Und Diesmal Wirklich
Ich war so auf Toni fokussiert, so voller Aufregung und Leidenschaft und Verlangen, als ich ihn wieder und wieder küsste und schließlich begann, sein Oberteil auszuziehen, dass ich das beinahe unhörbare Geräusch der Türklinke gar nicht registrierte.
Doch Toni tat es. Vielleicht war es mehr eine Ahnung oder ein Instinkt, aber Toni sprang sofort und ohne Vorwarnung von meinem Bett herunter und knallte dabei heftig mit seinem Kopf gegen mein Nachtschränkchen.
Er hatte keine Sekunde zu früh reagiert, denn gerade öffnete sich die Tür und eine Schwester betrat das Zimmer. Sie schaute ein wenig verwirrt durch den Raum, dann fiel ihr Blick auf Toni, welcher mit schmerzverzerrten Gesicht seinen Kopf rieb, aber glücklicherweise sein Oberteil wieder heruntergezogen hatte.
"Doktor Pirosa?!?", rief sie und eilte sofort zu ihm.
Mein Herz klopfte mir bis zum Hals und ich konnte nicht anders, als mit weit aufgerissenen Augen die Schwester anzustarren.
Ach du Scheiße.
Die Schwester redete aufgeregt mit Toni, doch das bekam ich in meinem Schock kaum mit. Ich hörte ihn nur wieder und wieder beteuern, dass es ihm gut gehe. Irgendwann ließ sie dann auch endlich von ihm ab und ging zur Tür. Sie ließ ihren Blick noch einmal zwischen mir und ihm hin und her wandern, doch dann ging sie ohne ein weiteres Wort hinaus.
Ich wagte es nicht, mich zu bewegen und starrte nur Toni an, der nicht weniger schockiert aussah, als ich.
Sein Blick sagte, was ich dachte.
Wäre die Schwester zwei Sekunden später reingekommen, wäre alles zerstört gewesen. Dann wäre alles vorbei gewesen.
"Alter", krächzte Toni schließlich in die Stille hinein.
Endlich konnte ich mich wieder rühren und setzte mich auf. Auch Toni hiefte sich hoch. Er fasste sich noch einmal an den Kopf und holte sich schließlich einen Hocker und setzte sich an mein Bett.
Langsam ließ der Schock nach und ein undefinierbares Gefühl des Frust breitete sich in mir aus. Ich krallte meine Finger in meine Bettdecke.
"Es tut mir leid, Nia", sagte Toni.
Ich schüttelte nur den Kopf. Toni brauchte sich nicht zu entschuldigen. Es war ja nicht seine Schuld.
Das Krankenhaus war Schuld.
Es hatte mich gerettet, ich hatte hier Toni kennengelernt, ich war hier irgendwie zu Hause, doch trotzdem war es Schuld.
Ich will nicht mehr hier sein.
Dieser Gedanke schob sich nun unmissverständlich in mein Bewusstsein und ohne dass ich länger darüber nachdachte, platzte es aus mir heraus.
"Toni, ich will entlassen werden."
Toni schaute auf. Er sagte nichts, sondern schaute mir nur forschend in die Augen.
Jetzt flossen die Worte nur so aus mir heraus.
"Ich weiß, du willst, dass ich diese Behandlung bei Dr. Lee mache. Und ich hab es auch versucht, ehrlich, aber es ist einfach schrecklich. Die Leute da behandeln mich wie ein Versuchsobjekt und es ist unangenehm und dauert jedes Mal Stunden. Ich hasse es. Ja, ich will laufen, aber es ist schrecklich und ich glaube auch nicht mehr daran, dass das mit Lee klappt."
Kurz setzte ich ab, um zu atmen, doch dann redete ich weiter. Das alles war schon so lange in mir gewesen, doch ich hatte es nicht erkannt. Oder mir nicht eingestehen wollen. Und jetzt musste alles raus.
"Toni, bitte versteh, dass ich endlich raus muss. Ich hab so viel verpasst in meinem Leben. Ich will mehr als nur einmal in einem halben Jahr Döner essen. Ich will Pizza essen und Sushi und Eis und alles was sonst noch lecker ist. Ich will raus und reisen und die Welt sehen. Ich will auf Konzerte von echten Stars gehen. Und ich will dich, Toni. Und zwar ganz. Und das alles kann ich hier nicht haben. "
Ich stieß die Luft aus, bevor ich es erneut aussprach.
"Ich will entlassen werden, Toni."
Toni rührte sich nicht. Er schaute mich einfach nur starr an und ich bekam es mit der Angst zutun. Ich verzog mein Gesicht, während ich angespannt auf eine Reaktion von ihm wartete.
Dann endlich regte sich sein Gesicht. Er blinzelte einmal. Dann schluckte er und sagte schließlich leise "Okay."
Jetzt war ich es, der starrte.
"Okay?", wiederholte ich unsicher.
Langsam stand Toni auf und nahm mein Gesicht in die Hände. Ängstlich lugte ich zur Tür, doch dann wurde ich von Tonis Blick gefangen genommen. Eindringlich schaute er mir in die Augen.
"Nia" sagte er, "Mein lieber Nia..." Er stockte und blinzelte erneut. Seine Augen glitzerten verdächtig, als er weiter sprach.
"Ich liebe dich, Nia. Ich liebe dich und ich möchte das Beste für dich. Die ganze Zeit dachte ich, dass das Beste diese Therapie bei Dr. Lee wäre, aber da habe ich mich dann wohl getäuscht. Es tut mir Leid, wenn ich dich zu etwas gedrängt habe, was du nicht wolltest. Du sollst sich nicht quälen. Auf keinen Fall. Und deswegen ist es auch okay, wenn du dich entlassen lässt. Ich gehe mit dir, egal wie der Weg aussieht und wir werden das alles schaffen."
Ich schluckte und spürte, wie Tränen der Erleichterung und Dankbarkeit in mir aufstiegen.
"Danke", brachte ich mühsam hervor, doch dieses kleine Wort fühlte sich völlig ungenügend an für all die Dankbarkeit, dir ich in mir spürte. Und so sagte ich es wieder und wieder.
"Danke Toni", flüsterte ich, "Danke, Danke, Danke, Danke Toni."
Sanft unterbrach Toni meinen Redefluss, indem er seine Lippen auf meine legte.
"Toni?", fragte ich schließlich, als er seine Lippen von meinen löste.
"Ja, Nia?", antwortete er leise.
"Ich liebe dich so sehr, wie ich noch nie jemanden in meinem Leben geliebt hat."
"Oh Nia", raunte er und drückte meinen Kopf an seine Brust.
Fest schlang ich meine Arme um diesen Mann, der mein Leben geworden war.
Ja. Alles würde gut werden.
Und diesmal wirklich.
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