Nervosität oder Angst?
Es war Donnerstag und ich stand fünf Minuten vor dem Klingeln an der Tür unseres Klassenzimmers und ging nervös hin und her. Ich war unglaublich nervös wegen nachher.
"Hey Mau, was tust du denn schon hier?" fragte mich mein bester Freund lachend und nahm Sachen aus seinem Spind, der neben an die Wand angebracht war, wie viele weitere.
"Naja, also... Ist nicht so wichtig."
"Heute ist Donnerstag, richtig? Bist du nervös wegen nachher?"
Sofort schüttelte ich den Kopf. "Quatsch! Du spinnst doch total, er ist echt nett!"
"Naja, finde ich jetzt nicht... Aber egal, pass einfach auf dich auf, ja?"
Das Klingeln unterbrach uns beide und schnell trat ich in die Klasse. So gefährlich konnte Manuel doch gar nicht sein. Oder? Klar, er kam mir erst ein wenig komisch vor, aber er hatte ja selber gesagt, dass ihm Förmlichkeiten unnötig erschienen. Vielleicht baute er ja darauf, jemandem leichter etwas beibringen zu können wenn er ihm näher war als normale Lehrer.
Ich ließ mich also auf meinen Platz fallen und beobachtete, wie die Klasse sich füllte und der Unterricht begann. Herr Bergmann machte heute wieder mit uns Mathe. Und ich verstand endlich Mal ein wenig was.
So verging der Tag recht schnell, Herr Bergmann lobte mich einmal am Ende der Mathestunde und in der ersten Pause hatte ich Kioskdienst, wofür ich ein wenig Geld bekam. Man musste ja die Zeit nutzen, die man hatte.
Micha merkte, dass ich mit jeder vergehenden Stunde zunehmend nervöser wurde, aber ich wollte mir nicht selber eingestehen das es wegen Manuel war. Man durfte Menschen doch nicht verurteilen, bloß weil sie anders waren als man selber... Oder?
In der letzten Stunde Geschichte erzählte irgendeine Lehrerin etwas über die Geschichte unserer Stadt, aber ich hörte nicht zu, denn der Kram interessierte mich nicht allzu sehr. In Geschichte hieß es einzig, Dinge auswendig zu lernen. Man musste sie dafür nicht verstehen. Darum war es eins meiner besseren Fächer, mit einer drei, manchmal auch zwei.
Gegenüber meiner fünf in Mathe also doch ziemlich gut.
Dann war es fünf Minuten vor dem Klingeln, wir durften schon unsere Sachen packen. Eigentlich hatten wir Hausaufgaben in Geschichte auf, aber ich wollte sie nicht machen. Deshalb schrieb ich sie einfach brav von der Tafel ab, steckte zur Tarnung mein Buch in meine Tasche und ging dann zum Platz von Micha. Wieso ich das Buch mitnehme? Meine Lehrerin weiß, dass ich die Hausaufgaben öfter nicht mache und beobachtet mich deshalb immer beim einräumen. Ja, ich weiß, ein bisschen gruselig, aber ich kann das händeln.
"Willst du wirklich nicht zugeben, dass du Angst vor ihm hast? Du bist die ganze Zeit nervös auf deinem Platz von links nach rechts gerutscht und wieder zurück, ohne deinen Blick auch nur ein einziges Mal von der Uhr zu lösen. Du hast nicht einmal bemerkt, dass Sebastian dir ein Papierkügelchen ins Haar geworfen hat." Vorwurfsvoll zog Micha mir das besagte Kügelchen aus dem Haar. Ich schmollte. "Das ist alles deine Schuld! Bloß weil er andere Lehrmethoden nutzt heißt das ja nicht gleich das er irgendein Serienkiller ist oder so!"
Micha sah mich besorgt an und zog mich dann in eine Umarmung. "Darf ich mir denn keine Sorgen machen? Nicht böse gemeint, aber du bist ziemlich klein, schwach, naiv und einfach nur hilflos. Ich will dich halt nicht verlieren und selbst auf dich aufpassen schaffst du irgendwie nicht."
Genervt drückte ich ihn von mir weg. Das war ja auch wirklich genau das, was ich jetzt hören wollte, danke Micha!
Die restliche Zeit verbrachte ich mit schweigen, bis die Klingel läutete und uns in die Freiheit entließ. Alle stürmten raus, nur Micha und ich warteten.
"Sei vorsichtig und rufe mich sofort an wenn irgendwas sein sollte, ja?" Weil er wirklich besorgt aussah, beschloss ich ihm zu verzeihen und nickte seufzend. "Okay, versprochen. Bis morgen, Micha."
