-10 Monate und 21 Tage vor Mark Pracks Entlassung-
Die Party war in vollem Gange.
Marlene tanzte mit Nicole, ihrer besten Freundin auf der Tanzfläche.
Ein angenehmer Schwindel der leichten Trunkenheit erfüllte ihren Kopf.
Die Tränen auf ihren Wangen waren getrocknet, die Tatsache, dass sie ihren Freund, Mark, vor die Türe gesetzt hatte, in weite Ferne gerückt.
Mark hatte sie betrogen.
Mit der Anderen.
Sie wusste nicht wie die Andere hieß, aber sehr wohl, wie sie aussah:
Groß, schlank, platinblonde Haare und aufgespritzte Lippen.
Sie studierte Medizin.
"Ich hole mir noch was zu trinken.", brüllte Marlene gegen den Bass an. Nicole nickte und prostete ihr mit ihrer halb leeren Bierflasche zu.
Zwischen warmen Körpern hindurch, schob sich die Jurastudentin auf die Bar zu.
Bloß nicht nüchtern werden.
Wenn sie nüchtern wurde, würde sie nur nachdenken.
Über Mark.
Die Tränen waren schon wieder da.
Verdammt.
Sie brauchte Shots.
Marlene schob sich an einem jungen Mann mit roten Locken vorbei an die Bar.
Die Musik dröhnte in ihren Ohren.
Die Oberfläche der Bar glänzte schmutzig.
Und da stand er.
Mark.
Er war hier.
Wie konnte er es wagen hier zu sein?
Nachdem er sie so verletzt hatte!
Auf der Stelle machte Marlene kehrt und wollte wieder zwischen den Menschen verschwinden.
Eine Hand legte sich um ihr Handgelenk.
Fest.
Sie konnte nicht weg.
Sie wollte weg.
Sie blieb stehen.
"Hey, Baby, mein Püppchen warte doch! Ich will doch nur reden!", durchbrach Marks Stimme mühelos den Lärm. Die Finger gruben sich tiefer in ihr Handgelenk.
Fingernägel bohrten sich in ihre Haut, gerade so ohne sie zu durchstoßen.
Es schmerzte.
Sie konnte nicht weg.
Mark war bessen vom Fitnessstudio.
Seit sein Gap-Year nach der Schule außer Kontrolle geraten war, und er, trotz seinen ständigen Beteuerungen bald anzufangen, Jahr um Jahr sein Studium hinauszögerte, lebte er praktisch dort.
Nicht dass er das Studium oder einen Beruf nötig gehabt hätte.
Er war stark und reich, seine Großmutter hatte ihm all ihr Vermögen vermacht.
Und, obwohl er arbeitslos und zweifelsohne faul war, war er charmant.
Marlene hatte ihm fast nie einen Wunsch ausschlagen können.
Niemand konnte das. Und das machte ihn ja gerade so scheußlich.
Sie seufzte und gab ihren Widerstand auf.
"Na gut, aber nur kurz.", schrie sie den dröhnenden Bässen entgegen.
"Na geht doch, Süße. Willst du was trinken?", frohlockte er und führte sie mit einer Bestimmtheit, die an Gewalt grenzte, von der Bar fort.
"Natürlich willst du was trinken.", beantwortet Mark grinsend seine eigene Frage und rammte ihr ein Shotglas mit einer klaren Flüssigkeit in die Hand.
Das war kein Angebot, sondern eine Aufforderung.
Mark machte keine Angebote. Mark bat um nichts. Mark forderte.
"Was ist das?", fragte sie vorsichtig. Mark hatte schon öfters selbst Schnaps gebrannt und er schmeckte immer schäbig.
Ganz bestimmt war das ganze auch hochgradig illegal. Da ließ sich eine Jurastudentin doch nicht reinziehen! Schönen Dank auch!
"Vodka, von der Bar, Baby. Komm schon, lass uns reden. Das mit Thea, das war gar nichts. Ich hab' nur mit ihr trainiert, weißt du? Ich überlege auf Personal-Trainer zu machen, weißt du?"
Er zog sie weiter durch die Menge.
Marlene spürte den Hass, der in ihr hochkroch.
Thea, also.
Die Andere hieß Thea.
Eine heiße Wut kochte in ihrer Brust nach oben.
Alle Vorsicht war vergessen.
Bevor sie noch etwas unüberlegtes sagte, kippte sie den Shot.
Irgendwie schmeckte das Zeug seifig.
Der Geschmack klammerte sich an ihre Zunge und füllte ihren ganzen Mund.
Es war wiederwertig.
Garantiert war es schon wieder Schwarzgebranntes.
Er log.
Er log immer.
Ein dreckiger, dreckiger Lügner war er!
"Du lügst. Ich habe euch gesehen. Ihr habt euch geküsst. Und ich habe die Nachricht gesehen, die sie dir geschickt hat. Glaubst du, ich merke es nicht, wenn du bei ihren SMS immer grinst, wie so ein Idiot! Eine Trainingspartnerin würde wohl kaum mit dir über deinen Schwanz schreiben! Oh, und wenn wir schon dabei sind: ich will meine verdammten Handtücher wieder, du Wichser!"
Mark lachte nur und zog sie durch eine Tür.
Komisch.
Normalerweise wurde er wütend, wenn man ihn beleidigte.
Sie standen in der Herrentoilette.
"Mark, was machen wir hier?", fragte sie.
Ihre Stimme klang seltsam.
Schief und zittrig.
Plötzlich begann sich der Raum zu drehen.
Sie strauchelte.
Hatte sie wirklich so viel getrunken?
"Sex.", antwortete Mark knapp.
"Mark nein, ich will nicht. Du hast mich betrogen. Ich will gehen.", lallte Marlene und stolperte auf die Türe zu.
Sie war doch gerade noch nicht so dicht gewesen.
Was passierte bloß mit ihr?
Ihre Gedanken waren wie in Watte gepackt.
Die Andere trat neben Mark.
"Halt die Fresse, Schlampe!", fauchte sie.
Mark lachte.
"Simon, halt die Türe zu.", befahl er.
"Aber..."
"Kein aber, man!", fauchte Mark.
Und dann, ganz sanft.
"Hol sie dir, Baby.",
Die Andere, Thea, kicherte.
"Ich fühle mich nicht so gut, ich will gehen.", murmelte Marlene.
"Schon klar, auf den Boden mit dir.", zischte Mark und zog seine Hose nach unten.
"Ja, auf den Boden, Schlampe!", kreischte Thea.
Marlene brach zusammen.
Und dann wurde die Welt schwarz.
Als sie wieder aufwachte, war da nur noch Schmerz.
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