[37 ENDE] Väter
Beides fühlte sich an wie die Realität. Doch keines der beiden Erlebnisse ließ sich auf eine logische Weise erklären. Mir gelang es einfach nicht zu akzeptieren, dass meine ältere Schwester vor mir stehen sollte. Und das wirklich. Von oben bis unten begutachtete ich sie. Vielleicht halluzinierte ich nur und mein Gehirn spielte mir ein Streich vor. Wieder.
"Es hat wirklich geklappt.", flüsterte sie entsetzt und zugleich hörte ich einen sanften Ton aus ihrer Stimme.
Das fühlte sich auch so an, es hatte wohl geklappt. Es dauerte eine Weile, bis ich mich an meinen Körper gewöhnen konnte. Das regelmäßige Atmen, mein Herzschlag. Meine Stärke war noch da, nicht wie früher aber sie war da, selbst meine Schnelligkeit aber ich konnte nicht mehr in die Gedanken eindringen. Das frustrierte mich sehr, nicht mehr zu wissen, was Personen in meine Umgebung dachten. Über ihre Pläne Bescheid zu wissen und diese zu verhindern. Oder ich konnte nicht in ihre Gedanken eindringen, da sie-
"Cecilia.", sagte ich. Ja, das war sie. Sie nickte. "Du bist es wirklich, oder?"
Selbst jetzt begriff ich meine Situation nicht ganz oder ich vertraute einfach meinem Verstand nicht. Ich hatte es anscheinend geschafft! Ich wollte es so sehr und ich hatte es überlebt.
Ich betrachtete sie ganz genau. Ihre rötlichen Locken fielen ihr leicht über die Schulter, kein Tag hatte sie gealtert. Es war gewöhnungsbedürftig, sie ohne ihre eng anliegenden und aufgetakelten Kleider vor mir zu sehen.
"Aber wie bist du denn hier?"
"Es tut mir so leid, ich wusste es nicht. Ich wusste nicht, dass du hier bist. Niemals würde ich dich alleine lassen. Nach dem Angriff von unserem Vater, wachte ich in der Stadt auf. Anfangs wusste ich nicht, was los war. Aber ich kann diese verdammte Stadt einfach nicht verlassen.", sagte sie fast unter Tränen.
"Wie ich dieses Haus nicht verlassen kann.", flüsterte ich.
Darvin, wach endlich auf! Du kannst es nun.
Ein großes Fragezeichen bildete sich in meinem Kopf. Weshalb war sie an die Stadt angekettet?
"Ich- ich muss sofort los, Cecilia.", sagte ich benebelt und wollte keine Sekunde mehr verlieren. Meine Worte musste ich zurücknehmen, welches ich zu Chloe gesagt hatte. Der feste und schnelle Griff von Cecilia hielt mich aber davon ab. Nun fiel mir auf, dass Aaron nicht hier war, somit war auch Katelyn bei ihm und Chloe da draußen. Der Mistkerl war abgehauen.
"Ich muss dir etwas erzählen.", sagte sie ernst. Misstrauisch betrachtete ich sie, sie sah besorgt aus. "Es wird auf dich etwas zukommen. Also, hör mir zu, bevor wir gehen."
Sie nahm meine Hand und setzte sich mit mir aufs Bett. "Ich habe Geheimnisse, die nicht viele wissen. Noch nicht. Das muss ich dir jetzt erzählen, bevor es geschieht."
Bevor was geschieht? Mein Blick wurde immer strenger.
"Unser Familienstamm ist nie ausgestorben. Zu meiner Lebenszeit habe ich ein Kind bekommen.", sagte sie mit zittriger Stimme. Beschämt senkte sie ihr Blick nieder.
"Aber Cecilia, weshalb hast du mir so etwas nicht erzählt?"
