14 | Tony | touch too much
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Ungläubig starrt er auf das Handy in seiner Hand. Sie hat aufgelegt. Aufgelegt. Erst verschwindet sie einfach so, und dann sagt sie ihm nicht einmal, wohin? Dabei gab es keinen Grund für sie, das zu tun. Wo sollte sie denn hin? Und selbst wenn sie zu dieser Celly gefahren ist, hätte sie Bescheid gesagt.
Tony wirft die Glasscheibe auf die Werkbank, verfehlt sie allerdings um etwas mehr als einen Meter, doch das ist ihm gerade egal. Was hat sich Judy nur dabei gedacht? Vorgestern erst saßen sie gemeinsam in diesem Labor und haben an ihrer Erfindung gearbeitet, und jetzt? Geortet werden kann ihr Handy auch nicht. Er macht sich Sorgen. Auch wenn sie ihm versichert hat, dass es ihr gut geht. Doch das muss nichts heißen, vielleicht wurde sie entführt und dazu gezwungen, ihm genau das auszurichten?
Nein, Judy würde sich nicht einfach entführen lassen. Nicht sie.
Vielleicht sollte Tony in ihrem Zimmer nach Hinweisen suchen. In ihren Sachen zu wühlen wäre nach den von ihm und Judy gemeinsam aufgestellten Hausregeln zwar ein Vertrauensbruch erster Klasse, aber das kümmert ihn gerade wenig. Kaum ist er auf der Wohnetage angekommen, tritt Judys Privatlehrerin aus dem Fahrstuhl.
»Tut mir leid für die Verspätung, Mr. Stark«, sagt sie außer Atem und streicht sich eine blonde Haarsträhne hinters Ohr. »Ich... es gibt Probleme mit meinem Sohn.«
»Sieht so aus, als wären wir schon zu zweit«, sagt Tony.
»Wie?«
»Judy ist verschwunden. Seit gestern. Wissen Sie, wo sie sein könnte?«
»Was? Es ... nein.« Sie schüttelt den Kopf, streicht sich noch eine Strähne aus dem Gesicht und verstärkt den Griff um ihre Handtasche. »Verschwunden, sagen Sie?«
»Spurlos.«
»Genau wie...«
Tony geht einen Schritt näher an die Frau heran. »Mrs Manson – Rita, stimmt's? – sagen Sie mir, wo meine Tochter ist, wenn sie etwas wissen.«
»Also... ich bin mir sicher, dass es ein Zufall ist, aber... Matthew kam gestern nicht von der Schule nach Hause, bei Freunden ist er nicht und meine Anrufe hat er nicht angenommen, ich – ich–«
Tony starrt die blonde Frau abwartend an. Kann es sein, dass...? Nein, es wäre einfach zu lächerlich. »Sie denken, ihr Sohn hat etwas mit ihrem Verschwinden zu tun?«
»Ich weiß nicht... Aber letzte Woche war Judy bei uns, und–«
»Was?« Judy war bei einem Jungen? Ohne Tony Bescheid zu sagen? Er erinnert sich an den Opernbesuch, wo Judy mit jemandem telefoniert hat. ›Nur ein Freund, Dad.‹ Und jetzt ist sie wahrscheinlich mit genau dem Typen abgehauen!
»Mr. Stark–«
»Nennen Sie mich Tony. Wollen Sie einen Drink, Rita?«
Sie nickt, immer noch erschüttert, lässt sich von Tony in die Küche leiten und sinkt dort auf einem Barhocker nieder. »Er war in letzter Zeit so distanziert«, murmelt sie erdrückt und rollt das Glas Scotch in ihrer Hand.
