Kapitel 22- Ben
Benjamin p.o.v
Ich fühlte mich wie beflügelt, als ich am nächsten Morgen aufwachte und aufstand. Vorsichtig betastete ich meine Lippen mit den Fingern, am liebsten würde ich sie nicht wieder waschen. Ob das Kissen nach ihm roch? Ich testete und als es wirklich nach ihm roch, zog ich es an mich und sog den Geruch ein.
Was jetzt wohl in ihm vorging? Er musste verwirrt sein, denn gefallen hatte es ihm offensichtlich. Ob ich es mir jetzt erlauben konnte, mir Hoffnumgen zu machen. Vielleicht wollte er einfach nur testen, wie es war einen Jungen zu küssen. Doch daran wollte ich gar nicht denken. Schnell zog ich mich an und hatte blitzschnell mein Frühstück herunter geschlungen. Es war wohl das erste Mal seit Jahren, dass ich so motiviert und fröhlich und vorallem wach in die Schule ging.
Das änderte sich, als ich auf den Schulhof trat und sah, wie Noan von einem Mädchen angeschrien wurde. Er wehrte sich nicht, sondern stand einfach nur still da. Die Kappe tief ins Gesicht gezogen, mit entspannter Körperhaltung. Wie konnte er sowas über sich ergehen lassen? Er war Noan Harper und Noan Harper, ließ sich so etwas nicht gefallen.
Ich ging näher heran, um mitzubekommen, worüber sich das Mädchen aufregte. Als sie ihn beleidigte, reichte es mir. Wutschnaubend ging ich auf die beiden zu und stellte mich zwischen sie.
„Würdest du bitte aufhören ihn anzuschreien?”, fragte ich sie mit möglochst ruhiger Stimme. Niemand tat meinem Noan weh. Doch ich musste mich zurecht weisen, denn auch wenn wir uns geküsst hatten, war er nicht mein Noan. Trotzdem war es Noan und ich wollte ihn verteidigen. Er hatte bestimmt nichts schlimmes getan.
„Was geht dich das an?”, keifte sie mich energisch und wollte mich beiseite schieben, doch blieb ich standhaft.
„Mich geht das eine Menge an”, brummte ich genervt und war immer noch darauf bedacht, nicht zu explodieren. Was erlaubte sie sich?
„Er hat mich betrogen, mit irgendeiner anderen Bitch. Ich darf ausrasten und ihn anschreien”, kreischte sie mit ihrer hohen Stimme und ich hoffte mein Trommelfell platzte nicht. Sowas hatte ich schon erwartet, doch es tatsächlich zu hören, rammte mir einen Splitter ins Herz.
„Er hat das getan, weil er dich nicht liebt und nie geliebt hat. Er hat dich benutzt, um an deinen Körper heranzukommen, das war alles!”
Ihr Gesichtsausdruck wurde zu einer kalten Maske. „Danke, du Schwuchtel! Aber das wusste ich. Nur habe ich gedacht, er würde während er mich benutzt, es nicht noch mit einer anderen treiben.”
„Du hättest vorher wissen sollen, worauf du dich einlässt”, fauchte ich zurück und ihre Augenbrauen zuckten spöttisch in die Höhe.
„Weißt du das denn auch?”, fragte sie mich hämisch und als mich meine Miene verriet, verzog sie ihr Gesicht zu einer hämischen Miene.
„Siehst du!”, zischte sie dann und ich stammelte sofort: „wir haben nichts miteinander!”
Sie lachte auf und stützte ihre Hände auf ihrer Hüfte ab. „Ja ist klar”, fauchte sie ironisch und fügte süffisant hinzu: „dann sollte es dich ja auch nicht stören, wenn ich dir erzähle, dass ich mich gestern Abend von ihm habe ausnutzen lassen.”
Das rammte mir den Splitter noch tiefer ins Herz und mein Mut fiel in sich zusammen. Ob das stimmte? Gestern abend? Nachdem er bei mir gewesen war? Und mich geküsst hatte?
Augenblicklich drehte ich mich zu ihm um und als er mich stumm anstarrte, ohne ein bisschen Reue zu zeigen, fühlte ich mich, als würde mir jemand immer mehr und mehr Splitter ins Herz zu werfen, sodass es an der offensichtlichen Wahrheit zerbrach. Er schien irgendwie überrascht, doch wiedersprach er ihr nicht.
Enttäuscht blickte ich ihn an und wusste nicht, was ich sagen wollte. Ich spürte, wie das Gefühl in mir aufstieg, heulen zu wollen und ich blinzelte die Tränen weg.
Ich warf noch einen flüchtigen Blick auf das fremde Mädchen, die mich triumphierend anlächelte und wandte mich ab, um mich wortlos zum Schulgebäude zu begeben. Bis zur ersten Jungstoilette schaffte ich es, bevor ich zusammenbrach. Mein Herz war zerbrochen und ich schlug ich mich selbst dafür, dass ich mir Hoffnungen gemacht hatte.
Ich schloss mich in der ersten freien Kabine ein, die ich finden konnte und lehnte mich an die Tür. Meine Knie sackten ein. Alle Gefühle brachen über mich hinein. Der Hass auf Noan, weil er mich zurück geküsst hatte. Der Ärger über mich, dass ich mir etwas eingebildet habe, was gar nicht vorhanden war. Das Schamgefühl, die zerplatzten Hoffnungen und die Angst. All das stürzte über mich hinein und warf mich auf den Boden.
