützt. So wirkte er weniger verdächtig als armselig auf mich. Wie auch immer, das ganze Zeug interessierte mich weit weniger als das Foto, das ebenfalls darinsteckte, denn wann immer ich es ansah jagte es mir einen Schauer über den Rücken, ohne dass ich sagen konnte wieso.

Die Fotografie steckte im vorderen Fach und war gefaltet. Vorsichtig zog ich sie heraus und klappte sie auseinander. Das Bild zeigte zwei junge Männer in Freizeitkleidung, Arm in Arm mitten im Grün, vor einem Kreis aus rechteckigen Steinen. Einer schwarzhaarig, der andere – Jonah – mit wilden dunkelbraunen Strähnen, vom Wind zerzaust. Beide lachten. Ich drehte das Foto um, auch wenn ich die Beschriftung schon ein Dutzend Mal gelesen hatte.

Gino stand da in einer geschwungenen Handschrift, dahinter die Zahlen 2,0,1, und 6, wozu ich wiederum gar keine Verbindung herstellen konnte. Eine Telefonnummer vielleicht? Ich hatte leider keinerlei Möglichkeit, das zu überprüfen. Unter die Zeile war ein kleines Herz gemalt. Mehr nicht.

Gino. Zumindest dahingehend hatte Jonah nicht gelogen. Ich starrte noch eine Weile auf die lächelnden Gesichter. Dieses Foto war echt, ich war mir ganz sicher und gerade deswegen fand ich es irgendwie alarmierend.

„Santiago?!"

Scheiße!

Mein Kopf ruckte hoch und ich stopfte das Foto hastig zurück in die Brieftasche, bevor ich diese wieder zwischen meinen Klamotten verschwinden ließ, aufsprang und zur Brüstung flitzte.

Nervös und mit roten Wangen spähte ich hinab und entdeckte Seho. „Ja?"

„Wo bist du denn die ganze Zeit? Ich dachte du wolltest dich mit Jonah treffen?"

Jonah! Verdammt, ich hatte vollkommen die Zeit übersehen. Und jetzt murmelte hinter mir in der Ecke auch noch Blue verschlafen und rief leise nach mir. Ich sah über meine Schulter, ohne meinen Platz zu verlassen.

„Blue, ich muss jetzt wirklich gehen, ich hab's versprochen. Aber es dauert sicher nicht lange." Und dann wandte ich mich wieder Seho zu, rollte mit den Augen und strich mir die Haare aus dem Gesicht.

„Jaah!", nölte ich, stand auf und warf einen letzten Blick zurück auf meinen Platz – hatte ich irgendwas übersehen? Ich hoffte nicht.

*

Eine ganze Weile waren wir jetzt schon schweigend nebeneinander durch den Wald marschiert, aber Jonah schien sich an der ausgedehnten Stille zwischen uns nicht zu stören. Überhaupt wirkte er, als wäre er in Gedanken meilenweit weg. Ich hatte ihn beobachtet, beim Frühstück und auch so, Seho hatte recht. Die einzige Beschreibung, die passend schien war: Jonah war traurig. Und da ich mir unsicher war, wie ich damit umgehen sollte, hatte ich zunächst geschwiegen, ihm Raum gelassen, aber auch das schien nicht zu helfen. Irgendwann versuchte ich also doch eine Brücke zu schlagen.

„Kennst du dich aus mit Fallenstellen?"

Jonah sah mich nicht mal an. „Nein", raunte er nur dumpf, seufzte und setzte dann voller Bitterkeit nach: „Und ich habe auch noch nie getötet, keinen Menschen, kein Tier... naja, vielleicht mal eine Fliege."

Er lächelte nicht und ich fühlte mich irgendwie unzulänglich, warum auch immer.

„Also du musst nicht...", meine Stimme war plötzlich schrecklich heiser und kratzig. „Töten. Kaninchen, mein ich, wenn du... wenn..." Er sah mich an, voller Abscheu, wie ich meinte und ich verstummte wieder.

„Wir sind ein gutes Dutzend Leute", versuchte ich es kurz darauf nochmal. „Wir müssen essen und die Lebensmittelmarken reichen nie. Auch nicht wenn... wenn wir zusätzliche bekommen können. Verstehst du?"

Und jetzt blieb Jonah plötzlich stehen und sah mich wütend an. „Nein, ich verstehe es nicht, okay? Ich verstehe gar nichts hier, aber das kümmert ohnehin keinen. Ich vermisse meine Familie, mein Zuhause, meinen Freund, aber keiner hier hört mir zu, keiner will mir helfen. Ihr haltet mich hier fest, auf diesem..., keine Ahnung wie ich es nennen soll und beäugt mich misstrauisch. Sollte nicht ich misstrauisch sein? Was habe ich denn getan?" Er schüttelte den Kopf und sah weg, aber der Ausbruch war noch nicht vorbei. „Ich habe keine Ahnung wo ich bin, Sannie, das ist die Wahrheit. Ich habe keine Ahnung, was passiert ist oder was ich jetzt tun soll, aber anstatt eine Lösung für dieses Dilemma zu finden, laufe ich durch den Wald und stelle Kaninchenfallen auf. Wenn es nicht so armselig wäre, könnte ich vielleicht darüber lachen."