"Wie denn? Es war ein außereheliches Kind. Hast du eine Vorstellung, was für Konsequenzen das für mich haben würde? Kurt ist derjenige, der es wusste. Nur er. Er hat mir damals so sehr geholfen. Ich wusste nicht, was mit mir passierte und ich habe schlimme Dinge getan. Er hat mich geheilt vor meinen Taten. Ich wollte noch Schlimmeres anrichten.", sagte sie und nun wischte sie die erste Träne von ihrer Wange ab. "So grausame Dinge."
"Es ist mir egal, was du getan hast."
"Nein, du verstehst-"
Sofort unterbrach ich sie. "Es ist mir egal.", sagte ich laut und betonte jedes Wort. "Du bist meine Schwester."
"Damals wurde ich festgehalten von einem unbekannten Mann, er hat mich entführt und mich vergewaltigt.", sagte sie in einem monotonen Ton und schüttelte dabei langsam ihren Kopf. "Danach reiste ich weg, gab nach der Geburt das Kind ab. Vor Kurzem hast du den Nachfolger von unserem Familienstamm kennengelernt. Lothar."
Ich nickte langsam und sofort erinnerte ich an unsere Begegnung. Er war mein Urneffe, das war also die Wahrheit.
"Wir müssen ihn aufhalten. Er möchte unser Familienruf zerstören.", sagte sie strenger, ihre Miene änderte sich schlagartig.
Sofort stand ich auf. "Was bedeutet das alles?"
"Er muss ausgeschaltet werden, verstehst du das nicht? Er wird Gerüchte in die Welt freisetzen. Bald wird er Dinge über uns veröffentlichen, über unsere Familie. Da wird erwähnt, dass du der Mörder unserer Familie bist und das dürfen wir nicht zulassen! Da stehen Sachen über unsere Familie drinnen, die in Vergessenheit geraten sind und das sollte auch so weiterhin bleiben."
Kein Wort konnte ich aussprechen. Wollte sie das machen, was mir in den Sinn kam?
"Nein, Cecilia, er gehört zu uns. Er gehört zu unserer Familie. Wir können ihn davon abhalten aber nicht auf diese Weise.", redete ich ihr ruhig an. Etwas sagte mir, dass sie Hass gegenüber ihn empfand aber auf keinen Fall konnte ich dazu fähig sein, jemanden aus unserer Familie zu töten. Er war unser Blut. Das würde ich nicht zulassen.
"Aber du hast uns nicht getötet. Diese Taten können wir nicht auf dich schieben."
"Schau mich an.", sagte ich und nahm ihre Wangen zwischen meine Hände. "Das weiß ich und du auch. Was kümmert es dich, was die anderen Menschen denken? Wir werden diese Sache auf meine Weise lösen, einverstanden?"
Sie hatte Angst, das merkte ich. Ich nahm ein Nicken von ihr wahr.
"Dann lass mich dir mein Geheimnis erzählen.", sagte sie und atmete tief aus. "Das wirst du früher oder später sowieso erfahren."
*
*
Chloe P.o.V
Dieser Traum machte mich wahnsinnig!
Bald würde ich Angst haben einzuschlafen. Viel zu oft schlich sich dieser eine Traum in meine Gedanken ein. Das Gefühl war schön, ja, früher. Nun nervte es mich, wie ich schweißgebadet von meinem Schlaf aufwachte und jedes Mal hörte es an der gleichen Stelle auf. Auf dem Berg, knapp neben dem Abgrund standen wir. Jedes Mal. Der gleiche Dialog und immer dieselben Gefühle.
Als ich wieder von meinem Schlaf aufwachte, bemerkte ich, dass ich alleine Zuhause war. Die Sonne ging langsam auf, Mum musste wohl arbeiten. Als ich in die Küche ging, um mir etwas Essbares zu holen, sah ich ein Zettel, welches auf dem Kühlschrank geklebt worden war. "Ich habe heute Spätschicht. Verlasse bitte das Haus nicht, Essen ist im Kühlschrank.", las ich laut vor. Die letzten Wörter hatte sie ganz klein gekritzelt, da sie kaum Platz auf dem Zettel hatte. Ich holte daraufhin mein Essen raus. Erschöpft und lange aß ich mein Essen, ich schätzte, dass ich um die halbe Stunde am Tisch war. Meine Gedanken waren leer, ich dachte einfach an nichts und biss eins nach dem anderen die Stückchen vom belegten Brot ab.