Die Tränen benässten meine Wange und Schluchzer erschütterten mich. Warum? Hatte er das von Anfang an geplant? Einfach, um mich zu verletzen? Eine weitere Idee von Alex, um mich zu peinigen? Wusste er von meiner Liebe zu ihm? Jetzt: Auf jeden Fall? Konnte er so bösartig sein?
Weitere Schluchzer erschütterten mich und ich dachte an das, was er nach unserem Kuss gesagt hatte: „so viel habe ich während eines Kusses noch nie gefühlt.”
War das auch eine Lüge gewesen? Konnte er so gut lügen? Waren die kleinen Berührungen auch nur dafür da gewesen, mich nur noch mehr zu verletzen?
Ich zog die Knie an meinen Oberkörper und ließ mein Kopf erschöpft sinken. Meine Euphorie von heute morgen war verschwunden und am liebsten wollte ich wieder nach Hause gehen. Doch das ging nicht. Denn meine Mum war heute nicht an der Arbeit und sie würde mich gleich wieder zurück schicken.
Aber vielleicht konnte ich zu Meg, dachte ich und zog mit zitternden Händen mein Handy aus der Jackentasche.
Meine Tränen versiegten und ich fühlte mich irgendwie ausgetrocknet, leer und unausgefüllt. Obwohl ich mein Handy gestern Abend nicht angesteckt hatte, lief es noch und ich brauchte nur meinen Pin einzugeben. Komischerweise war ich direkt auf dem Album und auf dem Ordner 'Kamera'.
Es tauchte ein Video von gestern Abend auf und ich war mich nicht sicher, ob ich darauf tippen sollte. Doch ich tat es und sofort erschien mein schlafendes Gesicht auf dem Bildschirm. Eine große Hand, die nur Noans sein konnte, strich mir sanft durch die Haare und sang leise vor sich hin. Es war ein Schlaflied und trotz meiner Traurigkeit, die mich erfüllte, konnte ich ein schwaches Lächeln nicht unterdrücken. Er ging so anders mit mir um, als er mit anderen Menschen umging. So viel sanfter, dass konnte doch nicht gespielt sein.
„Warum wirfst du meine Welt so durcheinander?”, hörte man seine Stimme, die so zerbrechlich klang, wie ich sie noch nie gehört hatte. „Wie schaffst du das Benni. Wie?”, fragte er und das Video brach ab.
Stumm starrte ich auf den Display und realisierte was gerade passierte. Das Video verwirrte mich so sehr. Denn konnte man so etwas spielen? Ganz bestimmt nicht und dazu war er schon immer ein mieser Schauspieler gewesen. Ich startete das Video erneut, um seine Worte noch einmal zu hören.
„Warum wirfst du meine Welt durcheinander?”
Ich spulte zurück und hörte es mir noch einmal an.
„Warum wirfst du meine Welt durcheinander?”
Wie oft ich es mir noch angehört hatte, wusste ich nicht. Ich fragte mich nur, was das zu bedeuten hatte. Die logische Schlussfolgerung war, dass er doch etwas für mich empfand. Aber warum war er dann nach unserem Treffen zu diesem Mädchen gegangen? Warum hatte er mich für sie allein gelassen?
War er verwirrt, da er sich immer für Mädchen interessiert hatte und jetzt ein Junge ihm den Kopf verdrehte. Hoffnung keimte in mir auf, denn vielleicht war er ja Pansexuell?
Schnell machte ich mein Handy aus und packte es weg. Keine Hoffnungen mehr. Dann würde ich nur verletzt werden.
Ich wischte mit meinem Pulli über meine Wangen, um sie zu trocknen und schaute auf die Uhr. Es war schon zu spät für die erste Stunde, aber die zweite würde ich noch schaffen.
Ein Blick in den Spiegel zeigte mir die Folgen meines Weinkrampfes. Die Haut um meine Augen war gerötet und auch meine Nase war rot. Die Augen geschwollen und die Haare zerstört. Ich spritzte mir kaltes Wasser ins Gesicht und trocknete es mit den Tüchern, die neben dem Waschbecken lagen.
Kurz schloss ich die Augen und fasste einen Entschluss. Ich würde mich nicht klein kriegen lassen. Auf meinem Stundenplan stand Kunst und auch wenn Noan in diesem Kurs war, würd emich das nicht kümmern und ich würde ihn einfach ignorieren.
Denn ich wollte zwar Licht in die ganze Sache bringen, aber einen weiteren Zusammenbruch konnte ich mir nicht erlauben.
Ein letzter, prüfender Blick in den Spiegel und ich konnte gehen. Meine Augen waren abgeschwollen und das rot war nur noch wenig zu sehen.
Ich schniefte, da meine Nase noch lief, schmiss die Tücher in den Müll und trat zurück auf den Flur.
Mein Kunstlehrer schaute mich schief an, als ich erst zur zweiten Stunde in seinen Unterricht platzte, doch murmelte ich etwas von Verschlafen und er nickte, bevor er sich wieder einem Schüler zuwandte.
Als ich Noan auf dem Platz neben mir entdeckte, stockte ich. Er saß dort scheinbar so unbekümmert und zeichnete konzentriert. Mein Herz zog sich zusammen und ich musste all meine Selbstbeherrschung nehmen, damit ich nicht wieder umdrehte. Langsam ging ich auf meinen Platz zu und ließ mich darauf nieder. Neugierig hob er den Kopf und als er mich ansah schien es, als wolle er etwas sagen. Doch ich wand den Blick ab und holte einfach meine Sachen heraus, um anzufangen. Ich hatte einen Plan und musste ihn durchziehen.
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