Geburtstagsauszeit
57-Geburtstagsauszeit
Zeit: Frühling 80 / Ort: Capitol Distrikt
Der Frühling tat sich schwer, sich durchzusetzen, aber er versuchte es mit aller Kraft und so wie die Sonne tagtäglich den Kampf mit der Kälte aufnahm, ihre wärmenden Strahlen über meine nackte Haut schickte, so konnte ich regelrecht spüren, wie meine Stimmung sich aufhellte. Und nicht nur mir ging es so, es war auch den anderen anzumerken. Die Kinder waren aufgedreht und übermütig, zum Teil kaum zu bändigen und die meisten von uns verbrachten so viel Zeit außerhalb des Hofes, wie nur möglich. Es war egal, dass es immer noch kalt war, aber wir waren endlich nicht mehr eingesperrt.
Ich selbst zog wieder regelmäßig meine Touren mit Sannie durch den Wald und manchmal, wenn die Zeit es zuließ, stahlen Seho und ich uns davon. Frühjahr bedeutete aber auch, dass jede Menge Arbeit anstand und so kam es öfter vor, dass ich längst erschöpft eingeschlafen war, bevor er überhaupt zu mir unter die Decke gekrochen kam.
Aber auch wenn das Tauwetter unsere Lebensgeister weckte, ein paar Sachen blieben nach wie vor grau und düster. Immer noch fühlte sich Sandrins Fehlen an, als hätte jemand ein tiefes Loch in unsere Mitte gerissen, auch wenn kaum jemals sein Name fiel und alle Gespräche vermieden wurden, die sich mit seinem Verschwinden beschäftigten. Mina war seit dem Verschwinden von Jax und Bonnie nicht wiederzuerkennen. Aus dem fröhlichen, irgendwie aufgedrehten Teenie-Mädchen war eine stille junge Frau geworden, die sich mehr und mehr abkapselte und mit niemandem reden wollte. Sie weinte viel, das konnte man ihr oft genug ansehen, aber sie sprach nicht mit uns. Meine erste Vermutung, damals noch mit einem Schmunzeln gedacht, dass sie sich womöglich wieder verliebt hatte, reichte dafür nicht aus und ich fragte mich oft beklommen, was wohl geschehen war. So ziemlich jeder in der Gruppe machte sich Sorgen um Mina, doch sie ließ niemanden an sich heran. Selbst Eliza und Seho wurden abgewehrt.
Mit Eliza sprach ich irgendwann über den Vorfall zwischen Ezra und Jax und erntete dafür ein schwaches Lächeln von ihr.
„Weißt du, er war nicht nur schlecht", sagte sie leise und sah mich dabei an.
„Du meinst-?"
Eliza zuckte die Schultern und sah weg. „Wir haben uns ein paar Mal unterhalten, Jax und ich, er... ist ein bisschen wie ich", schloss sie leise, aber ich verstand nicht wirklich, was sie meinte. Ihre Haltung machte allerdings auch klar, dass sie das nicht weiter ausführen würde, also hakte ich nicht nach.
Ende März, Anfang April überraschte mich Seho mit der schlichten Frage, ob ich in die Stadt wolle.
„In die Stadt?"
Er grinste. „Madox besuchen. Wir könnten ein paar Tage bleiben und-"
Die Idee war verlockend, dennoch. „Ich dachte, es ist zu gefährlich in der Stadt?"
Seho grinste schief, kräuselte die Nase und sah weg. „Wir müssen das Haus ja nicht verlassen", meinte er wie nebenbei, was trotzdem einen so schmutzigen Anstrich hatte, dass ich ein wenig verlegen wurde. Ein paar Tage bei Madox und Kia? Duschen, in einem Bett schlafen – oder auch nicht schlafen... Die Versuchung war groß.
„Einfach so?" Grinsend leckte ich mir die Lippen und hoffte, man würde mir nicht allzu deutlich ansehen, welche Bilder gerade in meinem Kopf herumspukten.