Tony trinkt seins in einem Zug leer. »Bei aller Liebe, Rita, aber wenn er Judy irgendetwas antut–«
»Nein!« Ihre Augen weiten sich erschrocken. »Das würde er nicht tun. Ich kenne Matthew, aber ich habe wirklich überhaupt keine Ahnung, was die beiden miteinander zu tun haben. Letzte Woche – da haben sie nur miteinander geredet. Jedenfalls schien es so.«
Tony kann gar nicht glauben, dass er die ganze Zeit über den falschen Typen im Auge behalten hat. Der Sohn von Judys Privatlehrerin passt da überhaupt nicht ins Schema. Nein, Brooklyn Nicholson ist einfach zu perfekt und charmant, als dass man ihm vertrauen könnte, daran hat sich nach wie vor nichts geändert. Vielleicht hat er trotzdem etwas mit der ganzen Sache zu tun? Immerhin haben die beiden am Galaabend miteinander gesprochen, und das sehr ausgiebig. Was hat er Judy nur eingeredet?
»Rita, können Sie schwören, dass ihr Sohn kein hochgefährlicher Doppelagent ist?«, fragt er in einem ernsten Tonfall.
»Was? Ja, natürlich kann ich das! Aber ... er ist einfach weg. Und das würde er nicht tun, niemals. Es sieht ihm einfach nicht ähnlich.« Sie starrt auf ihre lackierten Fingernägel.
Tony gießt sich noch ein Glas ein. »Sie können mir helfen. Gehen Sie nach Hause und suchen nach Hinweisen. Fragen Sie Schulfreunde, egal was.«
Rita nickt heftig, steht schwankend auf und hängt sich die Handtasche wieder über die Schulter. Tony bringt sie zum Fahrstuhl. Bevor sich die Türen schließen, greift die blonde Frau nach seinem Arm. »Mr. Stark – Tony ... Versprechen Sie mir, dass sie meinen Jungen sicher wiederbringen. Bitte, versprechen Sie es mir.«
»Ich werde alles daran setzen, meine Tochter wiederzufinden. Und ihren Sohn, wenn er bei ihr ist.« Tony dreht sich um und läuft auf direktem Weg in Judys Zimmer. Es ist unordentlich wie immer, und in Tonys Kopf spielt sich ein grausames Déja-vu ab. Genauso sah es in ihrem Zimmer in der Malibu-Villa aus, als sie vor drei Jahren abgehauen ist. Weil Tony ihr nicht die Aufmerksamkeit als Vater geschenkt hat, die sie verdiente. Aber dafür gab es diesmal überhaupt keinen Grund!
An der Wand über dem Bett hängen Fotos. Einige davon sind noch aus der Zeit vor ihrem Umzug nach Amerika, aus London und fremden Ländern. Besonders eines davon fällt ihm ins Auge. Darauf ist eine hübsche Frau mit einem noch hübscheren Lächeln und hochgeschobener Sonnenbrille zu sehen, die ein pausbäckiges Kind auf dem Schoß hat. Lindsey und Judy. Die kleine, perfekte Familie, ohne Tony. Natürlich wusste er damals nicht, dass Lindsey schwanger war, als sie einfach gegangen ist. Hätte er das Kind behalten? Wäre er als Familienvater glücklich geworden? Das ist überhaupt nicht sein Stil. Irgendwo in den hintersten Ecken seiner Vorstellung existiert eine kleine Welt, in der Lindsey nicht gegangen ist. In der er die kleine Judy abends ins Bett gebracht hat, ihr Geschichten erzählt hat und beide auf lange Ausflüge ans Meer mitgenommen hat. Sicher hätte sie das Meer gemocht. Fast bildet er sich ein, das glucksende Lachen eines Mädchens zu hören.
Dann wird er wieder in die Realität zurückgeworfen. Lindsey ist tot. Und augenscheinlich hat sie ihn sowieso nicht geliebt, und nach so vielen Jahren ist es unmöglich zu sagen, ob er dasselbe für sie empfunden hat. Was Tony aber weiß, ist, dass Judy ihn liebt. Er würde alles für seine Tochter tun.
