Der Sturm Nach Dem Sturm
Zurück in meinem Zimmer wusste ich immer noch nicht, was da gerade passiert war. Ich hatte also tatsächlich zugesagt und würde in den nächsten Tagen Strom in die Beine gejagt bekommen.
Auch, wenn es gut war, dass die Richtung jetzt endlich klar war, fühlte ich mich nicht gut. Die Situation eben hing mir irgendwie nach. Ich hatte mich so ausgeliefert gefühlt zwischen all diesen Ärzten...
Und was war mit Toni los gewesen? Warum hatte er mich erst so hängen gelassen und mich dann quasi gezwungen zuzusagen? Hätte er nicht einfach vorher mit mir reden können?
Das dumpfe Gefühl in mir verwandelte sich langsam in Frust. Ich musste irgendwas tun, einfach mal raus und laut schreien, aber das ging ja nicht. Die meiste Zeit über hatte ich mich ja mehr oder weniger damit abgefunden, ans Bett gefesselt zu sein, aber gerade war wieder einer dieser Momente, wo ich es hasste. Frustriert warf ich mich in mein Kissen.
Lange lag ich jetzt wieder einfach in meinem Bett und starrte genervt an die Decke. Keine Ahnung, wie lange das dauerte, aber irgendwann öffnete sich die Tür und schon an den Schritten erkannte ich, dass es Toni war. Ich schaute kurz auf und erkannte, dass ich recht hatte, fixierte aber direkt wieder einen Punkt an der Decke.
"Toni kann ich eigentlich einen Rollstuhl haben?", fragte ich geradeheraus.
Toni war wohl stehengeblieben, denn es war nichts mehr von ihm zu hören. "Ähm", hörte ich dann nach kurzer Zeit seine Stimme, "Du machst doch jetzt erstmal die neue Behandlung, danach brauchst du doch vielleicht gar keinen mehr."
Ich seufzte. "Und bis dahin? Ich will nicht mehr den ganzen Tag im Bett liegen."
"Naja... Nach dem TMB stand das mit dem Rollstuhl eh auf dem Plan, also wenn du unbedingt einen haben willst, dann kann man das schon machen."
Ich nickte nur. Wenigstens etwas. Eine Weile war nun Stille zwischen uns und beide Seiten schienen darauf zu warten, dass der andere etwas tat.
Toni war es schließlich, der das Schweigen brach. "Was ist los, Nia?", fragte er und tat einen Schritt auf mich zu.
Ich seufzte nur erneut und presste die Lippen aufeinander. Irgendwie war ich gerade einfach genervt von allem. Von mir, von der Situation und auch von ihm.
Als Toni dann erneut meinen Namen sagte, kam es alles in mir hoch. Ruckartig setzte ich mich auf.
"Alter Toni", rief ich, "Was los ist? Was soll schon los sein? Ich musste nur eben ganz alleine vor einem Haufen an Ärzten eine Entscheidung treffen, für die ich nicht bereit war und jetzt wollen die Stromstöße in meine Beine machen und wo warst du? Ich hab dich die ganze Zeit angesehen, aber du hast mich ignoriert, Toni. Ich hab dich gebraucht und du warst nicht da."
Unruhig trat Toni auf der Stelle und hob schließlich abwehrend die Arme "Nia, ich... " Er brach ab und ließ seine Arme fallen.
Ich schnaubte. "Lass gut sein Toni."
"Hey", rief er nun, "Denk nicht, für mich war es einfach. Ich muss mich schließlich die ganze Zeit damit beschäftigen, dass das auch alles klappt mit diesen Ärzten von außerhalb, die sich über jede Kleinigkeit aufregen und so tun als wären sie der König der Medizin höchstpersönlich. Und gleichzeitig muss ich mir ständig Sorgen um dich machen und mich fragen, ob du dich nicht doch noch umentscheidest und dann alles verloren ist."
"Ooh, tut mir Leid, dass du dir jetzt auch noch Sorgen um mich machen musst."
"So war das nicht gemeint..."
Ich biss mir auf die Lippe und schaute weg. In mir brodelte noch immer die Wut, aber gleichzeitig meldete sich wieder der dumpfe Schmerz.
Als ich mich wieder zu Toni umdrehte, merkte ich, dass er mich noch immer mit steinerner Miene anstarrte.
"Also", setzte er unbewegt an, "Ich denke, ich gehe dann mal. Das Treffen mit Dr. Lee beginnt morgen um zehn Uhr, um elf Uhr beginnt dann die erste Behandlung in elektroinduzierter Rehabilitation. Ich wünsche einen schönen Tag."
Mit diesen Worten drehte er sich mechanisch um und verließ den Raum.
Ich hatte das Gefühl, man hätte mir ein Messer ins Herz gerammt und kräftig umgedreht.
Ich vergrub mein Gesicht in den Händen und schloss fest die Augen. Vielleicht konnte sich man ja doch an einen schöneren Ort teleportieren, wenn man es sich nur fest genug wünschte.
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