Bei ihm Zuhause
Die Fahrt verging ziemlich schnell und ohne irgendeine Art von Zwischenfall, trotzdem war ich schweißgebadet, als das Auto zum stehen kam. Nur mit Schwierigkeiten, dieses Mal aber entschlossen mir nicht helfen zu lassen schaffte ich es, mich abzuschnallen. In der Zeit war Manuel längst ausgestiegen und war einmal um das Auto herum gegangen, um mir die Tür auf zu halten. Ich spürte meine Beine kaum noch als ich ausstieg und wäre fast umgefallen. Ich spürte schon meinen Kopf auf den Pflasterstein aufschlagen, als mich irgendwas zurückzog.
Verwirrt schlug ich ein Auge auf und blickte Manuel ins Gesicht, welcher belustigt schmunzelte. "Nicht so schnell, Kleiner. Der Boden ist doch ziemlich hart."
Verlegen löste ich mich von ihm. Da wäre es weniger schlimm gewesen wenn er mir beim abschnallen geholfen hätte.
Schnell nahm ich meine Tasche aus dem Fußraum und schlug die Tür zu, wobei sich unsere Finger wieder berührten. Kam es mir nur so vor oder legte er es wirklich darauf an? "Nicht so doll, mein Auto ist doch kein Panzer." lachte Manuel wegen dem Tür zuknallen und fasste wieder nach meinem Handgelenk. "Komm mit, hier geht's lang."
Ich könnte ihm natürlich auch von selber folgen, aber scheinbar kümmerte ihn das herzlich wenig. Wenn Micha hier wäre, dann wär er längst ausgerastet, so viel ist sicher.
Ja, manchmal wirkte es wirklich als wären wir mehr als Freunde, aber er ist glücklich mit einem Mädchen aus einer anderen Schule zusammen, Chessie oder so. Sie ist echt cool drauf und hat nichts dagegen, dass Micha und ich manchmal bei einem Film auch kuscheln oder das wir nach dem Sport zusammen duschen. Sie weiß, dass Micha sie niemals betrügen würde, nicht mit einem Jungen und schon gar nicht mit seinem besten Freund. Und auch wenn es manche aus unserer Schule glauben, ich empfinde auch nichts für ihn. Ehrlich gesagt war ich noch nie verliebt.
Manuel hatte mich inzwischen in den Hausflur eines Mehrfamilienhauses geschleppt und deutete nach oben. "Wir müssen da ganz hoch. Soll ich dir die Tasche abnehmen?"
Ich schnaubte. Also so viel konnte man mir jetzt auch zutrauen, ein bisschen Kondition habe ich auch!
Also schüttelte ich den Kopf, fasste mit einer Hand an den rechten Gurt, oder Riemen?, meiner Tasche und stapfte die ersten Stufen hoch bis zu den Erdgeschosswohnungen. Warum diese trotzdem fünf Stufen nach oben versetzt waren wusste ich ehrlich gesagt nicht. Auch den nächsten Stock schaffte ich ohne Probleme, aber beim zweiten Stock wurde es langsam kritisch... Trotzdem schleppte ich mich mit zitternden Beinen und keuchend auch noch den letzten Treppenabsatz hoch, bis ich vor einer Holztür zum stehen kam. Hier oben gab es nicht mehr zwei gegenüber liegende Türen sondern nur eine. Manuel betrachtete mich schmunzelnd und drückte sich an mir vorbei, um die Tür aufzuschließen.
Irre ich mich oder hat seine Hand gerade wirklich meine Hüfte berührt? Könnte ich mir aber auch nur eingebildet haben oder es war Zufall. Wer weiß das schon. Wäre peinlich, wenn ich ihn danach fragen würde und er mir dann sagte, dass das Zufall war. Dann wirkte es ja so, als wäre mir das wichtig. So ein Quatsch.