Eines hatte ich mir selbst versprochen. Nie wieder würde ich mich dort aufhalten, selbst in der Umgebung nicht. Keinen einzigen Schritt mehr würde ich dorthin setzen.
Seitdem ich weiß, wer mein Vater sein sollte, möchte ich darüber mit meiner Mum reden. Wie war er zu ihr? Weshalb blieb der Mistkerl nicht und verschwand einfach? Ich hatte das Gefühl, wenn ich eine Frage in meinem Kopf beantworten bekomme, kommen mindestens zwei weitere hinzu. Das war entmutigend und deprimierend. Also wollte ich ab jetzt aufhören, mir selbst Fragen zu stellen. Das machte doch im Nachhinein alles schlimmer.
Weshalb quälte ich mich selber?
Ich würde keinen einzigen Gedanken mehr an Darvin verschwenden, genauso wenig, wie er seine an mich verschwendete. Es würde schwer werden, mein Versprechen an mich zu halten. Aber wenigstens würde ich es versuchen.
Tu doch nicht so, als ob du dir keine Sorgen machen würdest.
Ich verdrehte meine Augen. Auf eine Weise hatte meine innere Stimme recht, ja, ich machte mir Sorgen. Er hatte etwas Verrücktes vor und ich wusste ganz genau, dass es Aaron's Spielchen waren. Er hatte Darvin so sehr verwirrt, dass er sich letztendlich gegen mich wendete. Aber wie gesagt, ich würde mein Versprechen halten.
"Verdammt!"
Als ich plötzlich die schmerzenden Stiche auf meinen Fingern und meiner Hand spürte, wachte ich aus meinen Gedanken auf und stolperte ein paar Schritte nach hinten, woraufhin der Stuhl umkippte. Flüssigkeit rann vom Tisch auf den Boden. Das Glas mit frischem, heißen Kaffee zersplitterte in meiner Hand, einige bohrten sich den Weg in mein Fleisch durch, woraufhin meine rechte Hand anfing zu bluten. Keine gute Idee gewesen, heißes Kaffee zwischen meinen Fingern zu halten, während meine Gedanken abschweiften. Mein Griff war zu fest.
"Fuck!", fluchte ich und holte sofort ein Tuch, wickelte es um meine Hand. Mit der anderen Hand versuchte ich die Sauerei weg zu putzen. Einige Teile von dem zersplitterten Glas verletzten außerdem meine Füße.
Wie wär's, wenn du zuerst die Teile aufhebst, Chloe?
Meine innere Stimme hasste ich aber sie hatte recht. Ein kurzer Blick auf die Uhr und ich wusste, dass ich bald aus dem Haus musste. Lothar hatte mich zu sich eingeladen. Inzwischen verstand ich mich mit ihm sehr gut. Obwohl er am Anfang echt unschlüssig war. Noch ein letztes Mal ging ich über die nasse Stelle mit dem Tuch und schon sah es wieder aus wie früher. Die blutigen Stellen auf dem Tisch hatte ich auch schon erledigt. Meine Hand hatte ich verbunden, das Glas hatte an einigen Stellen tiefe Wunden hinterlassen, die ziemlich schmerzten aber es sah nicht so aus, als ob es genäht werden musste.
Noch meine Weste angezogen und dann ging ich aus dem Haus.
*
*
Wow.
"Das sind sie?", fragte ich erstaunt. Die Bücher sahen edel aus. Er hatte sie auf seinem Tisch nebeneinander gereiht und präsentierte es mir selbstüberzeugt. "Aber das sind doch nicht alle, oder?"
