Remus öffnete mit pochenden Kopfschmerzen die Augen. Er blinzelte ein paar Mal, um zu erkennen wo er sich gerade befand. Er erkannte die vielen weißen Krankenbetten des Krankenflügels. Er lag selbst in einem davon.

Langsam richtete er sich auf. Gestern war Vollmond gewesen. Anscheinend hatte es die Verwandlung in sich gehabt... Plötzlich fielen ihm nach und nach alle Vorfälle von gestern ein. Sirius, Harry, Ron, Hermine! Hoffentlich ging es ihnen gut!

Remus schlug eifrig die Decke zur Seite und wollte sich auf den Weg machen um sich zu vergewissern, dass alle heil auf waren.

,,Du solltest noch liegen bleiben." sagte plötzlich eine Stimme hinter ihm und Remus fuhr erschrocken herum.

,,Hyllandria?" fragte er überrascht, als er die Hexe auf einem Hocker neben seinem Bett sitzen sah.

,,Du bist schwach." meinte sie nur.

,,Wo sind die anderen? Geht es ihnen gut, weißt du vielleicht irgendetwas? Hab' ich ihnen weh getan?!" fragte Remus hektisch. Hylla deutete ihm ruhig zu bleiben.

,,Keine Sorge, Remus. Allen geht es gut." versicherte sie ihm. Remus atmete erleichtert aus.

,,Was ist mit Sirius?" fragte er nochmal nach.

,,Lange Geschichte... Die Dementoren haben ihn gefunden und wollten ihn zurück nach Askaban bringen." meinte Hylla seufzend und Remus' Augen weiteten sich geschockt.

,,Zum Glück haben James und Lily einen mutigen Sohn, der seinen Patenonkel nicht im Stich lassen wollte." fügte sie lächelnd hinzu. Remus seufzte erleichtert.

,,Das hatte etwas mit einem Hippogreifen zutun und irgendwas mit einem Zeitumkehrer... wie gesagt, lange Geschichte." seufzte Hylla. Remus schüttelte schmunzelnd den Kopf.

,,Harry und seine Freunde kommen immer auf die absurdesten Ideen." meinte er lächelnd.

,,Was ist jetzt mit Sirius?"

,,Er ist auf dem Hippogreifen geflohen und versteckt sich jetzt in seinem alten Familienhaus." sagte Hylla. Remus blickte sie stutzig an.

,,Woher weißt du das eigentlich alles?" fragte er verwirrt. Hylla zog seufzend eine Augenbraue nach oben.

,,Ich bin ein Orakel, Remus. Ich kann in die Zukunft sehen."

Remus biss sich peinlich berührt auf die Unterlippe.

,,Ach ja... hab ich fast vergessen." murmelte er.

,,Und außerdem bin ich die Professorin für Wahrsagerei, ich bitte dich Remus." schnaubte sie belustigt während auch Remus schmunzeln musste.

,,Tut mir leid... ich war mit meinen Gedanken wo anders." meinte er entschuldigend. Hylla winkte ab.

,,Nicht der Rede wert." meinte sie nur. Sie lächelte. Es verging eine Zeit in der keiner von beiden etwas sagte.

,,Peter ist geflohen." sagte Hylla schließlich nach dem kurzen Moment der Stille. Remus biss frustriert die Zähne zusammen.

,,Verdammt..." zischte er nur missmutig und seine Miene verfinsterte sich.

,,Tja... das war bestimmt noch nicht das Ende, Remus. Der Krieg hat gerade erst begonnen." seufzte Hylla.

,,Das ist meine Schuld..." murmelte Remus frustriert. Hylla runzelte verdutzt die Stirn.

,,Was redest du denn da?" fragte sie eingeschnappt.

,,Du verwandelst dich bei Vollmond, das ist eben so und das kannst du nicht beeinflussen! Niemand hat Schuld an Peters Verschwinden, das war einfach nur Pech!"

Remus runzelte fragend die Stirn.

,,Du hast nie an Glück oder Pech geglaubt." sagte er. Hylla kräuselte die Lippen.

,,Mag schon sein..." meinte sie schulterzuckend. ,,Es stimmt schon, unser Schicksal ist uns allen vorbestimmt. Aber selbst das Schicksal hat für jeden manchmal Glück oder Pech vorbereitet."

,,Für die einen mehr, für die anderen weniger..." murmelte Remus nur missmutig und wandte den Blick ab. Hylla sah ihn schief an.

,,Es tut mir leid, dass ich mich nicht gemeldet habe..." seufzte sie schließlich. Remus blickte stutzig zu ihr.

,,Ich war nicht ich selbst." fuhr Hylla fort.