„Ah, du hast mich ertappt", murrte Seho und verzog das Gesicht. „Okay, nicht einfach so. Es gibt eine andere Gruppe, die Kontakt sucht. Manchmal stellt Madox sowas her, wenn es vertrauenswürdige Leute sind – und wir können Verbündete brauchen. Er sagte, ihr Kurier ist demnächst in der Stadt, ich soll ihn mir ansehen, wenn ich will."
Er machte so ein zerknirschtes Gesicht, bei seiner Erklärung, dass ich schon wieder versöhnt war. „Also eine Geschäftsreise", feixte ich und nickte schließlich. „Einverstanden."
Eine Woche später saß ich also zum zweiten Mal auf einem von Madox' schreiend bunten Sofas und genau wie beim ersten Mal war der Kontrast so überwältigend, dass ich ihn nur schwer fassen konnte. Kia hatte erneut so viel Essen aufgefahren, dass es locker für die nächsten Tage gereicht hätte und für die nächsten Stunden griff die Illusion einer heilen und perfekten Welt. Keine Politik zum Essen, das besorgten Madox und Seho, wenn sie allein waren, während ich mit Kia durch den Garten stromerte und die neusten Gerüchte, Tratsch und Klatsch erfuhr.
„Ich habe gehört", sagte sie gerade leise, „das Duo infernale ist wieder auf den Straßen?"
Sie hatte es gehört? Überrascht sah ich sie an. „Woher weiß du das?"
Kia zuckte die Schultern. „Schlechte Nachrichten verbreiten sich hier mit der Geschwindigkeit eines Sturms." Sie seufzte und blickte über meine Schulter hinweg in den blauen Himmel. „Ich habe Madox und seinen Bruder belauscht." Ihr Finger glitt verschwörerisch zu ihren Lippen und sie lächelte schwach, während ihr Blick kurz den meinen kreuzte. Dann war es schon wieder vorbei. „Vielleicht beruhigt es dich, zu hören, dass sie unterwegs in den Süden sind?"
Es beruhigte mich nur bedingt, vor allem weil Kia gleich fortfuhr. „Die Sache mit Seho hat unvorstellbare Wellen geschlagen im Untergrund und der Arm der New Camorra ist lang geworden. Jetzt haben sie ein anderes Ziel, auf das sie ihre Aufmerksamkeit richten können."
Nur langsam tickerten die Rädchen in meinen Kopf ineinander. „Du meinst... es wurde ein absichtliches Gerücht gestreut? Es ist nicht wahr?"
Kia sah mich an. „Es ist wahr und es ist ein Gerücht, man hat nur dafür gesorgt, dass es sich ausreichend schnell verbreitet."
„Und du hattest deine Hände im Spiel", vermutete ich. Seho hatte mir erzählt, was es mit Kia auf sich hatte und dass sie in weit mehr Sachen involviert war, als Madox wusste – zu ihrem, aber auch zu seinem Schutz. Jetzt bewegte sie die Finger leicht und lachte leise.
Diese Frau lebte eindeutig gerne gefährlich.
Bis Seho und Madox zurückkamen, war längst die Dämmerung hereingebrochen und bei einem ausgedehnten Abendessen erfuhr ich also zum ersten Mal etwas über die neue Gruppierung, mit der Madox Kontakt aufgenommen hatte.
So wie es sich darstellte waren darunter viele Militärs und damit weitere Verbindungen in höhere Kreise möglich, was natürlich jede Menge Vorteile mit sich brachte. Das hieß aber auch, erklärte Seho, dass wir sie dringender brauchten als umgekehrt.
Unser neuer Verbindungsmann hieß Aleksej und sollte uns in den nächsten Wochen im Sägewerk besuchen, um die anderen kennenzulernen.
Als ich später, nach dem Essen, leise maulend über das Bett rollte und Sehos Aufmerksamkeit auf mich lenken wollte, weil dieser immer noch irgendwelche Nachrichtenprotokolle studierte, die Madox ihm gegeben hatte, hatte mich der Gedanke an einen neuen Eindringling immer noch nicht losgelassen. Ich zog Parallelen zu mir selbst, begriff zum ersten Mal, was mein plötzliches Auftauchen in der Gruppe tatsächlich ausgelöst hatte.