Er zeigte auf das Bücherregal, welches hinter ihm stand. "Natürlich werde ich nicht alle auf einmal veröffentlichen. Wo bleibt sonst die Spannung? Siehst du? Anfangen von Joel und Ida bis zu ihren vier Kindern, die werden veröffentlicht. Wenn sie sich gut verkaufen werden, veröffentliche ich die Restlichen. Das Letzte hier erzählt die ganze Geschichte von Joel's Familie, ich habe es wie ein Roman geschrieben."
Das sah ich, auch Darvin war dabei. Ich sagte doch, es würde schwer werden, mein Versprechen zu halten. "Morgen sind sie offiziell und überall erhältlich. Ich habe lange nicht geschlafen und musste die letzten Nächte durchmachen."
"Weshalb fängst du von Joel und Ida an? Was ist vor denen passiert?"
Er zuckte mit den Schultern. "Uninteressant. Nicht genug Material."
Die Namen wurden jeweils in einer altmodischen und geschwungenen Schrift auf das Buch abgedruckt, im Licht schimmerten sie gold. Das Buch selbst war Weinrot, ziemlich dunkles Weinrot, fast schwarz.
"Möchtest du hineinlesen? Du hast die Ehre. Sonst hat keiner davor.", sagte er stolz und richtete seine Brille zu Recht.
Meine Überlegung dauerte nicht lange. Überzeugt schüttelte ich meinen Kopf. Er zog seine Augenbrauen zusammen, als hätte ich ihn beleidigt. "Na gut, du wolltest ja alles wissen. Aber was soll's.", sagte er und sein Blick rutschte nach unten, auf meine Hand. "Was ist mit deiner Hand passiert?"
"Nichts Schlimmes. Ich hab sie nur an einer Glas geschnitten.", sagte ich lächelnd, damit er sich keine weiteren Sorgen machen sollte.
"Aber sieh mal, der Verband ist viel zu dünn.", sagte er und eilte in meine Richtung. Langsam schaute ich an mir runter, sah die paar Tropfen auf dem Boden, die ich vorhin nicht bemerkt hatte. Tatsächlich hatte sich mein Verband rot verfärbt und sah durchnässt aus. So schlimm waren die Schmerzen doch nicht, wie der Verband andeutete. "Chloe, das kann sich entzünden. Wieso lasst du dich nicht behandeln? Wann ist das passiert?", fragte er und hob vorsichtig meine Hand, begutachtete meine Wunden. In seinen Bewegungen war er sehr behutsam, sodass ich kaum etwas spürte. "Komm mit."
Er war bestürzt und wusste nicht, was er machen sollte. "Es ist wirklich nicht so schlimm, wie es aussieht. Ich gehe gleich zum Arzt, einverstanden?"
"Nein, nein. Das muss jetzt behandelt werden. Setz dich da hin, ich komme gleich.", sagte er ruhelos und verschwand aus dem Zimmer. Was wollte er machen, es nähen? Die Schnittwunden sahen nun angeschwollen aus. Hatte ich untertrieben? Ein heftiger Regenschauer fing ohne Vorwarnung an. Die Regentropfen hinterließen laute Geräusche an den vielen Fenstern, als ob jemand die ganze Zeit auf das dicke Glas klopfen würde. Die unheimlichen Geräusche vergingen aber aus meinen Gedanken, als ich sah wie Lothar auf mich zu kam. Mit vollen Händen kniete er sich vor mich hin. Verband, Desinfektionsmittel, ein nasser Tuch und eine Pinzette.
Kopfschüttelnd fing er an zu reden. "Das dachte ich mir schon.", flüsterte er und schnappte sich die Pinzette.
"Warte, warte, warte. Was willst du damit machen?", sagte ich mit großen Augen. Das sah schmerzhaft aus. Er lächelte sofort.