Er ging vor und ich ließ mir so viel Zeit wie ich konnte, was meine Lehrerin ziemlich genervt stimmte. Bald scheuchte sie mich durch den Gang nach draußen und als ich meinen Blick über den Hof schweifen ließ, entdeckte ich Manuel sofort.
Ich ging also gezwungenermaßen direkt zu ihm und versuchte, dabei nicht vor Nervosität zu zittern. Manuel lächelte mich sanft an. "Hey, Maurice. Alles okay?"
"Ä-ähm, ja... Wie kommst du auf die Frage?" Okay, ich sag euch eines. Versuchen und schaffen sind zwei unterschiedliche Dinge, ich zittere wie Espenlaub... Oder so ähnlich.
"Weil du zitterst. Ist dir kalt? Du trägst schließlich keine Jacke, dabei ist es schon ziemlich frisch." Ein seltsames schimmern lag in seinem Blick, als er mich betrachtete. Ja gut, ich hab wirklich nur ein T-Shirt an, aber auch nur weil meine Hoodies und so alle bei Micha zum waschen sind. Ich selbst kann mir keine Waschmaschine leisten und weil er bei sich Zuhause die Wäsche macht, fällt das gar nicht auf.
Plötzlich hatte Manuel seine Jacke ausgezogen und legte sie mir um die Schultern. Erst wollte ich protestieren, aber sein Blick und die Tatsache, dass er darunter noch eine gestreifte Strickjacke trug ließen mich verstummen.
"Na los, komm. Wir müssen ja nicht länger hier herum stehen als nötig."
Er fasste nach meinem Handgelenk und zog mich mit sich, ohne überhaupt auf eine Antwort meinerseits zu warten. Aber ganz ehrlich, mir soll es egal sein... So blieb ich zumindest nicht nervös und ratlos auf dem Schulhof stehen. Nur das er immer ohne Vorwarnung oder fragen nach meiner Hand griff, war ein kleines bisschen unangenehm. Aber vielleicht ist er einfach so direkt. Kann ja sein.
Auf dem Parkplatz zog er mich zu einem Auto. War das ein teures Auto? Es sah zumindest so aus, aber ich hab ja von Autos keine Ahnung.
"Setz dich." meinte Manuel sanft aber bestimmt und ich bemerkte, das er mir die Beifahrertür aufhielt. Ehrlich gesagt fuhr ich ungern mit dem Auto, lieber mit dem Bus, der Bahn oder ich laufe, selbst bei Regen würde ich lieber laufen als in einem Auto zu fahren. Dennoch stieg ich ein, denn irgendetwas lag in seiner Stimme, was mich dazu drängte und vielleicht auch ein kleines bisschen nervös machte. Erst schien Manuel nach meinem Gurt greifen zu wollen, aber ich könnte mir das auch nur eingebildet haben, denn danach schloss er direkt die Tür. Er wollte mich doch wohl nicht anschnallen, oder? Nein, ich hab mir das eingebildet.
Zurück zum Thema Autofahren, mir wird im Auto furchtbar schlecht und ich bekomme immer sofort Gänsehaut vor Angst. Einmal, dass war vor etwa einem halben Jahr, wollte Micha mit mir und nem Bekannten was machen. Ich hatte im Auto aber eine Panikattacke gehabt und bin dann doch lieber Zuhause geblieben.
Auch jetzt spielte ich nervös mit meinen Fingern, obwohl er noch nichtmal eingestiegen war und schaffte es beinahe nicht, mich anzuschnallen. Als ich es versuchte, saß Manuel schon neben mir und beobachtete meine zittrigen Versuche, den Anschnaller in dieses blöde Ding zu kriegen, dessen Namen ich nicht kenne.
Plötzlich legte sich eine Hand auf meine und mit einem leisen Klicken war ich angeschnallt.
Verlegen blickte ich aus dem Fenster, während Manuel sich selbst auch anschnallte und das Auto, mit einem Blick zu meinem Gurt, startete.
Hat er gerade ernsthaft geguckt, ob ich angeschnallt bin, obwohl ER mich angeschnallt hat?...
Warte Mal! H-hat er mir gerade ernsthaft beim anschnallen geholfen? Ouh wie peinlich... Mit knallroten Wangen sah auf meine Hände, welche in meinem Schoß lagen und sah nur aus dem Augenwinkel, wie das Auto sich vom Parkplatz bewegt.
Das war gerade wirklich unangenehm.
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