,,Seit... Nias Tod... habe ich mich verändert. Ich habe Zeit gebraucht um mich wieder zu finden und selbst das ist mir nicht vollständig gelungen. Ohne Nibora bin ich nicht mehr Hyllandria. Ich bin jetzt Sybill."

Remus musterte seine Kollegin von oben bis unten. Es stimmte schon, dass sie sich vom Äußeren stark verändert hatte. Die Kleidung die sie trug schien wie ein bunter, zusammengeflickter Teppich aus allen möglichen Stoffen, die sie gefunden hatte. Dazu kamen die nicht weniger bunten Perlenketten, die sie um den Hals trug und die vielen Ringe an ihren Fingern. Ihr Haar war strubbelig und nicht mehr so blond wie früher. Es war dunkler. Mitten in ihrem Gesicht saß eine riesengroße Brille. Doch hinter dieser schimmerten genau jene unverwechselbaren blauen Augen, mit denen Hylla Remus am ersten Schultag angestrahlt hatte.

,,Für mich wirst du immer Hyllandria bleiben." meinte er lächelnd. Hylla blickte nervös nach unten.

,,Ich habe damit gerechnet, dass du das sagst." murmelte sie. Sie wirkte etwas aufgewühlt, fiel Remus auf. Sie spielte durchgehend mit den Ringen an ihren Fingern und benahm sich, als würde sie etwas bedrücken.

,,Ist alles in Ordnung?" fragte Remus vorsichtig. Hylla schnaubte.

,,Ich glaube, ich verliere den Verstand..." murmelte sie leise. Remus schluckte. Die Szenarien von früher erschienen plötzlich in seinem Kopf, von damals, als Nia sich von Hylla abgewandt und Hylla mit den Nerven am Ende war. Das war eine furchtbare Zeit gewesen... Es wäre schrecklich, sollte sich das wiederholen.

,,Was ist denn?" fragte Remus nach. Hylla sah sich eindringlich um, um sicherzugehen, dass sie niemand belauschen würde. Dann beugte sie sich zu Remus hinüber.

,,Seit meine Schwester... nun ja, gestorben ist, geschehen seltsame Dinge mit mir. Ich sage Visionen vorher, an die ich mich danach nicht erinnern kann. Es passiert nicht oft, aber dennoch. Wie zum Beispiel gestern Nachmittag... Dumbledore hat gesagt, dass ich vor Harry eine Vision hatte, die besagt hat, dass Peter zu Voldemort zurückkehren wird. Aber ich weiß gar nichts mehr davon! Nichts! Als wäre mein Kopf leergefegt worden..."

Sie starrte besorgt auf ihre Fingernägel hinunter.

,,Hmm... Du hast recht, das ist merkwürdig... Aber dafür gibt es sicher irgendeine Erklärung." meinte Remus grübelnd.

,,Das ist noch nicht alles..." murmelte Hylla.

,,Gestern Abend habe ich eine Stimme gehört." zischte sie ihm zu. Remus blickte nur verwirrt drein.

,,Naja... du bist ein Orakel, hörst du nicht andauernd Stimmen?" fragte er vorsichtig.

,,Ich bilde mir ein es war die Stimme von Nia." sagte sie bedrückt. Remus stockte. Mit dieser Antwort hatte er nicht gerechnet.

,,Aber... Nia ist doch..."

,,Tot, ich weiß." sagte Hylla bitter. ,,Aber ich habe sie gehört! Also muss ich doch den Verstand verloren haben!"

,,Naja... vielleicht hast du es dir nur eingebildet." meinte Remus. Hylla biss sich verzwickt auf die Unterlippe.

,,Aber es war so deutlich..." flüsterte sie. ,,Wie früher, als wir gegenseitig unsere Gedanken hören konnten. Aber sie war nicht bei mir!"

,,Du trauerst immer noch um sie, Hylla. Ehrlich, das war bestimmt nur ein Hirngespinst." sagte Remus. Hylla nickte zögernd. Ihr war dieses Gespräch sehr unangenehm. Noch nie hatte sie mit jemandem so offen über den Tod ihrer Schwester gesprochen. Nicht einmal mit Dumbledore. Sie hatte es stets verdrängt. Sie warf einen Blick auf die große Wanduhr.

,,Herrje! Ich habe ja gleich Unterricht!" murmelte sie und stand eifrig von ihrem kleinen Hocker auf.

,,Vielen Dank, dass du hier warst!" bedankte sich Remus flüchtig als Hylla schon auf dem Weg nach draußen war.

,,Keine Ursache, Remus! Erhol' dich gut!" rief sie ihm noch hektisch zu und eilte den Gang entlang.

Während sie die Korridore entlang schritt dachte sie über Remus' Worte nach. Hatte sie sich Nias Stimme nur eingebildet? Es war die einzig logische Erklärung. Wieso konnte sie es dann einfach nicht glauben?