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„Kommst du auch mit rein?", fragt Chan mich und deutet auffordernd hinter sich zu dem kleinen Badeteich. Es ist schon Sonntagnachmittag und unsere Zelte liegen bereits sorgfältig verpackt im Auto. Doch da das Wetter so schön ist, wollte Chan gerne schwimmen gehen, weshalb wir noch hier auf dem Campingplatz sind.
Den Samstag haben wir mit einer Wanderung durch den riesigen Wald verbracht, der sich um uns herum erstreckt. Während Chan vorran gegangen ist und durchgehend Skizzen von Pflanzen, Tieren oder anderen Dingen angefertigt hat, sind Hyunjin, Jeongin und ich hinter ihm hergelaufen und haben die Natur bewundert.
Der weiche Waldboden hat währenddessen unsere Schritte gedämpft, sodass wir sogar ein paar größere Tiere sehen konnten. Jeongin hat einen Fuchs entdeckt, der im Gebüsch an uns vorbeigeschlichen ist und wir haben ein paar neugierige Streifenhörnchen gesehen, die uns auf dem Weg begleitet haben.
Als wir abends müde in die Zelte gekommen sind - wobei ich wieder bei Hyunjin geschlafen habe - waren wir nicht ein einziges Mal baden gewesen. Da Chan besonders gerne schwimmen geht, wundert es mich deswegen nicht, dass er uns heute noch alle dazu überredet hat, ein wenig länger hier zu bleiben.
„Nein, danke", lehne ich Chans Frage ab und lasse mich wieder zurück ins weiche Gras sinken. Neben mir liegt Hyunjin, der ebenfalls keine Lust hatte, schwimmen zu gehen und ich genieße seine stille Anwesenheit. Gestern war er ungewöhnlich aktiv gewesen und hatte sich fast wie ein kleines Kind über die Schönheit des Waldes und dessen Bewohner gefreut. Heute ist er dagegen ruhiger, fast schon zu ruhig, aber da ich gerade auch meine Ruhe haben möchte, macht mir das nichts aus.
Ein Schatten fällt über mich, gefolgt von eiskalten Wassertropfen. „Jeongin!", beschwere ich mich und schütze mein Gesicht mit einer Hand, damit ich kein Wasser in die Augen bekomme. „Chan möchte losfahren, damit wir heute noch zuhause ankommen", informiert er uns und ich nicke gähnend.
Die warmen Sonnenstrahlen haben mich schläfrig gemacht und während die anderen unsere restlichen Sachen zusammensuchen, liege ich weiterhin faul herum. „Kommst du?", fragt Chan und murrend erhebe ich mich von dem weichen Untergrund.
Die Rückfahrt verläuft ungewöhnlich still. Während Chan aufmerksam den Straßenverkehr beachtet, um uns sicher nach Hause zu bringen, schläft Jeongin neben ihm ans Fenster gelehnt. Immer, wenn wir über eine Unebenheit fahren und Jeongins Kopf gegen die Scheibe stößt, kneife ich an seiner Stelle schmerzerfüllt die Augen zusammen.
Ich selbst beobachte eine Weile die vereinzelten Häuser, von denen immer mehr vor dem Fenster vorbeiziehen. Das Wochenende war so schön und der Gedanke, morgen wieder in der Uni zu sitzen, senkt meine Laune erheblich. Auch wenn ich es liebe zu studieren und weiß, dass ich nichts anderes machen wollen würde, war dieser kurze Trip eine willkommene Abwechslung.
In Gedanken versunken wandert mein Blick zu Hyunjin, der starr geradeaus schaut. Seine Haltung wirkt auf mich irgendwie verkrampft und unwohl. Stirnrunzelnd beobachte ich ihn und erschrecke mich ein wenig, als er sich plötzlich zu mir dreht.
„Ist alles in Ordnung, Felix?", fragt er mit seinem üblichen Lächeln und ich brauche einen kurzen Augenblick, um mich wieder zu fangen. „Ja, klar. Ich bin nur traurig, dass das Wochenende schon vorbei ist", antworte ich ehrlich und Hyunjin lacht leise. „Glaub mir, ich hätte auch nichts gegen ein oder zwei weitere freie Tage einzuwenden", erwidert er und ich nicke zustimmend.
Schon ist die Stille vergangen und Hyunjin und ich unterhalten uns in gemäßigter Lautstärke miteinander, um Jeongin nicht zu wecken.
„-das ist kein Scherz." Fest drücke ich eine Hand auf meinen Mund, um mein lautes Lachen zu ersticken. Hyunjin hat mir von einem Student aus seinem Kurs erzählt, der denkt, er wäre der nächste Picasso, während seine Werke allerdings recht bescheiden ausfallen.
Vor unterdrücktem Lachen schmerzen meine Bauchmuskeln und erschöpft lehne ich mich an Hyunjins Schulter an. „Das ist ja echt verrückt", gebe ich meine Meinung zu seiner Geschichte ab, nachdem ich mich beruhigt habe. „Mmh", murmelt Hyunjin nur und da es sich so anfühlt, als würde er sich unter mir versteifen, überlege ich kurz, meinen Kopf wieder zu heben.
Doch im letzten Moment spüre ich eine warme Hand an meinem Nacken und kuschele mich zufrieden noch näher an ihn. Hyunjins Hand streichelt ganz leicht meinen Haaransatz und wandert dann verspielt durch meine halblangen Strähnen. Lächelnd schließe ich meine Augen und entspanne mich komplett unter seiner sanften Massage.
Im Halbschlaf schlinge ich meine Arme um ihn, weil ich mich so geborgen bei ihm fühle. „Schlaf ruhig, Lix", flüstert er und fast wie auf Knopfdruck dämmere ich ein.
Einige Stunden später wache ich in meinem Zimmer wieder auf. Müde reibe ich mir über die Augen und schlurfe dann in die Küche, um mir ein Glas Wasser zu holen. Die große Uhr zeigt drei Uhr nachts an und ich freue mich, dass ich gleich noch eine Runde schlafen kann.
Da ich kein Licht angemacht habe, taste ich mich zum Wasserhahn vor und fülle dann mein Glas. Mit großen Schlucken trinke ich das kühle Wasser und seufze leise auf, als das unangenehm trockene Gefühl in meinem Hals verschwindet. Als ich auf dem Weg zurück in mein Zimmer die Wohnzimmertür passiere, stutze ich. Vorhin habe ich gar nicht gemerkt, dass Licht durch den Spalt unter dem Türrahmen durchscheint. Ist Chan etwa noch wach?
Kurz überlege ich, hineinzugehen und nachzuschauen, als ich plötzlich leise murmelnde Stimmen wahrnehme. Verwirrt trete ich näher an die Tür heran und schaue durch das Schlüsselloch. Ich kann Chan erkennen, der mit dem Gesicht zu mir auf dem Sofa sitzt und eine Person umarmt.
Diese hat mir den Rücken zugekehrt und trotzdem kommt sie mir bekannt vor, doch mein verschlafenes Gehirn ist noch nicht im Denkmodus. Chan streichelt unablässig über den Rücken der Person und murmelt unverständliche Worte. Ich will schon zurückgehen, da mich das Ganze nicht zu interessieren hat und ich außerdem kein Wort verstehe, als Chan auf einmal lauter spricht.
„Hat Minjun dir die Streifenhörnchen gezeigt?", fragt er sanft und ich kneife die Augen zusammen, um meine Sicht zu verbessern. Die Person dreht sich ein wenig zur Seite, sodass ich erkennen kann, dass sie die Knie angezogen hat. Der Statur nach zu urteilen, würde ich sagen, dass es sich um einen Mann handelt. Doch die ganze Situation vor mir ist für mich unverständlich und erschließt sich mir auch aus Chans Worten nicht.
„Sind das die kleinen braunen Tiere, Channie?", erwidert die Person mit einer kindlichen Stimme, was mich nur noch mehr verwirrt. „Genau die, Haru. Das nächste Mal nehme ich dich mit in einen großen Park, wo es ganz viele Tiere gibt, einverstanden?"
Chan lächelt und wuschelt der Person durch die braunen Haare. Haru nickt und Chan macht Anstalten aufzustehen, weshalb ich mich schnell in mein Zimmer zurückziehe. Ich kuschele mich unter meine Decke und höre, wie die Tür zum Wohnzimmer aufgeht. Schritte erklingen und ich höre Chan noch sagen: „Pass gut auf dich auf, Haru. Wir sehen uns bald."
Dann wird die Haustür geöffnet, wenige Sekunden später wieder geschlossen und ich höre, wie Chan in sein Zimmer geht. Hellwach liege ich auf dem Rücken und denke an die letzten Minuten. Wer ist dieser Haru? Warum kommt er mitten in der Nacht zu uns?
Es fällt mir schwer, irgendeine Erklärung für alles an diesem Moment zu finden. Noch nie habe ich gesehen, dass Chan sich so liebevoll um jemanden kümmert und erlaubt, dass jemand ihn „Channie" nennt. Ist dieser Typ etwa sein Freund? Nein, so sah das nicht aus. Eher als würde sich Chan um ein Kind kümmern, dabei ist dieser Haru ja definitiv erwachsen. Obwohl seine Stimme schon irgendwie kindlich klang.
So wird das heute nichts mehr mit dem Schlaf, Felix, schimpfe ich gedanklich mit mir selbst und drehe mich dann seufzend auf die Seite. Die Erforschung dieses Ereignisses muss ich definitiv auf morgen verschieben, sonst komme ich halbtot in der Uni an.
Entschlossen schiebe ich alle störenden Gedanken in die hinterste Ecke meines Gehirns und schließe dann fest die Augen. Trotzdem dauert es noch lange, bis ich endlich einschlafe.
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So langsam fängt die Story richtig an...
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