Wiedersehen
Ihre Beine zitterten und sie keuchte. Ihr Atem ging schwer und sie sah kleine Sternchen tanzen vor ihren Augen, während sie sich anlehnte, an die starke Brust hinter ihr. Die Brust, die dem Mann gehörte, der ihr gerade den besten Orgasmus der Welt geschenkt hatte. Verdammt war das Gut gewesen. Ihr Kopf war völlig befreit und leer. Sie dachte an nichts außer an die Befriedigung die sie gerade bekommen hatte. Vielleicht war das der Grund, warum sie sich nicht wehrte, als Thiago ihr über dem Arm strich und sanfte Küsse auf ihrer Schulter verteilte.
Dir hat das gefallen hm?" flüsterte er ihr ins Ohr, was bei Keira erneut eine sanfte Gänsehaut auslöste. Alles was sie tun konnte war zu nicken, denn sie war nicht nur peinlich berührt, sondern auch unfassbar müde. Der Mord, das weinen und... der Orgasmus hatten ihr ganz schön zugesetzt. Morgen würde sie darüber nachdenken, doch jetzt wollte sie nur schlafen. Einfach nur schlafen...
Thiago schien zu merken, dass sie müde war, denn er legte die Arme um sie und hauchte ein leises Gute Nacht Prinzessin", bevor Keira die Augen zufielen und sie ins Land der Träume verschwand. Was danach passierte, wusste sie nicht, doch am nächsten morgen wachte sie in ihrem Bett auf. Allein. War das vielleicht alles nur ein Traum gewesen? Hatte sie sich nur eingebildet, dass er gestern in ihr Zimmer gekommen war und... sofort legte sich ein Schleier der Röte über Keiras Wangen und sie vergrub ihr Gesicht in ihrem Kissen. Oh Gott. Sie hatte ihn... Thiago hatte sie... und was wenn sie das nur geträumt hatte? Bedeutete das dann, dass sie sich das eigentlich wünschte?
Nach einer Viertelstunde des Grübelns und Nachdenkens, war sie dann endlich bereit aus dem Bett aufzustehen. Kurz sah die braunhaarige auf ihr Handy. 11:23. Hatte sie so lange durchgeschlafen? Eigentlich stand sie spätestens um 9 Uhr auf, doch scheinbar war sie wirklich erschöpft gewesen. Von was ist die Frage. Nur vom weinen oder...
Am liebsten wäre sie einfach in ihrem Zimmer geblieben. Die Gefahr, dass sie Thiago über den Weg lief, war einfach viel zu groß. Was würde passieren? Würde er sie darauf ansprechen? Sollte sie ihn fragen? Oh Gott nein. Nein. Niemals. Wie hatte sie sowas nur zulassen können? Er erpresste sie und hielt ihren Bruder gefangen. Scheisse. Was würde Sebastian dazu sagen? Keira hatte sich von Thiago berühren lassen oder zumindest davon geträumt. Das war doch krank. Sie war eine Mörderin, Verräterin und Hure...
Noch etwa eine halbe Stunde saß sie auf ihrem Bett, bis sie sich entschied, dass sie endlich etwas essen musste. Es brachte ja nichts den ganzen Tag hier zu bleiben. Sie musste etwas essen und dann hier raus. Oh Gott seit Tagen war sie nicht bei der Arbeit gewesen. Erneut sah sie braunhaarige auf ihr Handy, welches sie bereits vor zwei Tagen in den Flugmodus gemacht hatte. Die Schuldgefühle gegenüber ihren Freunden und Familie war einfach zu groß gewesen. Sie hatte keine Kraft gehabt mit jemandem zu reden oder überhaupt zu sehen, wie alle wissen wollten was los ist.
Was ist los mit dir?!". Wo bist du?!". Gehts dir gut?!". Hunderte solcher Nachrichten tauchten auf Keiras Handy auf und sie spürte sofort ein stechen in ihrer Brust. Sie alle machten sich so unfassbar Sorgen um sie. Was wenn einer von ihnen die Polizei gerufen hatte? Dann würde sicher rauskommen, was sie getan hatte. Panisch ging Keira alle Nachrichten durch, doch keine davon sagte etwas über die Polizei. Das war gut, richtig? Trotzdem musste sie schleunigst etwas antworten, oder bald würde tatsächlich jemand die Polizei rufen.
Mach dir keine Sorgen. Ich bin für ein paar Tage weggefahren. Ich musste einfach mal raus hier. Bald bin ich wieder da". Solche Nachrichten schickte sie an jede Person, die sich sorgen gemacht hatte. Jede Person, bis auf Marie. Sie hatte sich wohl die größten Sorgen gemacht und so eine Nachricht würde bei ihr garantiert nicht ziehen. Sie musste ihr erklären, was los war. Natürlich nicht die echte Geschichte. Keira würde etwas erfinden.