Er nimmt ein gerahmtes Bild von der Wand, aus ihrem Urlaub in Paris letzten Frühling. Judy steht unschuldig grinsend zwischen ihm und Pepper, zwei Finger schweben als Hasenohren über Tonys Kopf. Davon hat er während das Foto gemacht wurde, natürlich nichts gemerkt, bis Judy kurz darauf in lautes Gelächter ausgebrochen ist. Dieser kurze Moment wurde in diesem Bild gefangen, und jetzt wird Tony bewusst, dass er nie wieder zurückkehren wird. Er lässt sich auf das ungemachte Bett fallen, das gerahmte Bild in seiner Hand.
Nein. Es ist doch seine Schuld. Ihm fallen tausend Momente ein, in denen er mit Judy gestritten hat, auch ihr allererster Streit, der mit ihren gebrüllten Worten ›Ich hasse dich!‹ geendet hat.
Und ihre letzte Auseinandersetzung, als die SHIELD-Agenten im Tower aufgetaucht sind. Ihre Neugier, sich in SHIELD einzuhacken, war ihm dann doch zu viel. Er selbst hat sich schon unzählige Male Zugang zu ihren Daten verschafft, aber sie sollte da nicht schon reingezogen werden.
Obwohl... Tony hebt den Kopf. Vielleicht ist genau das der Grund für ihr Verschwinden? Er steht auf und durchsucht die Blätter, die auf dem Schreibtisch liegen. Irgendeinen Hinweis muss es doch geben... Da, ein Zettel. Die Gästeliste der Gala. Mit Telefonnummern. Tony runzelt die Stirn, doch ein bestimmter Name fällt ihm sofort auf. Nicholson.
»Also doch du, Brandon«, murmelt Tony, gleichzeitig einem Drang widerstehend, das Blatt zu zerreißen. Als nächstes findet er hastig hingekritzelte Notizen, die nur schwer zu entziffern sind. Er versucht es trotzdem.
SHIELD – versteckte Daten
Tesserakt Projekte Daten Dad+BB
66,5% Si + 19,7% Titan + ??Fe (max.10%) (»Nein, das ist für ihre merkwürdige Rollschuhidee...«)
Andere Leute mit Fähigkeiten??
Was ist eig. Van Vries' Job (auch SHIELD?)
Brooklyn anrufen!!!
Besonders die drei Ausrufezeichen hinter dieser letzten Notiz erwecken höchstes Misstrauen in Tony. Also waren alle seine Vermutungen doch richtig. Jede einzelne dieser Stichpunkte ist sehr beunruhigend. Vor allem die Sache mit den Tesserakt-Projekten. Und was meinte sie nur mit ›Fähigkeiten‹? Und Brooklyn. Immer wieder Brooklyn. Auch Van Vries wird erwähnt, und zufälligerweise weiß Tony genau, wo er sich gerade befindet.
♦
Als der rot-goldene Anzug auf dem Platz aufschlägt, stieben die Leute aufgeschreckt auseinander wie ein Haufen Ameisen. Sobald sie sehen, was genau da gerade vom Himmel gefallen ist, verwandelt sich ihr Schreck in Neugier. Einige gehen kopfschüttelnd weiter, andere bleiben flüsternd um ihn herum stehen.
Ohne den Anzug auszuziehen geht Tony auf den Eingang des Bürokomplexes zu. Er gibt ihm Sicherheit. Die ganze Zeit während des kurzen Fluges nach Toronto hat er darüber nachgedacht, wie er Judy finden könnte. Die Antwort erschien ihm beinahe lächerlich simpel: Er würde die Iron Legion losschicken. Und genau darüber wird er jetzt mit Pepper reden. Rita hat ihn vor einigen Minuten angerufen, aber nur um zu berichten, dass es nichts zu berichten gab. Ihr Sohn, Matthew, ist ein ganz normaler Schüler mit normalen Noten und normalen Hobbies, dazu zählen Skateboard-Fahren und Basketball-Spielen. Nichts Verdächtiges.