„Wenn sie uns nicht brauchen, wenn wir nichts anbieten können, was tun wir dann?"
„Mhm", machte Seho nur, raschelte weiter mit Papier und ich setzte mich grummelnd auf.
„Mhm? Hörst du mir überhaupt zu?"
Jetzt sah er mich an und grinste schief. „Ich werde ihm ein Angebot machen, das er nicht abschlagen kann."
Zwei Sekunden war ich ernst, dann begann ich zu prusten, schließlich zu lachen. „Herrgott, du klingst wie der Pate."
„Ich bin der Pate", erklärte Seho recht selbstzufrieden, grinste aber dabei. Und bevor ich weiter fragen konnte, legte er die losen Zettel zur Seite packte mich stattdessen um die Mitte, riss mich einfach um und drückte mich auf die Matratze.
„Muss ich dir auch eins machen, damit du endlich zu quatschen aufhörst?"
„Du hattest doch eben noch weit mehr Interesse an Papier als an mir."
Schon wieder traf mich dieses leichte und zugleich anzügliche Grinsen. „Jetzt nicht mehr."
„Ach", gerade ging es wieder mit mir durch und ich nagte neckisch an meiner Unterlippe, während er sich über mich beugte und mit gespielter Strenge betrachtete. „Und von welchem Angebot sprechen wir genau?"
„Na ja, ich könnte zum Beispiel..." Grinsend beugte sich Seho jetzt ganz zu mir und flüsterte mir ins Ohr. Sein warmer Atem verursachte mir eine Gänsehaut, die Worte setzten ein nervöses Kribbeln in meinem Körper frei.
„Ja?" Ich sah ihn an und schlang die Arme um seinen Nacken.
„Oh ja..." Das freche Grinsen nahm zu, eine Zungenspitze blitzte auf und ich spürte, wie ich rot wurde.
„Okay."
„Ist das ein Ja?"
„Ja."
Später, viel später, als wir endlich zusammen in die Dusche taumelten, war nichts mehr in meinem Kopf am selben Fleck. Alle seltsamen Gedanken waren wie ausradiert, kein Grübeln, mein Körper war erschöpft, ausgelaugt und bis in die letzte Zelle so unfassbar befriedigt, dass ich glaubte, zerplatzen zu müssen in all dem Glück, das mich gerade überschwemmte. Endorphine gut und schön, aber das, was gerade mit mir passierte, war definitiv eine Überdosis und ich wollte mich darin am liebsten auflösen. Stattdessen küssten wir uns, sehr sanft, sehr ruhig und als sich Sehos Mund von meinem löste, sank ich mit dem Kopf an die Fliesen und blinzelte ihn schwach grinsend an.
„Weißt du", nuschelte ich, ohne darüber nachzudenken. „Ich glaube, es gibt da echt ein paar sehr angenehme Vorzüge, wenn man einen Arzt datet."
„Mmh", machte er. „Du datest einen Arzt? Interessant..."
Grinsend schlug ich nach ihm. „Sag das nicht so. Und du weißt was ich meine."
„Nein, ich habe keinen blassen Schimmer. Klär mich auf."
Ich musste lachen. Oh, er wusste es, ich konnte es ihm ansehen, dass er es wusste und deswegen schüttelte ich jetzt auch nur den Kopf, stellte dann das Wasser ab und fasste grinsend nach seiner Hand. Unsere Blicke trafen sich.
„Hast du Hunger?", fragte ich leise.
„Ein bisschen." Seine Augen glitzerten belustigt und mir war klar, dass sich seine Antwort nicht unbedingt auf Essen bezog. Mit einem weiteren leisen Lachen wollte ich ihn wegstoßen, stattdessen wurde ich umarmt und erneut geküsst.
