7
Am nächsten Morgen wacht Storm als erstes auf. Die Freunde hatten sich gestern noch Decken hinausgeholt und da es sowieso tiefster Sommer ist, dachten sie sich, sie könnten draußen schlafen. Immerhin war es gestern noch sehr spät geworden. Nur die beiden Väter sind früher gegangen, denn sie mussten heute wieder ihren Pflichten nachgehen. Storm dreht sich noch einmal um, als Lians Katze ihr über den Bauch läuft. Sie beginnt den kleinen Kater zu streicheln und sich danach aus dem Schlafsack zu krümeln.
„Hast du Hunger?", flüstert sie leise, um die anderen nicht zu wecken. Der Kater maunzt fröhlich und läuft ihr nach. Storm weiß inzwischen, wo das Futter steht und gibt ihm ein bisschen was. Danach lässt sie ihn in Ruhe und macht sich auf den Weg zu den Schafen. Die anderen schlafen alle noch tief und fest.
„Was geht?", ruft sie fröhlich in die Menge hinein. Die Schafe blöken zurück.
„Ich gebe euch nun euer Futter, denn euer Hirte schläft noch tief und fest", grinst sie die Schafe an.
„Hey, ich bin doch hier", begrüßt sie Lian. Sie hat sich zu Tode erschreckt, denn sie hat in keinster Weise mit ihm gerechnet.
„Ich hab dich wegschleichen gehört", erklärt er ihr.
„Oh", sagt sie.
„Du kannst die Schafe gerne füttern. Ich lehne mich zurück", grinst er sie an und legt sich mit seinem Buch ins Gras. Aus irgendeinem Grund hat Lian immer und überall ein Buch dabei, selbst wenn er keinen Schlüssel und kein Handy dabei hatte, ein Buch war bei ihm trotzdem zu finden. Lian sitzt nun im tiefen Gras und Storm verschwindet im Stall. Danach kommt sie erst einmal nicht wieder hinaus, denn sie scheint das kleine Lamm zuerst zu füttern. Lian macht sich nach ein paar Minuten auf den Weg in den Stall, denn er kann die anderen Schafe schließlich nicht verhungern lassen.
„Willst du die anderen verhungern lassen? Die brauchen auch Futter", grinst er sie an. Sie schrickt schon wieder hoch, denn auch dieses Mal dachte sie, er würde im Gras liegen bleiben.
„Aber sie ist doch so süß, ich kann ihr einfach nicht wiederstehen", erklärt Storm ihm. Dann reicht sie ihm den Futtereimer, den sie schon neben sich stehen hat. Dabei berühren sich ihre Hände und in diesem Moment kommen all die stürmischen Gefühle in Lian wieder hoch. Schnell nimmt er den Eimer und verschwindet, bevor sie die aufsteigende Hitze bemerkt. Danach füttert er friedlich und einsam die Schafe, um seinen Puls wieder zu beruhigen.
„Lian?", fragt auf einmal Storm hinter ihm, die sich dieses Mal angeschlichen hat und er nun zusammen fährt.
„Tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken", erklärt sie.
„Alles gut", sagt er und nimmt den leeren Futtereimer nun wieder in die Hände, um ihn im Stall wieder aufzufüllen.
„Ich wollte mit dir reden", sagt sie, während sie neben ihm her läuft.
„Warum denn?", fragt er und schüttet den Eimer wieder voller Futter, um ihn schließlich außer Reichweite der Schafe abzustellen.
„Ich finde, dass ich mich scheiße benommen habe. Wir waren zerstritten und ich finde nicht, dass wir einfach so wieder tun sollten, als wenn nichts gewesen wäre", stottert sie vor sich her.
„Okay, aber es ist doch alles gut?", fragt er.
„Ist es das?", fragt sie.
„Von meiner Seite aus auf jeden Fall. Ich wollte mich bei dir entschuldigen, allerdings brauchtest du Zeit. Die habe ich dir gegeben", erklärt er.
„Ich wollte mich bei dir entschuldigen", erklärt sie ihm.
„Weshalb?", fragt er.
„Ich habe mich bescheuert verhalten", erklärt sie ihm. „Ich weiß doch, wie du das mit dem Schaf gemeint hattest. Ich habe überreagiert und es tut mir Leid", erklärt sie.