Jarvis scannt das Gebäude nach dem Aufenthaltsort von Pepper, und Tony geht geradewegs darauf zu. Eine Frau mit Klemmbrett versucht verzweifelt ihn davon abzuhalten, den Konferenzraum zu betreten. Sie schiebt sich vor ihn und öffnet die Tür einen Spalt.
»Versei'ung Miss McMillan, er wollte nischt warten«, sagt sie mit einem französischen Akzent und sieht tadelnd zu Tony, der sich in den Raum schiebt.
Pepper steht von ihrem Platz an dem langen Glastisch auf. »Tony, was machst du hier?«
»Pep, ich muss mit dir reden!«
»Nein, zuerst ziehst du den Anzug aus«, sagt sie und hindert ihn am Weitergehen, sodass sie von den anderen Anwesenden abgeschirmt sind.
Tony klappt das Visier seines Helmes auf. »Judy ist weg.«
»Das meinst du jetzt nicht ernst.« Ein geschockter Ausdruck macht sich auf ihrem Gesicht breit.
»Doch, aber diesmal war es nicht meine Schuld, das schwöre ich.«
»Tony, hast du getrunken?«
»Ich habe... nein! Und darum geht es nicht, sondern darum, dass Judy–«
»Mr. Stark, wie schön, Sie endlich persönlich zu treffen.« Eine athletische Frau mit rabenschwarzen Haaren unterbricht lächelnd die Diskussion und hält ihm eine Hand hin. »Nur in diesem Aufzug hätte ich Sie nicht erwartet.«
Tony schaut irritiert die Hand an, ignoriert sie aber und sieht wieder zu Pepper. »Ich brauche die Iron Legion, um sie zu finden.«
»Nein Tony, was du brauchst ist eine Pause. Jetzt. Und zieh diesen Anzug aus, sofort.« Das ist keine Bitte mehr. Also schält er sich aus seiner rot-goldenen Hülle und wird sofort danach von Pepper in einen Stuhl gedrückt. »Tony, du kannst nicht einfach in ein wichtiges Meeting hereinplatzen.«
»Aber es geht um Judy!«, ruft er etwas lauter. »Sie hat nicht auf meine Anrufe reagiert, und bei dem letzten hat sie nur gesagt, dass ich mir keine Sorgen machen soll, weil es ihr gut geht, und–«
»Miss Potts, denken Sie wir könnten nun zu unserer Tagesordnung zurückkehren?«, fragt eine ungeduldige Stimme, an die sich Tony nur allzu gut erinnert.
Er sieht nach rechts, und erkennt Carl Van Vries neben keinem anderen als Brooklyn Nicholson am anderen Ende des Tisches stehen. Seine Augen verengen sich zu Schlitzen. »Du.« Bevor Pepper ihn davon abhalten kann, fährt er aus seinem Stuhl hoch und stapft auf den jungen Mann zu. Gerade rechtzeitig geht Van Vries dazwischen.
»Was macht er hier?«, fragt Tony wütend.
»Er ist mein persönlicher Assistent«, erklärt die Frau mit den schwarzen Haaren. »Wenn Sie ihn also bitte in Ruhe lassen würden, ich bin sicher, es handelt sich hier um ein Missverständnis.«
»Meine Tochter ist verschwunden, und sie reden von Ruhe bewahren?«, schreit Tony lauter als beabsichtigt. Alle Anwesenden verfallen in Schweigen, Van Vries hat seine Geschäftsmann-Miene aufgesetzt, und Brooklyn dieses heimtückische Lächeln. Die Mundwinkel der Frau zucken, doch dann lächelt auch sie.
»Mr. Stark, setzen Sie sich«, sagt sie mit Nachdruck. Doch erst Peppers todbringender Blick zwingt ihn, sich tatsächlich wieder auf einen Stuhl sinken zu lassen. Er umgreift die Wasserflasche vor sich und drückt so fest zu, dass das Plastik unter seinen Fingern knirscht. »Würden Sie dann so freundlich sein, uns über die derzeitige Situation aufzuklären?«
»War das gerade nicht deutlich genug?«, sagt Tony bitter.