„Und du?", raunte er gegen meine Lippen.
Eine Antwort war überflüssig und so tappten wir schwankend, in der Umarmung verschlungen, immer noch nass zurück in das Zimmer und fielen erneut auf das Bett.
„Also...?", flüsterte Seho, sah mich an, berührte behutsam meine Wange und zeichnete die Kontur meines Gesichts nach. „Welche Vorzüge hast du entdeckt?"
Ich lächelte vage, schlang einen Arm um seine Mitte und zog ihn ein Stück näher.
„Also", gab ich ebenso flüsternd zurück, „ich denke, dass deine umfassenden anatomischen Kenntnisse, dir auf jeden Fall einen gewissen Vorteil verschaffen."
Seho lachte leise und kräuselte die Nase. „Ich weiß", sagte er dann auch noch, rollte sich halb über mich und küsste mich rasch, um meinen Protest zu ersticken.
„Magst du es?"
Was für eine Frage.
Am nächsten Morgen erwachte ich allein und das war durchaus ungewöhnlich. Wenn es schon ein anständiges Bett gab, war ich sehr dafür, so lange darin zu bleiben, wie es irgendwie möglich war. Und da uns bei diesem Besuch keine bestimmten Termine drängten, war es nach meiner Meinung ganz sicher nicht nötig, frühmorgens schon aus der gemütlich-weichen Wärme zu flüchten. Da es aber ohne Seho nur halb so angenehm war, wühlte ich mich schließlich doch unter den Decken hervor und schlich die Treppen hinab durch das stille Haus. Unsere Gastgeber schliefen offenbar noch, doch als ich mich der Küche näherte, hörte ich leise Musik. Ich steckte den Kopf durch den Spalt der angelehnten Tür und sah Seho in der Küche herumwuseln, ganz so, als wären wir immer noch zuhause.
Zuhause. Erst danach wurde mir bewusst, wie sehr sich meine Gedanken aber auch Empfindungen diesbezüglich bereits geändert hatten. Wie lange war ich jetzt hier? Beinahe ein Jahr.
Seho hatte mir den Rücken zugewandt und summte leise die Musik mit, die aus verborgenen Lautsprechern perlte.
„Guten Morgen."
Mit einem Ruck fuhr er zusammen und wirbelte herum, ich musste gegen meinen Willen lachen.
„Entschuldige, das wollte ich nicht."
„Mein Gott, hast du mich erschreckt, was machst du schon hier, es ist noch viel zu früh!"
Tatsächlich? „Und was machst du dann hier?", fragte ich schmunzelnd zurück, wartete aber seine Antwort nicht ab, sondern redete einfach weiter und trat dabei in die Küche. „Weißt du, ich werde wach, liege allein in einem kalten Bett, da-"
„Es war sicher nicht kalt."
„Aber ich war allein..."
Schon wieder drehte sich Seho rasch um, nestelte auf der Anrichte herum, eine Schublade wurde aufgezogen und wieder geschlossen.
„... und ich – was machst du da eigentlich?"
„Nichts."
„Nichts", ich kicherte, kam rasch zu ihm und umarmte ihn von hinten. „Dann zeig doch mal dein Nichts."
Aber auf dem Tresen lag lediglich ein Feuerzeug und jetzt drehte sich Seho in meiner lockeren Umarmung und grinste mich schief an. Es wirkte ein wenig aufgesetzt und ich fragte mich ernsthaft, wobei ich ihn gerade gestört hatte.
„Was tust du wirklich? Erlernst neue Fähigkeiten, wirst ein Pyromane? Hat Madox dir gestern ein how to do-Heft gegeben?"
Seho sah mich blinzelnd an. „Wow", sagte er dann, „also es ist eindeutig zu früh für dich, oder für deinen Kopf, hm?"
„Frecher Kerl." Schmunzelnd lehnte ich mich an ihn, mein Mund streifte dabei fast seine Lippen, aber sehr zu meinem Leidwesen wurde ich nicht geküsst.
