S I E B E N
Auf dem nackten Boden der Tatsachen wachte ich mitten im Wald, mit Kopfschmerzen, auf. Der Waldboden war mit Blut übersät und da schoss es mir plötzlich wieder. Seine Leiche war verschwunden. Das Blut von ihm jedoch noch da. Ich konnte es wittern. Und ebenfalls mein Blut konnte ich heraus kennen. Ich griff an meine Stirn und den Hinterkopf und stellte fest, dass meine Wunden bereits verheilt waren.
Gestern Nacht habe ich jemanden getötet.
Mit beiden Händen an der Stirn viel ich nieder auf den Boden, krümmte mich zusammen und lag mich in das Blut meines Opfers. Ich konnte dieses Gefühl nicht ertragen schon wieder jemanden auf dem Gewissen zu haben. Was sollte ich nun tun.
Von hinten hörte ich ein zögerliches nach vorne bahnen. Ich saß da nackt, im blutigen Waldboden. Ich drehte den Kopf leicht zur Seite um nachzusehen wer da kam.
"Ach du meine Herren, Yuna!", schrie Greeze lauf auf als er mich da so sah. Er zog seine überdimensionale Holzfällerjacke aus und gab sie mir. Ich warf sie mir über und sah zögerlich in seine Augen, die voller Fragen waren. "Was ist ihr passiert?", fragte er und half mir vom Boden auf. "Ich habe etwas schlimmes getan, Greezly.", meinte ich mit weinerlicher Stimme.
"Komm wir gehen erst mal wohin wo du nicht frierst.", schlug er vor und nahm mich bei der Hand. Gäbe es Greeze im Oakville nicht, dann wäre ich vermutlich auch nicht mehr hier.
"Wie hast du mich gefunden?", wollte ich wissen. "Das Blutgemetzel hat man überall gewittert." Es lag etwas in der Luft. Etwas bedrückendes, entweder war es der bevorstehende Regen, oder die Geschehnisse von gestern Nacht. Wenn es jeder im Oakville schon wittern konnte, was würde passieren wenn sie herausfinden würden, dass da mein Blut auch beigemischt war. Ich wollte es mir nicht ausmalen.
Ich bin und war eine Frau die immer einen Plan hatte welcher Schachzug der nächste sein wird. Doch jetzt gerade, in diesem Moment, habe ich selbst meine eigenen Schachfiguren verloren.
Er half mir auf und musterte mich ganz besorgt. "Du brauchst dich nicht zu schämen. Jeder hier hat Dreck am stecken.", wollte er mich vermutlich aufmuntern. "Ich hab den meisten Dreck stecken, wie's aussieht.", dachte ich laut nach.
"Ich bringe dich mal zu dir nach Hause." Es war so unnormal still und stumm im Wald. Windstill, ausgestorben. Als hätte ich den ganzen Wald ermordet. Während wir gingen und ich meine Hände beobachtete, fühlte ich mich wie seelenverloren. Plötzlich kam keine Emotion mehr zu mir. Nun hatte es mir alles geraubt, selbst meine Emotionen. Diese eine Seite in mir, die nur all zu selten aus einem dunkeln Eck meiner Seele kroch und überhand nahm.
"Weißt du was ich so an dir schätze, Greeze.", fing ich an zu sprechen als wir so gingen in der trüben Morgensonne. Neugierig schaute er mich an als ich Luft holte um zu sprechen: "Du hast mich nie gefragt was ich verbrochen habe." Greezly zuckte mit den Schultern: "Wieso sollte ich?" "Du solltest es auch nicht.", winselte ich.
"Bei deiner Person fragt man sich eigentlich, wie er hier her kommen konnte.", spekulierte ich. "Das solltest du dich nicht fragen, niemand hier ist wirklich unschuldig." Wer ist schon unschuldig. Ich schüttelte den Kopf: "Doch das denke ich schon. Manche wollen vielleicht einfach in das Muster hier rein passen, und geben sich so wie man es von ihnen erwartet.", und schaute dabei besonders Greezly an.
In Gedanken versunken strich er sich mit zwei Finger durch seinen langen Bart. "Da währen wir.", bestätigte ich als wir vor meinem Wohnwagen zum stehen kamen. "Ich gib dir deine Jacke zurück, wenn ich das nächste mal in deinen Krämer komme. Danke fürs Begleiten.", bedankte ich mich.
"Keine Rede wert! Mach dich erst mal sauber. Ich bleibe so lange hier und koche etwas.", meinte er und setzte sich mit einer Zigarre, die er aus seinem Hemd zog, auf einen Stuhl der vor der Eingangstür stand. Akzeptierend ging ich in den Wohnwagen, zog irgendeine Kleidung aus meinem Schrank und verschwand ins Bad. Warmwasser war heute Fehlanzeige. Stattdessen ließ ich das eiskalte Wasser über mich laufen, wie einen Wasserfall. So kalt wie ich es nun war. Das blutrote Wasser das von meinem Körper floss, klebte nun überall. Ein Massaker. An meinen Händen klebte Blut. So viel das es mir so anschien, dass es nie wieder verschwinden würde. Es war vollbracht. Mein persönliches Massaker. Keine Träne, selbst wenn ich es wollte, konnte mein Auge mehr füllen. Gefühllos. Kalt.
Es war einfacher mit dem Duschkopf das Blut verschwinden zu lassen, als das innerliche Bluten schwinden zu lassen. Ich war eine offene Wunde.
Sie war wieder weiß. Meine Dusche. Ich stieg raus und wickelte mich in ein weißes Handtuch ein. Schmierte mit der Hand über den Spiegel um etwas zu sehen, und sah mich und ein weißes Badezimmer im Hintergrund. Rein gewaschen. Unschuldig scheinend, bis auf den Fakt dass Minuten davor noch überall Blut klebte.
Ich warf mir flott etwas über und tappte aus dem Badezimmer. Es war so ungewohnt ruhig, bis auf das kochende Wasser an der Gasplatte. Ich stellte es weg und sah mich um. Wo ist er? Wahrscheinlich draußen vorm Wohnwagen. Hoffnungserfüllt riss ich die Türe auf und blickte auf einen leeren Stuhl. Er würde niemals einfach so verschwinden. Ich rannte zweimal mit den nassen Haaren um den Wohnwagen. Seine Holzfällerjacke nahm er auch nicht mit. Wie vom Erdboden verschluckt.
"Greeze!"
"Greeeeeeeeezee!!"
"Greezly?"
Das einzige das mir antwortete war ein zwitschernder Vogel am Baum. Ich vernahm viele Gerüche. Einmal witterte ich Greeze und zwei bis drei andere Werwölfe. Doch die Spur war schwach, sie mussten sie getarnt haben. Ich konnte keine Himmelsrichtung koordinieren, die Fährte war viel zu verstreut.
"Greezly!!!", versuchte ich es ein letztes mal.
Ich konnte ihn nicht auch noch gehen lassen. Er konnte nicht weit entfernt sein. Irgendetwas schlimmes musste vorgefallen sein. Doch wo sollte ich zu suchen beginnen?
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