„Entschuldigung angenommen", grinst er sie an und will ihr die Hand geben.
„Blödmann", grinst sie und zieht ihn zu einer Umarmung heran. Blitzartig steigt sein Puls wieder in die Höhe und er will sich schnell aus der Umarmung winden, damit sie nicht bemerken kann, wie schnell sein Herz rast, doch sie lässt ihn nicht los.
„Danke", sagt sie dann.
„Wofür ist das denn jetzt wieder?", lacht er unsicher.
„Für meine Geburtstagsparty. Ich hätte nicht gedacht, dass ich an meinem Geburtstag mal so feiern kann und glücklich bin. Es war das perfekte Maß irgendwie. Trotzdem möchte ich nächstes Jahr lieber keine Feier. Ich war jetzt gar nicht an Mamas Grab", erklärt sie ihm. Inzwischen sitzen die beiden nebeneinander auf einem Heuhaufen.
„Sollen wir das heute machen?", fragt Lian verständnisvoll.
„Wir müssen jetzt mal zurück zu den anderen, bevor sie merken, dass wir weg sind", weicht sie seiner Frage aus. Er steht auf und zieht sie vom Heuhaufen hoch. Die beiden laufen über die Weide zurück zu Lian. Als sie ankommen sind die anderen auch gerade dabei, aufzustehen.
„Seid ihr verrückt?", fragt Elio. „Weshalb seit ihr denn schon wach?"
„Haben die Schafe gefüttert", freut sich Storm.
„Ich habe Hunger", motzt Stean.
„Der ist morgens echt nicht auszuhalten", erklärt Marzia ihren Freunden.
„Ich kann Frühstück holen gehen", erklärt sie den anderen.
„Wir haben doch bestimmt auch etwas Zuhause", versucht Lian sich einzumischen.
„Meinst du, dass reicht für uns alle?", fragt sie lachend.
„Naja, ich habe Müsli und Toast", erklärt er.
„Ich finde, wir sollten ein richtig feierliches Frühstück herzaubern. Wann ergibt sich schon einmal die Gelegenheit?", fragt Marzia. Alle sind einverstanden und sie vereinbaren, sich in einer halben Stunde wieder hier zu treffen, um gemeinsam zu essen. Storm will Eier aus dem Stall besorgen, Marzia will mit Stean zum Laden gehen und Lenne und Elio wollen an irgendeinem Baum in der Nähe Orangen pflücken oder Äpfel. Jedenfalls irgendwelche Früchte, aus denen sie Saft pressen wollen. Lian soll inzwischen den Tisch decken und alles gemütlich herrichten. Storm ist als erste wieder zurück und hat einen ganzen Korb voller Eier in der Hand.
„Wo sollen die hin?", fragt sie Lian, der beinahe einen Teller fallen lässt, als er sie sieht. Sie hat sich inzwischen umgezogen und sieht atemberaubend aus.
„Du siehst schön aus", erklärt er ihr und muss den Mund wieder schließen, bevor sie sein Erstaunen bemerkt.
„Wir besuchen doch schließlich heute meine Mama", lächelt sie ihn an.
„Es steht dir jedenfalls", sagt er noch einmal und zeigt dann auf den Tisch, um zu demonstrieren, wo sie die Eier abstellen soll. Danach kommen auch Lenne und Elio mit tausenden Äpfeln zurück.
„Hast du eine Pressmaschine?", fragen die beiden grinsend.
„Ich glaube drinnen", sagt Lian und die beiden sind schon wieder verschwunden. Als letztes kommt Marzia mit Stean wieder. Die beiden haben wirklich ein Festmahl eingekauft und decken alles auf. Danach kommen auch Lenne und Elio zurück, die inzwischen den Saft pressen. Am Ende sitzen sie alle am Tisch und fallen über das Essen her. Es gibt Croissants und Brötchen, tausende Sorten von Aufschnitt und Obst. Die beiden haben alles Mögliche an Obst mitgebracht und frisch gepressten Apfelsaft gibt es ebenfalls. Die Freunde reden kaum, weil das Essen so unglaublich gut schmeckt.