„Es ist eine Überraschung, oder hätte es werden sollen."
„Oh! Für mich?"
Jetzt wurde ich geküsst und ich konnte spüren, dass er dabei lächelte. Aber nun war ich zu neugierig für diese Spielchen. Ich machte mich wieder von ihm los und schob ihn ein Stück weg, als er mich gleich wieder küssen wollte.
„Und was ist es?"
Seho seufzte leise und schüttelte den Kopf, dann nickte er jedoch an den Tisch und sagte: „Setz dich."
Folgsam drehte ich mich um, schlenderte zum Esstisch hinüber und setzte mich, wobei ich ihn breit angrinste.
„Mach die Augen zu."
„Ernsthaft?" Ich rollte mit den Augen, machte eine Schnute, da Seho sich aber nicht bewegte, folgte ich schließlich auch dieser Aufforderung.
„Wehe du schummelst."
„Ich schummle nicht!"
Aber es dauerte lange genug, dass ich versucht war, doch ein bisschen zu linsen. Es klapperte und klickte hinter mir. Dann strich Sehos Hand über meinen Nacken und er flüsterte neben meinem Ohr. „Augen auf."
Ich blinzelte.
„Alles Gute zum Geburtstag."
Mit offenem Mund starrte ich auf die Torte, auf die unzähligen Kerzen.
„Auspusten und was wünschen."
Auch das tat ich, bevor ich schief lächelnd den Kopf hob.
„Aber... ich habe erst nächste Woche Geburtstag."
Seho grinste breit. „Weiß ich, aber da sind wir nicht mehr hier und ich konnte die Torte schlecht mitnehmen. Aber ich wollte unbedingt eine Torte", haspelte er rasch weiter, wohl weil ich nichts sagte. „Und Kerzen und-"
„Danke", fiel ich ihm flüsternd ins Wort, packte ihn rasch am Nacken und zog ihn zu mir, um ihn zu küssen. „Danke..." Plötzlich hatte ich einen Kloß im Hals und Tränen stiegen mir die Augen. Ich wusste nicht wieso, hatte keinen Schimmer, was genau mich gerade so überwältigte, aber ich brachte kein Wort mehr heraus und als Seho sich rasch einen Stuhl heranzog und sich zu mir setze, kullerten bereits die ersten Tränen über meine Wange. Er wirkte zerknirscht.
„Hey", raunte er dumpf und wischte mit dem Daumen sanft über meine Haut. „Aber... Jonah, du musst nicht weinen. Vielleicht schmeckt der Kuchen ja besser, als er aussieht, hm?"
„Idiot!" Ich musste lachen, weinen, beides zugleich, wollte ihn küssen, bekam aber kaum Luft. Also schniefte ich, küsste ihn trotzdem, heulte noch mehr, lachte noch mehr, während ich gleichzeitig um Atem rang.
„Weißt du", meine Finger gruben sich in seine Haare, „ich liebe dich."
Als es mir selbst bewusst wurde, jagte mein Puls augenblicklich in die Höhe. Ich sah auf, traf Sehos dunklen, aufmerksamen Blick und neigte den Kopf etwas, weil mich die plötzliche Stille zwischen uns befangen machte. Mein Atem ging bebend und als Seho auch noch aufsprang, war ich mehr als nur verwirrt. Mit dieser Reaktion hatte ich dann doch nicht gerechnet.
Gleich darauf wirbelte er allerdings wieder zu mir herum, legte beide Hände um mein Gesicht und küsste mich nachdrücklich. „Entschuldige", hauchte er dabei und: „Warte..." Wieder drehte er sich um, lief zurück zu der Schublade holte irgendwas, was ich nicht sehen konnte.
Am Ende saß er wieder auf dem Stuhl neben mir und sah mich aufmerksam an. Er wirkte nervös, obwohl er leicht lächelte, vielleicht weil es so linkisch wirkte. Das machte auch mich ganz kribbelig.
„Was...?"
„Nicht", er wiegelte rasch ab. „Ich... suche noch nach den richtigen Worten."