Sie wählte die Nummer von Marie und hielt ihr Handy ans Ohr, als sie ihr Zimmer verließ. Es klingelte einige Male und dann hörte sie auch schon die aufgeregte Stimme ihrer Freundin. Keira! Gehts dir gut? Um Himmels Willen, wo warst du? Ist etwas passiert? Wo bist du?" Platze es aus der Blondine förmlich heraus. Man, sie hatte sich wirklich Sorgen gemacht. Irgendwas in dem letzten Teil ihres Herzen, der nicht zerbrochen war, schmerzte. Es schmerzte sehr sie anlügen zu müssen, doch es war das beste.
Es tut mir leid Marie. Ich... ich hatte einen Totalen burnout. Ich bin zu einem alten Freund gefahren und Sebastian ist auch dabei. Wir beide brauchten mal etwas Ruhe und... er hält mich davon ab es wieder zu tun, weißt du?" meinte sie leise und versuchte so depressiv wie möglich zu klingen, was angesichts ihrer Lage nicht sehr schwer war. Dennoch fühlte es sich eklig an diese Sache zu benutzen um Marie zu manipulieren. Sie hatte das mit ihr durchgestanden und nun log Keira sie an. Das hatte sie wirklich nicht verdient.
"Warum sagst du mir nichts? Ich musste lügen und sagen, dass du dich schlimm erkältet hast, damit du nicht gefeuert wirst..." erklärte Marie ihr mit betrübter Stimme. Es war offensichtlich, dass es sie verletzte, dass Keira ihr nichts gesagt hatte. Doch es war einfach nicht möglich gewesen. Sie hatte die Kraft nicht gehabt ihr ins Gesicht zu lügen.
"Ich weiß, es tut mit leid" hauchte sie, als sie gerade die Treppe hinunterlief. Sie bog ab in die Küche, als die Braunhaarige genau den Mann sah, dem sie heute nicht begegnen wollte. Da stand er, lehnte am Küchentresen, mit einem Kaffee in der linken Hand und einer Zeitung in der anderen. Thiagos dunkle Augen waren ganz auf das Blatt Papier gerichtet und er schien komplett darauf fokussiert zu sein. Warum lass er die Zeitung?
"Wann bist du wieder da hab ich gefragt" wiederholte die Stimme am Telefon erneut. "Keira, hörst du mir überhaupt zu?" fragte sie erneut. Fuck. Wie lange hatte sie ihn angestarrt? Gerade wollte sie antworten, da blickte Thiago von der Zeitung auf. Direkt in ihre Augen. Ihre Blicke trafen sich und sofort war da wieder diese Spannung. Die Spannung, die seit gestern Abend da war und die so viele ungesagte Dinge beinhaltete. Oh Gott. Wie sollte sie sich je wieder in seiner Gegenwart konzentrieren können? Geschweige denn mit all den Schuldgefühlen fertig werden?
"Keira!" riss sie Stimme endlich aus ihren Gedanken. "J-ja? Tut mir leid, ähm..." fieberhaft suchte Keira nach einer Ausrede, während Thiagos langsam über ihren Körper wanderte. Das war kein Traum. Nein, er hatte sie wirklich so berührt und nun zog er sie förmlich mit ihren Blicken aus. Verdammte scheiße. Keira biss sich auf die Unterlippe und sah peinlich berührt auf den Boden.
"Sebastian braucht mich Marie. Tut mir wirklich leid, wir reden umm ein andermal" meinte sie, bevor Keira auflegte und nun ganz in die Küche trat. Sie hatte wirklich Hunger und konnte es sich eben einfach nicht leisten jetzt wieder umzudrehen. Thiago beobachtete sie immer noch mit hungrigen Augen und stellte dann auf einmal die Kaffeetasse auf den Tresen. Was hatte er vor?
"Sieh mal an, du bist so gut, dass die immer noch keinen Hinweis haben" meinte er rau und kam auf sie zu. Keira stand mit dem Rücken zur Wand und konnte den Blick nicht abwenden. Das enge Shirt ließ ihn noch besser aussehen und das sanfte Kribbeln zwischen ihren Beinen zeigte ganz klar, dass sie definitiv diese Spannung zwischen den beiden spürte.
Langsam kam er ihr immer näher und mit jedem Schritt schlug ihr Herz immer schneller. Verdammt, wie machte er das nur? Wie konnte er all das in Keira auslösen und dabei trotzdem so ein Arschloch sein? Ihre Gefühle waren so durcheinander und sie hatte keine Ahnung, wie sie mit all dem umgehen sollte.