»Ihre Tochter hat sich also einen Tag lang nicht bei Ihnen gemeldet, wenn ich das richtig verstanden habe. Dass ist meiner Meinung nach noch lange kein Grund zur Panik.«
»Bei ihr schon. Wer weiß, was mit ihr passiert ist?« Tony rauft sich die Haare bei all den Horrorszenarien, die sich in seinem Kopf abspielen.
Pepper stellt sich hinter ihn und legt ihre Hände auf seine Schultern. »Tony, lass ihr doch ein wenig mehr Freiraum. Sie hat dich angerufen, um dir zu sagen, dass es ihr gut geht, reicht dir das nicht als Absicherung?«
Er antwortet nicht sofort. »Und wenn sie doch in Gefahr ist?«
»Das ist sie nicht. Du kennst doch Judy; egal, was ihr passiert, sie findet einen Weg da raus. In der Hinsicht ist sie wie du.«
»Du meinst leichtsinnig, stur und unvorsichtig?«
Pepper lächelt. »Ich rufe sie nach dem Meeting an, vielleicht redet sie ja mit mir.«
Tony lehnt seinen Kopf nach hinten und greift nach ihrer Hand, die immer noch auf seiner Schulter ruht. Wie schafft sie es immer nur, ihn zu besänftigen? In Momenten wie diesen wird ihm bewusst, wie sehr er sie liebt und er alles für sie tun würde. Erst letztes Weihnachten hat er alle seine Anzüge in die Luft gejagt. Denn allein die Tatsache, dass der energische Rotschopf es mit ihm aushält, ihm alle seine Fehler vergibt, macht sie in Tonys Leben unentbehrlich.
Doch natürlich muss jemand diesen Moment ruinieren, und natürlich ist es van Vries. »Miss Potts, können wir jetzt–«
»Selbstverständlich«, sagt Pepper und löst sich von Tony.
Und so findet Tony sich in einer Besprechung wieder, die er vorausschauend vermieden hat. Die Frau, die er vorhin ignoriert hat, erkennt er jetzt als Rowan McMillan, der Boss von Rubicon. Deren Logo prangt über der interaktiven Tafel, die eine gesamte Wand des Konferenzraumes einnimmt. Tony nimmt sich einen Stift aus der Mitte des Tischs, um seine Finger beschäftigt zu halten. Nur mit halbem Ohr hört er den Sprechern zu, eine Zeit lang beobachtet er Nicholson Junior, der auf dem Stuhl neben McMillan sitzt und sich eifrig Notizen macht. Ein braves, kleines Schäfchen. Genau deshalb ist etwas falsch mit ihm, das sagt ihm seine Intuition. Und die hat ihn bis jetzt selten im Stich gelassen.
»Mr. Stark, was halten Sie davon? Mr. Stark?«
Alle Augen sind auf ihn gerichtet.
»Ja, absolut«, sagt er abwesend.
»Das war eine entweder-oder-Frage«, sagt Brooklyn süß-säuerlich grinsend. Tony dachte, nur Frauen hätten diese Eigenschaft, aber der Junge hier beweist ihm das Gegenteil.
»Ich nehm' die Pommes.« Tony fährt fort, mit dem Kugelschreiber auf die Schreibunterlage zu kritzeln. Langsam nimmt das Gekrakel Form an. Vielleicht könnte er Judy einen neuen Iron Man Anzug bauen, nachdem der letzte von einem feuerspuckenden Drachen und seiner Armee aus Feuersalamandern zerstört wurde. Sie würde sich bestimmt darüber freuen.
»Könnte ich bitte Ihre Aufmerksamkeit haben?«
Seufzend sieht Tony auf. Er hebt eine Augenbraue, als er van Vries vor der Tafel stehen sieht. Stand dort nicht gerade noch McMillan?
