In Der Höhle
Nachdem Toni mich verlassen hatte weinte ich die ganze Nacht. Stumm.
Und nach und nach rutschte ich in ein Loch. Es passierte schleichend, sodass ich es am Anfang gar nicht wirklich realisierte, aber es passierte.
Toni, der Feigling, ließ sich nicht blicken. Nicht einmal, als wir eigentlich offiziell einen Termin zusammen hatten. Ich kann nicht beschreiben, was ich darüber fühlte. Wut, Trauer und Scham kommen dem nahe, aber irgendwie dann doch nicht ansatzweise.
Und so blieb ich mal wieder allein und der Dunkelheit ausgeliefert und verkroch mich in einer tiefen Höhle irgendwo in meinem Inneren, wo ich weit weg von allem war, was wehtat.
Am nächsten Tag hatte ich einige Kontrollen und Behandlungen, die ich teilnahmslos an mir verstreichen ließ. Ich hatte einfach sowas von keinen Bock mehr.
Doktor Pirosa beehrte mich tatsächlich am Tag danach mit seiner Anwesenheit, doch hinterher wünschte ich, ich hätte ihn einfach nie mehr gesehen. Denn er war komplett ausgewechselt: wortkarg, steif, harsch. Er wich meinem Blick aus und beschränkte sich einfach nur auf die Übungen und das kalt und sachlich in seiner Rolle als Arzt, die ich immer so gehasst hatte. Das machte mich so unglaublich wütend, aber noch mehr verletzte es mich. Tief im Inneren, da wo es am meisten weh tut.
Und so flüchtete ich mich auch hier wieder in die Abschottung. Ich tat so, als wäre er nicht da. Versuchte, an irgendetwas Banales zu denken oder auch einfach an Nichts. Natürlich rührte ich keinen Finger für ihn. Sollte er sich doch einen anderen Patienten zum Quälen suchen. Halbherzig versuchte Toni zwar, mich von den Übungen zu überzeugen und mir einzureden, wie wichtig das alles doch sei, doch er gab schnell auf.
Und ich verkroch mich in mir selbst und litt.
So vergingen Tage, Wochen vielleicht und natürlich fiel es irgendwann auf. Viele Menschen versuchten, mit mir zu reden und mir zu helfen, doch ich fühlte mich bedrängt und kroch tiefer in meiner Höhle hinein. Ich merkte, dass es gut tat, einfach nicht an der Welt teilzunehmen und irgendwo in der Höhle meines Geistes zu treiben wo nicht alles so schwer und traurig war.
Doch langsam und kaum merklich passierte etwas. Vor den Ausgang meiner Höhle rollte ein schwerer Stein. Und kaum dass ich mich versah, war ich kaum noch stark genug, ihn selbst wegzuschieben. Es war, als sei ich in mir selbst gefangen. Irgendwie war die Welt um mich herum dumpf und verschwommen geworden, so als wäre sie weit weg. Und die Leere in mir wurde zur Normalität gegen die ich mich nicht wehrte.
Es ging lange so. Ich machte keine Fortschritte mehr und ich wurde immer abwesender.
Irgendwann besuchte mich dann Chefarzt Prof. Dr. Gregor Onhk. Er redete mit mir und tatsächlich war er dabei einer der wenigen Menschen, deren Anwesenheit mich nicht direkt abschweifen ließ. Doch er hatte keine guten Nachrichten für mich. Mit seiner ruhigen, tiefen Stimme machte er mir klar, dass meine psychische Lage kritisch war und dass ich, wenn ich weiterhin alle Therapien abwehrte, meine hart erkämpften Fähigkeiten verlieren würde. Dann meinte er, er wolle mir einen Psychologen an die Seite stellen, damit dieser Zustand sich nicht in eine dauerhafte Depression entwickelte, doch ich lehnte ab. Ich hielt es nicht für nötig. Prof. Dr. Onkh nahm dies nur schweigend zur Kenntnis. Den sorgenvollen Ausdruck, der sein Gesicht dabei durchzog, bemerkte ich gar nicht.
Ich erkannte den Ernst der Lage nicht. Und erst später erfuhr ich, dass ich kurz davor war, in eine psychiatrische Anstalt verlegt zu werden.
Dem entkam ich nur ganz knapp. Dank eines fiesen Virus, der mir Zeit verschaffte und Dank eines neuen Nachbarn.
Es musste wohl jemand von außen kommen, um mich aus meiner Höhle zu befreien. Jemand, der ganz anders war.
Ein Energy- und Videospielsüchtiger Russe zum Beispiel.
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