Dann trat ich hinter ihm in seine Wohnung. Zuerst kam man in einen hellen, aber simpel eingerichteten Flur. Rechts hinten ein paar Haken an der Wand für Jacken und darunter war ein kleines Schuhregal. Links von mir war eine Tür, welche von hier aus betrachtet scheinbar ins Schlafzimmer führte. Manuel aber ging an dieser Tür vorbei, nachdem er die Haustür geschlossen hatte und lotste mich in einen Raum, der eine Mischung aus Küche und Esszimmer darstellte. Links war eine ziemlich helle, aber standardmäßige Küchenzeile und vor mir ein Tisch mit drei Stühlen. Auch das passte alles zueinander und mir wurde bewusst, dass er entweder alles in perfekt passenden Farben selbst gekauft hatte und es scheinbar nie benutzte, oder dass diese Möbel schon vorher da waren. Hm... Es schien nicht einmal so, als ob er hier wirklich Leben würde.
Meine Tasche stellte ich auf den Boden neben einen Stuhl und zog mir dann meine Jacke aus, welche ich achtlos daneben warf. Manuel musterte mich daraufhin eingehend. "Räum das bitte vernünftig weg, Kleiner."
Genervt verdrehte ich die Augen, bückte mich um meine Jacke aufzuheben und ging zurück in den Flur, wo ich die Jacke an den Haken hing.
"Zieh bitte auch deine Schuhe aus, ich habe hier gerade sauber gemacht."
Oh Gott, bitte sagt mir keiner dass der einen Putzfimmel hat!
Seufzend räumte ich also auch meine Schuhe in das entsprechende Regal und gesellte mich dann wieder zu ihm in die Küche. Er hatte meine Bücher schon auf dem Tisch verteilt, weshalb ich mich schnell hinsetzte und das Hausaufgabenheft unauffällig in meiner Tasche verschwinden ließ. Sicher würde er wollen das ich die blöden Geschichtshausaufgaben mache, wenn er sah das ich welche auf habe.
So nahm er sich aber nur nachdenklich mein Englischbuch, blätterte darin und schob die anderen Dinge dann zu einem Haufen zusammen und bei Seite. Nur mein Englischheft, das Buch und das Arbeitsheft plus Federtasche lagen vor mir.
"Dein Lehrer hat mir erzählt, dass du allgemein im englischen und besonders was Grammatik und Rechtschreibung angeht große Probleme hast. Ich würde damit anfangen, mit dir einige Vokabeln abzuschreiben und zu üben."
Gesagt, getan. Er schlug eine Seite auf, zog aus dem Stapel mein Vokabelheft und ich begann schwer seufzend, die Worte und ihre Übersetzungen abzuschreiben. Sonderlich ordentlich sah es natürlich nicht aus.
Bald war ich mit den ersten beiden Seiten fertig und gab Manuel mein Heft, welcher nur das Gesicht verzog und es mir wieder gab.
"Nochmal beide Seiten und dieses Mal ordentlicher. So das ich es auch lesen kann, ohne unbedingt meine Brille holen zu müssen."
"Du trägst eine Brille?" fragte ich interessiert und versuchte mich so lange wie möglich vor meinen Vokabeln zu drücken. Er betrachtete mich kurz. "Hm, ja, eigentlich schon, was bedeuten soll, nein, ich trage keine. Siehst du doch. Los jetzt, nochmal hab ich gesagt."
Genervt sah ich auf mein Vokabelheft. Ich kann es zumindest lesen. "Muss ich wirklich? Ich kann das Lesen."
Er sah mich eindringlich an und nickte langsam, was mir ein wenig Angst machte. "Ja, musst du. Jetzt."
Das hört sich irgendwie an wie eine Drohung. Außerdem gefällt mir dieser Blick nicht, er schien mich Ohrfeigen zu wollen. Aua...
Dieses Mal etwas langsamer schrieb ich also die Vokabeln ab. Hat ja doch keinen Sinn, mich zu beeilen, wenn er sie nicht lesen kann muss ich sie nochmal abschreiben.
Dieses Mal war das Ergebnis besser. Ich gab ihm mein Heft und er sah drüber. "Siehst du? Geht doch. Natürlich geht's noch schöner, aber das soll mir für den Moment reichen."
Dann blickte er auf und grinste mich an. "So und weil du sie jetzt zweimal abgeschrieben hast, kannst du sie bestimmt auch schon auswendig."
Er nahm mein Englischbuch und klappte es zu.
Verdammt, ich hätte die Vokabeln lesen und nicht nur abschreiben sollen...
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