»Die Kommission zur Kontrolle außerirdischer Objekte wurde neuerdings von der Regierung persönlich damit beauftragt, die anstehenden Projekte von Stark Industries zu begleiten.« Begleiten. Wohl eher überwachen. Tony lässt einen kleinen Schnaufer hören, doch davon unbehelligt fährt van Vries fort: »Dabei ist uns außerordentlich wichtig, dass das Wohl der zivilen Bevölkerung unter allen Umständen geschützt ist.«
»Was denken Sie, was wir mit diesem Projekt erreichen wollen? Terror und Chaos?«, fragt Tony.
»Niemals, Mr. Stark. Von Waffen haben sie sich ja schon lange abgewendet.« Der ironische Unterton in Brooklyns Stimme wird durch sein diabolisches Lächeln nur noch verstärkt.
»Mr. Nicholson, bitte«, sagt van Vries und sorgt dafür, das Brooklyn sich in seinem Stuhl wieder zurücklehnt. »Erinnern Sie sich nur an die Ereignisse in New York. Die zahlreichen Opfer, vom hohen Sachschaden ganz zu schweigen–«
»Wir haben die Welt vor einer verdammten Alieninvasion bewahrt, ist Ihnen das nicht klar?«
»Dafür sind alle Ihnen und dem Team der Avengers dankbar, aber denken Sie nur an die Konsequenzen, Tony, denken Sie daran«, schaltet sich McMillan ein. »Die Menschen wollen Sicherheit, für sich selbst, für ihre Kinder. Würden Sie dasselbe nicht auch für Ihre Tochter tun?«
Tony starrt auf den Tisch, auf die unordentliche Skizze, auf das Geschmiere an der Stelle, an der der Kugelschreiber sich in das Papier bohrt. Dann steht er wortlos auf und verlässt den Raum.
Er wartet vor der Tür, in Sichtweite der skeptischen Sekretärin, die ihm über den Rand ihrer halbmondförmigen Brille ab und zu prüfende Blicke zuwirft.
Als nach einer gefühlten Ewigkeit die Versammlung den Raum verlässt, Brooklyn als letzter, greift Tony nach dessen Arm und bugsiert ihn in ein nahes Wartezimmer. Der junge Mann lässt es ohne Protest über sich ergehen.
»Sie haben sich gar nicht verabschiedet, Mr. Stark«, sagt er in einem beiläufigen Tonfall.
»Versuch ja nicht, mich für dumm zu verkaufen. Wo ist Judy?«
»Judy? Woher soll ich das wissen?«
Die Jalousien an den Fenstern wurden heruntergelassen, deswegen erhellt das Licht nur spaltweise die beiden Gesichter. Auf Brooklyns steht geübte Gleichgültigkeit, auf dem von Tony ein Anflug von Groll. Der Milliardär zieht die Augenbrauen nach unten. »Weil ihr euch auf der Gala sehr nah gekommen zu sein scheint. Worüber habt ihr geplaudert, hm?«
»Ich bin Ihnen keine Rechenschaft schuldig.« Er lächelt. Am liebsten hätte Tony es ihm vom Gesicht gewischt.
»Brooklyn? Ist alles in Ordnung?«, ruft die Stimme von Rowan McMillan in den Raum hinein.
Der Angesprochene dreht sich zur Tür. »Ja, Miss McMillan, Mr. Stark und ich haben nur eine kleine Unterhaltung.« Er dreht sich zu Tony, entwendet sich aus seinem Griff und wendet sich zum Gehen. Bevor er verschwindet, dreht er sich noch kurz um: »Achja, und, Mr. Stark: Halten Sie sich bitte von mir fern. Ein wenig Distanz tut Ihnen sicher gut.«
So wütend wie jetzt war Tony selten. Brooklyn spielt mit ihm, wie eine Katze mit einem Wollknäuel. Und er ist allergisch gegen Katzen, was den Ausdruck nur verstärkt, dass er Nicholson Junior gegenüber eine tiefsitzende Abneigung empfindet. Er will mit ihm spielen? Dann bitte sehr: Jetzt ist Tony an der Reihe.
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