"Was denn? Mach ich dich nervös Prinzessin?" meinte Thiago mit einem frechen Grinsen auf den Lippen. Dann stand er auch schon vor ihr. Sie konnte den Duft von Regenwald und Schießpulver riechen, was ihr Herz noch schneller schlagen ließ. Verdammt. Verdammt. Verdammt.
"N-nein, absolut nicht. Du bist ein Arsch" antwortete sie und versuchte dabei bissig zu klingen, doch Keira klang eher wie eine verliebte Teenagerin, die es nicht zugeben wollte. Verdammte scheiße, wie konnte das nur passieren?
Plötzlich war eine seiner Hände schon an ihrer Hüfte. Die andere war über ihrem Kopf und sein Gesicht war nah an ihrem. Sie konnte seinen warmen Atem auf ihren Lippen spüren. Würde er sie jetzt küssen? Hier und jetzt? Doch er tat es nicht. Stattdessen sah er Keira nur tief in die Augen. Thiagos Blick war suchend und auffordernd zugleich. Was wollte er von ihr?
Gerade wollte Keira etwas sagen, da spürte sie auf einmal seinen heißen Atem auf ihrem Hals. Ohne, dass sie es kontrollieren konnte, drückte sich ihr Rücken leicht durch und sie bekam eine Gänsehaut. Ohne das sie es wollte, hatte dieser Mann die volle Kontrolle über sie. Ja, er hatte sie in der Hand mit ihrem Bruder, doch auch ihr Körper schien ihm zu gehorchen. Warum?
"Ich bin also ein Arsch? Und trotzdem hast du gestern Abend meinen Namen gestöhnt kleines.." hauchte Thiago ihr ins Ohr und seine Lippen strichen sanft über ihre Haut. Es war eine kleine Liebkosungen, die in Keira ein brennendes Verlangen auslösten, dass sie nicht unterdrücken konnte, auch wenn sie es wollte. Dennoch, würde sie nicht so leicht klein bei geben, egal was er mit ihr tat. Das war sie ihrem Bruder schuldig.
"Du hast meine Verletzlichkeit einfach so ausgenutzt, du verdammter Arsch" fuhr Keira ihn an. Ihre Stimme war wieder etwas fester geworden, obwohl ihr Körper immer noch in Flammen zu stehen schien. "Du hast immer noch meinen Bruder entführt und zwingst mich d-dazu... dazu..." sie hatte selbstbewusst geklungen, doch mitten im Satz brach ihre Stimme einfach ab. Sie konnte es immer noch kaum aussprechen. Es löste immer noch Ekel in Keira aus, wenn sie darüber nachdachte, was sie getan hatte. Sie, eine Mörderin.
"Wo ist mein Bruder?" fragte Keira dann plötzlich mit leiser Stimme. Thiago schien mit dieser Frage nicht gerechnet zu haben, denn er wich ein Stück zurück. Nun konnte er ihr wieder in die Augen sehen. Vermutlich sah sie aus, wie ein Löwenjunges, dass versucht einen anderen anzubrüllen, doch dabei kläglich versagt. Dennoch schien Thiago sie ernst zu nehmen. Sein Blick war nun direkt auf Keiras Augen gerichtet und er sah aus, als würde er überlegen, was er darauf antworten sollte.
"Was bringt es dir das zu wissen? Es geht ihm gut Keira" antwortete der Engländer ihr mit einer Gegenfrage. Doch das war nicht mal das, was sie überraschte. Eher der Fakt, dass Thiago sie bei ihrem Namen nannte. Sonst tat er das nie. Meinte er es vielleicht tatsächlich ernst?
"Bring mich zu ihm. Ich will ihn sehen. Warum sollte ich dir glauben, dass es ihm gut geht? Du bist ein Lügner und Mörder" warf die braunhaarige ihm vor, während sie ihm stur in die Augen sah. Würde Thiago ihr das durchgehen lassen? Sie konnte sein Gesicht nicht ganz deuten, weshalb sie ihn einfach stumm ansah. Dann plötzlich seufzte er und fuhr sich mit der Hand, die an ihrer Hüfte gewesen war, durch das dunkle Haar. Er schien mit sich zu ringen. In diesem Moment wirkte er so... verletzlich und menschlich.
"Okay. Iss was und dann zieh dich um, wir fahren in einer Stunde. Du wirst allerdings die Augen verbunden haben, damit du nicht siehst, wo wir hinfahren, okay Prinzessin?" schlug Thiago ihr vor und sah ihr tief in die Augen. Keira jedoch war zu geschockt um etwas erwidern zu können. Es würde passieren.
Sie würde ihren Bruder wiedersehen.
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