Okay, das machte mich jetzt richtig nervös. Ich nagte an meiner Unterlippe und mein Fuß wippte unruhig, noch mehr, als Seho meine Hand zwischen seine nahm.
„Weißt du, ich war mir nicht sicher, ob es richtig ist, ob ich es tun soll. Schon gar nicht, nachdem..." Hier verstummte er wieder, blickte auf unsere Hände und seufzte. Dann lachte er leise auf. „Oh Mann, ich dachte nicht, dass es mir so schwerfallen würde." Er fischte etwas aus seiner Tasche, öffnete die Hand, sah mich an.
Ein silbern funkelnder Ring lag auf seiner Handfläche, schmal, schlicht, mit einem dezenten verschlungenen Muster. Für ein oder zwei Herzschläge starrte ich das Schmuckstück nur mit offenem Mund an, doch als ich vorsichtig die freie Hand danach ausstreckte, schloss Seho rasch seine Hand und wieder trafen sich unsere Blicke. Er lächelte schwach.
„Ich weiß, dass ich dich seinerzeit überrumpelt habe, an diesem Morgen und das tut mir immer noch leid. Ich wollte dich nie unter Druck setzen, Jonah. Es war nur... Es ist so viel passiert und an irgendeinem Punkt war mir klar, dass das alles keine Bedeutung für mich hätte, wenn-"
„Ja", fiel ich ihm atemlos ins Wort und jetzt blinzelte Seho überrascht, bevor er mich verkniffen ansah.
„Ja?"
Ich wiegte den Kopf, spürte wie mir immer heißer wurde und mir allmählich das Blut in die Wangen stieg. Nervös leckte ich mir die trockenen Lippen. „Die Antwort ist: Ja."
Mit großen Augen sah Seho mich an. „Auf welche Frage?"
Mein Gott, ich war so ein Idiot. Gegen meinen Willen musste ich lachen und schüttelte dann den Kopf. „Egal auf welche. Ich... will dich. Ich will bei dir sein, egal wie oder wo. Ich will bei dir sein, okay? Heute, morgen... und wenn das heißt, dass ich diese beschissene Welt auch nehmen muss, dann nehm ich sie. Ich will...", meine Stimme begann zu zittern, meine Hände ebenfalls, noch mehr, als Seho mir still den Ring an den Finger steckte. Und dann musste ich wieder heulen, sprang auf, warf mich schluchzend in seine Arme ungeachtet der Tatsache, dass ich uns beide damit fast umriss.
„Jonah! Der Stuhl!"
Egal.
„Wir fallen noch zusammen in deine Geburtstagstorte!"
Ganz egal. Ich kroch über ihn, setzte mich auf seinen Schoß, küsste ihn, schlang dabei die Arme so fest um seinen Hals, dass ich ihm vermutlich die Luft abschnürte, aber er beschwerte sich nicht. Nur langsam wurde es leichter, der Kuss ruhiger und schließlich schob mich Seho behutsam von sich.
„Willst du jetzt Kuchen?", fragte er schmunzelnd.
Wollte ich. Ich verschlang zwei Stücke, mampfte breit grinsend, ohne ihn aus den Augen zu lassen und als er danach aufstand und das Geschirr wegräumte, folgte ich ihm, schlang wieder die Arme um ihn, weil es mir fast unerträglich war, ihn auch nur einen Moment lang nicht zu berühren. Wir küssten uns, an die Küchenzeile gelehnt und Seho raunte mir zu, wie wunderbar sahnig und schokoladig ich schmecken würde.
Unterbrochen wurde unser verliebtes Geturtel schließlich von Kia, die uns mit einem ironischen „süß", auseinandersprengte und anzüglich grinste, als ich mich ertappt zu ihr umdrehte.
„Was immer ihr vorhabt, ihr machte es nicht in meiner Küche", ließ sie uns außerdem wissen, drehte sich um, ging und ich packte rasch Sehos Hand, um mit ihm zu verschwinden.
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