„Das können wir von mir aus öfter machen", erklärt Storm.
„Es ist wirklich schön, wo wir doch alle bald in der Welt rumtoben", fügt Lenne hinzu.
„Wollen wir nicht heute alle etwas gemeinsam unternehmen?", fragt Stean die anderen.
„Heute kann ich nicht. Ich war gestern schon nicht bei Mama, wegen euch. Deshalb wollte ich das heute machen", gibt Storm zu.
„Gar kein Problem. Und wenn wir danach etwas unternehmen? Was sagt ihr?", fragt Marzia.
„Vielleicht", sagt sie. Storm kann nie einschätzen, wie es ihr nach einem Besuch geht und wie lange sie dort bleibt. Vielleicht war es heute leichter, denn schließlich würde Lian sie begleiten. Er war ihr Fels in der Brandung.
„Schreib uns einfach, inwiefern du heute kannst, oder nicht, okay?", fragt Lenne sie liebevoll.
„Mache ich", antwortet sie.
„Wollen wir an den See?", fragt Elio.
„Das ist eine gute Idee. Und falls du es heute nicht schaffst, dann gehen wir morgen an den See, okay?", fragt Marzia ihre Freundin. Storm nickt leicht. Sie kann es nicht leiden, dass alle immer Rücksicht auf sie nehmen müssen, weil sie den Tod ihrer Mutter bis heute nicht verkraften kann, obwohl sie sie nicht einmal kennen gelernt hat.
„Wollen wir dann los?", fragt Lian sie und Storm nickt wieder vorsichtig.
„Gehst du mit?", fragt Elio. Lian nickt.
„Dann räumen wir den Rest hier ab. Geht ruhig", lächelt Lenne. Die beiden Freundinnen waren wirklich die besten.
„Wollen wir Bus fahren oder mit der Maschine fahren?", fragt Lian grinsend. Im Grunde genommen kennt er die Antwort und die beiden gehen in die Richtung der Garage. Dann holt er das Motorrad hinaus und zwei Helme mit dazu.
„Ich muss noch Blumen besorgen, können wir bei dem kleinen Blumenladen anhalten?", fragt sie.
„Immer", sagt er und fährt los.
Nach fünf Minuten waren die beiden bei dem kleinen Blumenladen angekommen und begrüßen die Verkäuferin. Die beiden blicken sich lange in dem kleinen Laden um, um die perfekte Blume zu bekommen, doch am Ende kann Storm sich zwischen zwei Blumen nicht entscheiden.
„Soll ich die oder die nehmen? Welche findest du schöner?", fragt sie Lian.
„Da fragst du mich?", lacht er. „Nimm doch beide mit"
„Dafür reicht mein Geld nicht", erklärt sie.
„Ich kauf dir eine der Blumen. Gib her", sagt er und will ihr eine der beiden Blumen abnehmen. Sie sieht dies jedoch anders und weicht zurück.
„Das will ich nicht", sagt sie.
„Warum nicht?"
„Weil es das Mindeste ist, was ich tun kann. Immerhin ist sie wegen mir gestorben. Ich kann wenigstens die Blumen, die ich ihr mitbringe, alleine bezahlen", erklärt sie.
„Storm, hör auf das zu sagen. Niemand gibt dir die Schuld an dem Tod deiner Mutter. Ihr hättet auch beide sterben können. Ich denke, dein Vater ist froh, dass du ihm geblieben bist. Bitte hör auf, dass immer zu sagen. Außerdem fühle ich mich mies, wenn ich mitkomme und keine eigene Blume habe", schmollt er im nächsten Moment. Nun überlässt sie ihm die Blume und die beiden bezahlen.
„Das sind sehr schöne Blumen", sagt die Verkäuferin, während die beiden warten. Nach ein paar weiteren Minuten stehen die beiden vor dem Motorrad und fragen sich, wie sie nun beide Blumen mitbekommen sollen. Dieser Plan ist nicht wirklich durchdacht wurden.
„Ich kann schieben und wir gehen den Rest zu Fuß", schlägt Lian vor.
„Das klingt doch nach einem Plan", sagt sie und hat in beiden Händen jeweils eine der Blumen. Nach weiteren fünf Minuten Fußweg sind die beiden bei ihrem Ziel angekommen und stehen vor dem Grab ihrer Mutter.