"Lass mich machen. Das ist nicht mein erstes Mal.", sagte er belustigt und näherte sich meine Wunde. Fest kniff ich meine Augen zu und drehte meinen Kopf weg. Zuerst fühlte ich das nasse Tuch, womit er vorsichtig meine Hand säuberte. Dann kam der leichte Druck auf meine Handfläche, doch erstaunlicherweise fühlte es sich gleich danach viel besser an. Sofort öffneten sich meine Augen. "Nächstes Mal bei einer Verletzung, achtest du lieber darauf, dass alles draußen ist.", sagte er mir und streckte mir ein kleines Glassplitter entgegen.
"Au, au!", schrie ich vor Schmerzen und biss fest auf meine Lippe, es fühlte sich so an, als ob ich sie blutig beißen würde. Der schlimmste Teil war das Desinfizieren. Es brannte höllisch aber nach paar Sekunden verging sie.
"So schlimm ist es doch gar nicht, stell dich nicht so an.", sagte er belustigt und lachte.
"Das sind qualvolle Schmerzen, da war das Glas angenehmer.", sagte ich und er schmunzelte daraufhin. Ich fand das Desinfizieren schlimmer. Das brennende Gefühl drang jedes Mal tief in meine Wunden ein und verweilte für eine Weile dort, hinterließ dabei auch noch das eklige Geruch, welches es von sich gibt.
"So, fertig.", sagte er, als er meine Hand fertig verbunden hatte und sah mich triumphierend von oben an.
"Danke, mein Retter.", sagte ich amüsiert und neigte mein Kopf zur Seite. Schnell brachte er das Verbandszeug zurück aber kam nicht dazu, wieder herzukommen.
Die Tür klingelte.
Die lockeren Holzdielen hörte ich, als er sich auf dem Weg zur Tür machte. Es war noch viel zu früh für Besuche. Seitdem der Artikel über ihn veröffentlicht wurde, erkannte man ihn überall. Lothar sagte mir, er würde mindestens fünf Besuche am Tag bekommen. Sei es neugierige Leser oder Journalisten, die ein kleines Interview mit ihm führen wollten. Mit einem Artikel wurde er der Sensation in unserer Stadt. Er verdiente es auch. Seine Mühe würde sich lohnen, daran glaubte ich fest.
Lothar's Stimme unterbrach die angenehme Stille und er hörte sich wütend an. Zuerst erkannte ich nicht, was er sagte aber beim genauen Zuhören verstand ich es besser. "Du bist hier nicht erwünscht."
"Ich bin nicht deinetwegen hier, mach dir keine Sorgen.", sagte eine weibliche Stimme mit ruhiger Stimmlage. "Wo befindet sich Chloe?"
Mein Herz nahm einen ungewöhnlichen Rhythmus an. Ich fühlte mich wie festgenagelt, mein Körper versteinerte sich schlagartig und ich konnte mich nicht rühren. Besser gesagt, hatte ich Angst davor. "Nein, nein.", flüsterte ich leise vor mich hin. Das Gefühl, als ob man mich mit heißem Wasser überschütten wurde, zog sich durch meinen Körper und ich glühte. Wenn es die Person war, an die ich gerade dachte, würde ich sterben. Dies konnte nur bedeuten, dass sie entkommen war und dass Darvin etwas zugestoßen sein musste. Falls ich nicht durch sie sterben sollte, dann durch mein Herz, denn es würde versagen.
"Ich höre sie aber.", sagte sie und ich nahm die Stimme nur gedämpft wahr. Wie hat sie mich gehört? Ich hatte mich kein Millimeter bewegt. "Lass mich durch."
"Warte, warte. Ich hole sie. Beruhige dich.", sagte Lothar und seine eiligen Schritte näherten sich in meine Richtung. Sofort stand ich auf meinen Beinen und lief ihm entgegen. "Lothar, nein, bitte. Lasse sie bloß nicht herein.", flehte ich ihn leise an. "Schick sie weg, bitte."