Wieder seufzte er, aber dann verstummte Jonah und stapfte verbissen weiter. Ich folgte ihm still. Die dritte Falle, die wir aufsuchten war zum Glück auch nicht leer, also ließ ich meinen Begleiter warten und holte mir das Langohr. Ich wollte ihn nicht zusätzlich belasten, indem er mir zusehen musste, wie ich Kaninchen tötete.

Als ich zu Jonah zurückkam, hockte er auf einem Stein und grub mit einem Stock in der Erde. Er sah nicht auf, als ich mich neben ihn setzte.

Still nahm ich eine Flasche aus dem Rucksack, trank einen Schluck und hielt sie ihm dann hin. Tatsächlich griff Jonah danach, trank und gab sie mir wortlos zurück.

„Gino ist dein...Freund?", fragte ich vorsichtig. „Also... so wie-"

Prompt bekam ich ein abfälliges Schnauben und Jonah warf mir einen finsteren Blick zu. „Denk was du willst", zischte er mich an. „Über den Punkt, mich für irgendwas zu rechtfertigen, bin ich schon lange hinaus."

Es dauerte einen Moment, bis ich begriff, dann schnappte ich empört nach Luft und richtete mich auf. „Was? Du denkst ich..?" Das war doch absolut lächerlich! „Du hast es wohl immer noch nicht kapiert, oder? Das ist doch einer der Gründe, warum die Hälfte von uns überhaupt hier draußen lebt, also spar dir deine bissige Belehrung. Glaubst du etwa Yule und Sandrin hatten es leicht? Sie kommen direkt von der Straße und konnten sich nicht hinter irgendwelchen hohen Mauern verstecken wie du."

Jonah runzelte die Stirn, dann wandte er sich kopfschüttelnd ab und mir tat es schon wieder leid, dass ich so barsch reagiert hatte.

„Ich meine ja nur", fuhr ich ruhiger fort. „Wenn sie... wenn sie dich fortgejagt haben, weil du... wegen... Gino... dann... Bei uns kannst du bleiben, hm?"

Jonah schüttelte schon wieder den Kopf und schließlich vergrub er das Gesicht in beiden Händen.

„Ich will aber nicht bleiben", hörte ich dumpf. „Ich will nach Hause, ich will ihn wiederhaben, ich will, dass er mich festhält und dass dieser Albtraum endlich vorbei ist."

Nun, ich gebe zu, einerseits verwirrte mich sein Gerede ziemlich, andererseits war seine Verzweiflung etwas, dass selbst für mich beinahe körperlich zu spüren war und einem einfachen Impuls folgend, rückte ich ein Stück an ihn heran und legte behutsam einen Arm um seine Schultern.

„Schon gut", flüsterte ich. „Ich weiß, wie du dich fühlst, mir ging es anfangs genauso, als ich hierherkam. Manchmal ist es heute noch so, hm? Sie... vertrauen mir nicht, sie halten mich für einen Verräter und ganz gleich was ich tue, wie sehr ich mich auch bemühe, ich werde das wohl nie ganz auslöschen können."

Jonah bewegte sich leicht. Seine Hände sanken hinab und er legte mit einem undefinierbaren Laut den Kopf auf meine Schulter.

„Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst", nuschelte er, was mich nun doch überraschte. Ich strich vorsichtig durch seine Haare und haderte einen Moment. Aber war es jetzt nicht ohnehin schon egal?

„Ich war ein Wächter, hat dir das noch keiner erzählt?"

Wie immer, wenn ich von meiner Vergangenheit sprach, klang meine Stimme merkwürdig fremd, stumpf und blechern. Ich war nicht stolz auf das, was ich getan hatte, aber ich konnte es auch nicht ungeschehen machen, indem ich es verleugnete.

Jonah schüttelte nur vage den Kopf. Ich hatte keine Ahnung, was er jetzt dachte, aber immerhin regte er sich nicht, also strich ich weiterhin durch seinen Haarschopf.

Erst nach einer ganzen Weile flüsterte er kaum hörbar „danke", hob dann den Kopf und sah mich an. In seinen Augen war immer noch diese Traurigkeit, aber er lächelte schwach.

„Mir ist gleich, was sie über dich sagen", meinte Jonah. „Ich glaube du bist der einzige Mensch hier, der mich überhaupt leiden kann."

„Nicht der einzige, hm?", gab ich zurück und stand mit einem leisen Lachen auf, als Jonah mich verwirrt ansah. Also ja, er war süß, keine Frage, aber offenbar auch fürchterlich unbedarft. „Ich glaube da gibt es noch jemanden, dem an dir liegt."

Auf mein Zwinkern wurde er tatsächlich ein wenig rot. Ohne Frage, er war süß.

ೃ⁀➷

Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro