Der zweite Daimon
~ If I loved you less, I might be able to talk about it more. ~
Wieder eine Party, toll. Ich hätte mich freuen, sogar dankbar sein sollen. Endlich waren alle meine Freunde wieder in Alfea versammelt. Wir waren alle von Isis zurückgekehrt, hatten überlebt.
Wir hatten es geschafft, Mission erfüllt. Laurins Pläne waren aufgedeckt. Die Invasion auf Eraklyon hatte gestoppt werden können. Alle verstandeskontrollierenden Edelsteine waren auf Skys Heimatplaneten konfisziert worden.
Mich hatte, als ich mich für die Party fertiggemacht hatte, sogar ein Brief von Diaspro, Laurins Schwester, erreicht. Sie war zu Boden erschüttert. Sie schämte sich. Weder sie noch ihre Eltern hätten von Laurins Machenschaften gewusst. Sie entschuldigte sich persönlich bei mir für alles. Für ihren Bruder. Einen Bruder, dem es nicht in den Sinn, sich bei mir zu entschuldigen. Für seine Obsession über mich, sein Vorhaben, mich als Werkzeug zu missbrauchen.
Mir wurde übel. Ich hatte nicht die geringste Lust, jemanden zu sehen, mich zu erklären, von Isis zu berichten. Nachdem Riven verbotenerweise die Winx-Feen und ein paar Spezialisten nach Isis gebracht hatte, um mich aus dem Berg zu retten, war es nicht mehr möglich, die Mission zu verheimlichen.
Jede Person in Alfea und im Roten Turm wussten von Riven und mir. Ich korrigierte mich: von unserer Mission. Zwischen mir und Riven war nichts.
Eine ruckartige Bewegung vertrieb meine Gedanken. Ich japste hoch.
Blooms Augen flammten alarmiert, die im Türrahmen aufgetaucht war.
"Was ist los?!", fragte sie nach.
"Nichts.", murmelte ich und legte mir eine Hand auf die Stirn.
Fehlalarm. Seit wann war ich so schreckhaft?
"Posttraumatisches Belastungssyndrom.", sprach ich laut aus und beantwortete meine Frage.
"Selbstgespräche.", erwiderte Bloom knapp.
"Verrückt.", schoss ich zurück.
"Ausgelaugt.", lachte Bloom.
"Verängstigt.", blieb ich standhaft.
"Verliebt.", zwinkerte die rothaarige Fee.
Mir blieb der Mund offen. Nichts anmerken lassen, Musa. Ich presste schnell die Lippen aufeinander.
"Verzweifelt.", antwortete ich eingeschnappt.
"Unentschieden.", verschränkte Bloom die Arme und ergänzte: "Handlungsunfähig. Selbstbemitleidend. Traurig."
Ich ließ mich zurück auf mein Bett fallen und gab auf. Nicht die Mission in Isis war das Problem gewesen. Ich war das Problem, ich! Das Chaos war dort nicht auf mich übergesprungen. Ich hatte es schon mitgebracht, es erweckt.
"Na, wer ist die Mentalfee hier?", boxte Bloom spielerisch gegen meine Schulter, als sie sich zu mir aufs Bett setzte.
"Du.", gab ich mich geschlagen. "Du bist das Multitalent hier. Jetzt machst du mir schon Konkurrenz."
"Ich kenne dich zu gut.", flötete sie.
"Du bist ja ein Sonnenschein heute.", verdrehte ich die Augen, aber musste lachen und ließ es zu, mich von ihr anstecken zu lassen. Ich könnte ein wenig Sonne brauchen in meinem Leben.
"Willst du darüber reden?", hakte Bloom nach.
Ich sah sie an und sie musste es in meinem Blick sehen, dass ich nicht reden wollte.
Bloom seufzte: "Weißt du, es ist nicht leicht aus seinem Kopf zu kommen. Es ist sehr verlockend, sich zu verbarrikadieren und besser nichts zu fühlen als irgendetwas zu fühlen. Irgendetwas ist holprig, furchteinflößend und kann enttäuschen."
Ich schloss die Augen. Für den Moment war ich in Schwärze gehüllt. Es war so friedlich in meinem Kopf. Und einsam.
"Bloom, ich fühle nicht nichts. Ich fühle alles, wie du auch weißt. Gerade deswegen halte ich mich zurück, bleibe ich für mich. Es ist viel zu verarbeiten."
"Und wird es alleine besser?"
"Was wird besser?"
"Dinge zu verarbeiten. Geht das überhaupt alleine?"
Ich biss mir auf die Unterlippe und gab kleinlaut zu: "Nein, es macht es schlimmer."
"Warum tust du dann nichts?", Irritation schwang in Blooms Stimme mit. Sie war ganz anders. Sie war eine Feuerfee. Bloom machte alles einfach. Sie überlegte nicht, sondern schoss drauf los. Wenigstens musste sie sich nicht mit Möglichkeiten und Schwarzmalerei herumschlagen. Es war nicht real. Meine Vorstellungen waren nicht real. Trotzdem fühlte es sich alles so echt an. Ich hatte Angst, dass es sich bewahrheitete und meine Befürchtungen recht hatten.
Ich hätte keine Chance mit Riven.
Hoffnung war das schärfste Messer, das ich besaß, und nicht loslassen konnte.
Meine Dämme brachen.
"Es ist die Ungewissheit, Bloom.", erklärte ich. "Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich fühle mich so machtlos. Es gibt kein Geländer, an das ich mich halten kann."
"Vielleicht ist Fühlen ein Denken ohne Geländer?", überlegte Bloom.
"Ja, vielleicht ist das so.", stimmte ich ihr zu.
"Also eigentlich wollte ich nur wissen, ob du heute noch zur Party kommst. Riven hat dich ja als sein Date eingeladen, oder?"
Ich nickte und sprach mehr zu mir als zu Bloom, während ich an Riven dachte: "Jeder hat einen inneren Dämon, aber das bedeutet nicht, dass wir uns von uns selbst alles gefallen lassen müssen."
Sein Date.
War ich das etwa? Mein Verstand fing erneut zu arbeiten an. Ich war nicht sein Date, oder? So meinte er das nicht. Nur was meinte er dann? Gingen wir als Freunde zur Party? Oder war ich schlichtweg ein Mitbringsel? Ein Ersatz für Beatrix?
Da klopfte es erneut an den Türrahmen.
"Meine Damen.", grinste Riven spitzbübisch.
"Wenn man vom Teufel spricht...", ich nahm ein Kissen und legte es mir auf den Kopf. Ich könnte schreien. Wehe, wenn er gelauscht hatte!
"Hi, Riv. Wer hat dich denn reingelassen?", begrüßte ihn Bloom und musterte mich skeptisch.
Während Riven zu einer Antwort ansetzte, murmelte sie mir zu: "Sag mir nicht, dass da hier jemand einen Nervenzusammenbruch hat?"
"NÖÖÖÖÖ.", erklärte ich durch das Kissen. Ich wollte mich in Luft auflösen oder nicht zur Party. Ich wollte mich mit meinen Kopfhörern in meinem Zimmer verkriechen. Für immer und ewig. Dafür musste ich jedenfalls erst einmal aufstehen, sie suchen und mit Riven reden.
"Ich habe mich selbst reingelassen. Ihr solltet euch ein besseres Schloss zulegen.", zuckte Riven mit den Schultern.
Ich riss mir entsetzt das Kissen vom Kopf: "Du hast die WG-Türe aufgebrochen??"
"Niemand hat aufgemacht und wir sind verabredet, Musa, schon vergessen?"
"Mein Zimmer schirmt Geräusche, damit ich einmal meine Ruhe habe.", erwiderte ich. "Kein Grund, gewalttätig zu werden. Du hättest mir auch schreiben können, du hast ja meine Nummer."
"Da scheint jemand anderes noch ein paar Kurzschlussreaktionen zu haben.", kicherte Bloom. "Ich lasse euch allein, wir sehen uns unten!"
Riven setzte sich zu mir aufs Bett und betrachtete mich. Ein Schmunzeln ergriff seine Lippen, doch gleichzeitig spiegelte sich Argwohn in seinen grünen Augen.
Ich trug zwar immer noch die Kette Laurins, die meine empathischen Fähigkeiten abstellte, aber mittlerweile war ich wohl zur Gefühlslippenleserin geworden.
"Was ist los?", raunte Riven. Er hatte seine Selbstgefälligkeit in dem Moment abgelegt, als Bloom das Zimmer verlassen hatte. Die Frage hörte sich so, so aufrichtig an. Ich wusste nicht, wieso ich mich immer fragte, ob sein Interesse ernst war.
Warum misstraute ich ihm so sehr?
Da mir nichts Besseres einfiel, wiederholte ich meine Antwort, die ich auch schon Bloom vorhin gegeben hatte: "Posttraumatisches Belastungssyndrom."
"Ja, same.", lachte er. "Was genau belastet dich?"
"Wir könnten fast Seelenverwandte sein.", rutschte es mir über die Lippen. Ich lachte, als ob ich einen schlechten Witz gemacht hätte.
Riven schwieg und schaute mich nur an. Ich sprang auf.
"Musa, ich mache dich doch nicht nervös?", Riven lehnte sich auf meinem Bett zurück, während ich planlos vor ihm stand.
Ich schenkte ihm ein schiefes Lächeln, aber verneinte nicht: "Den Gefallen würde ich dir nicht machen."
Riven ließ mich nicht aus den Augen: "Was belastet dich?"
"Eine Party.", scherzte ich weiter. Doch wieder war es eigentlich kein Scherz.
"Eine Party?", hakte Riven ungläubig nach.
"Ja.", meine Arme verschränkten sich wie von selbst. "Die letzte Party."
Riven sah zur Seite. Er überlegte und murmelte vor sich hin: "Die letzte Party. Auf Isis..."
Es schien anscheinend nicht zu stören, dass ich in Rätsel sprach. Er schien meinen Gedanken unbeschwert folgen zu können. Er wusste, was ich da preisgab. Riven war dabei gewesen.
Plötzlich verzerrte sich Rivens Gesichtsausdruck zu einer schmerzlichen Maske.
"Willst du nicht auf die Party mit mir, weil du Angst hast, du könntest mich wieder küssen? Du willst mich nicht wieder küssen. Du willst mich nicht.", seine Stimme erinnerte mich an Glas, das ich gerade auf den Boden geschleudert hätte können.
Er zweifelte genauso wie ich. Nur zu hoffen und ebenso das Schlimmste anzunehmen, vertrug sich nicht. Es fraß einen auf.
Ich starrte Riven an. Die Worte hallten in meinem Inneren nach. Ich sank vor ihm auf die Knie.
Wie atmete man hier? Wie atmete man als ein Wesen, das liebte? Die Liebe war wie ein Feuer, das zu viel Sauerstoff beanspruchte. Mein Herz zog sich zusammen.
"Nein.", wusste ich im ersten Augenblick nicht mehr zu sagen. Ich musste aufhören zu denken. Ich verstand nicht, wieso mir das Sprechen so schwerfiel.
"Riven, ich -", ich versuchte einen klaren Kopf zu bekommen, mein Herz zu beruhigen. "Ich habe Angst, weil ich dich so sehr küssen will."
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