„Hallo Mama", flüstert Storm.
„Wir haben dir etwas mitgebracht", sagt sie und zeigt auf die beiden Blumensträuße. Danach schickt sie Lian los, um zwei Vasen mit Wasser zu besorgen.
„Hier bin-", will Lian gerade sagen, als er Storm an dem Grabstein sitzen sieht. Sie redet mit ihrer Mutter und er möchte sie nicht unterbrechen, weshalb er ein Stück weiter entfernt stehen bleibt, um darauf zu warten, dass sie sich wieder von dem Stein entfernt, doch dies passiert nicht. Eine gefühlte Ewigkeit später sitzt sie immer noch nah an dem Stein und nicht mehr davor. Er entscheidet sich schließlich sie doch zu unterbrechen.
„Das hast aber lange gedauert", lächelt sie ihn an und nimmt ihm die erste Vase aus der Hand, um einen der beiden Sträuße hinein zu setzen und auf das Grab zu stellen.
„Schau mal, da steht schon eine Blume", sagt sie zu ihm.
„Vielleicht war das dein Vater", erklärt er ihr.
„Das kann gut sein. Wir waren irgendwie nur als ich klein war, zusammen hier. Ich glaube, jetzt kommen wir immer einzeln her, aber ich habe ihn noch nie getroffen", erklärt sie. Es gibt Zeiten in Storms Leben, in denen sie täglich herkommt. Die beiden stellen auch noch die andere Vase auf das Grab und beschließen, noch ein Weilchen vor dem Stein sitzen zu bleiben. Storm stört es nicht, dass sie im Dreck sitzt. Sie erzählt ihrer Mutter noch vom dem gestrigen Tag und schließlich beschließen die beiden, wieder nach Hause zu fahren. Lian schwingt sich auf das Motorrad und Storm klammert sich an ihm fest. Nachdem die beiden losgefahren waren, winkt Storm noch und danach legt sie ihren Kopf auf Lians Rücken. Er muss sich deutlich darauf konzentrieren, keinen Unfall zu bauen, denn sie raubt ihm alle Nerven.
„Wir sind da", sagt Lian, als die beiden bei ihm Zuhause ankommen. Er stellt das Motorrad wieder in die Garage und die beiden nehmen die Helme ab.
„Es ist schon ganz schön spät", sagt Storm, als sie in den Himmel schaut.
„Ja, wir waren relativ lange unterwegs. Heute Abend noch an den See, oder doch lieber morgen?", fragt er sie.
„Lieber morgen. Ich bin ziemlich kaputt", erklärt sie ihm und gibt ihm den Helm zurück.
„Soll ich den anderen schreiben?", fragt er.
„Das wäre super lieb. Kann ich trotzdem noch hier bleiben?", fragt sie ihn und er nickt verständnisvoll.
„Kann ich mich in dein Bett legen?", fragt sie.
„Ja, klar. Ich beschäftige mich solange irgendwie anders", nimmt er Rücksicht auf sie.
„Kann ich auch noch ein altes Shirt von dir haben? Dieses Kleid ist irgendwie total ungemütlich", gibt sie zu und er wirft ihr eines seiner Shirts zu.
„Ist das nicht dein Lieblingsshirt?", fragt sie.
„Ja, aber du kannst es anziehen", lächelt er. Es würde danach bestimmt nach ihr riechen und niemand würde Verdacht schöpfen, dass er etwas für Storm empfindet, denn immerhin ist es sein Lieblingsshirt, welches er immer anhat. Er dreht sich um, damit sie sich umziehen kann und setzt sich dann an seinen Schreibtisch, um sich an seinen Laptop zu setzen und etwas zu schreiben. Nach ein paar Minuten hört er Storms Atem, der erstaunlich ruhig geworden ist. Anscheinend ist sie schon eingeschlafen. Er beobachtet sie erst einen Moment, bis er bemerkt, wie gruselig dies ist und seinen Blick abwendet. Dann schreibt er in den Gruppenchat, dass der Seebesuch heute wohl nichts mehr wird und sie dies auf Morgen verschieben sollten.
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