"Bleib ruhig, was ist mit dir passiert?", flüsterte er, als er mich so zur Gesicht bekommen hatte.
Dann - hörte ich die schnellen Schritte, die auf uns zukamen. Selbst Lothar schien gereizt über die Situation zu sein. Er machte seinen Mund auf, um etwas zu sagen aber sie stand schon genau hinter ihm und unterbrach Lothar.
"Schön dich wiederzusehen.", hörte ich die bekannte Stimme und sie ging ein Schritt in meine Richtung.
Noch nie in meinem Leben, hatten sich meine Gefühle so schlagartig verändert. Die Erleichterung verdrängte meine Angst in meinem Körper, nur durch ihren Anblick.
"Lia.", flüsterte ich und fiel plumpsend nach hinten zum Sessel. "Ich dachte, du bist jemand anderes. Es tut mir leid."
Ihre Locken wurden durch die Nässe plattgedrückt. Lothar wechselte dauerhaft sein Blick zwischen Lia und mir, er war irritiert und wusste nicht, was zu sagen war.
"Ich weiß, was du dachtest.", sagte sie lächelnd. Was erzählte sie da? Gerade als ich etwas sagen wollte, lies sie das nicht zu. Woher sollte sie wissen, an wen ich gedacht hatte? "Aber überspringen wir die Fragen."
Langsam und in gleichmäßigen Schritten begab ich mich zu ihr, um vor ihr stehen zu können. Sie verhielt sich total seltsam. "Ich möchte es auch nicht lange verzögern. Jemand möchte dich sehen.", flüsterte sie mir zu, sodass Lothar es nicht hörte und schaute direkt an mir vorbei.
Ich drehte mich hastig um.
Mein Herz setzte einen Schritt aus. Das Regen vermischte sich mit meiner schwachen Stimme. Ich wusste nicht, wie lange ich starr in dieser Position blieb. "Ist das wahr?"
Stiller Alarm löste sich bei mir im Inneren aus. Mein Verstand sagte etwas ganz anderes, als meine Gefühle. Nervös stand er vor der Tür und folgte jeden meiner Bewegungen. Dann sah ich es.
Seine Brust hob und senkte sich rhythmisch.
Mein Verstand sagte; vergiss nicht, was er getan und gesagt hat. Doch wie immer siegten meine Gefühle. Unkontrolliert liefen meine Beine in seine Richtung, so schnell ich konnte lief ich. Ich war impulsiv und lies meinen Verstand keine Chance zu siegen. Hemmungslos lief ich auf ihn zu und drückte ihn fest an mich. Ohne Probleme fing er mich auf und stolperte ein paar Schritte nach hinten. Das Regen nieselte auf meinen Kopf aber es störte mich kein bisschen. Der Kontrast zwischen meiner glühenden Körper und dem eiskalten Tropfen gefiel mir. Sogar sehr.
Es fühlte sich so wie in diesem Traum an.
Meine Hand zitterte, als ich versuchte, seine
Wange zu halten. "Darvin. Bist du das wirklich?"
Meine Stimme war kaum hörbar.
"Hab ich es dir nicht gesagt? Dass alles wunderbar sein wird?", flüsterte er und drückte seine Stirn an meine. Seine weichen Lippen presste er plötzlich gegen meine und innerlich explodierte alles in mir. Seine Lippen waren warm und kalt zugleich durch die Nässe.
Die Kälte, welches ihn jedesmal umzingelte, würde ich vermissen. Das konnte ich nicht verheimlichen. Ich hatte mich daran gewöhnt und mir selbst beigebracht, mich damit wohl zu fühlen. Aber keines Wegs würde mich sein jetziger Zustand stören.
Es war nicht gelogen, Aaron hatte die Wahrheit gesagt. An seiner Aussage hatte ich dermaßen gezweifelt aber es stimmte.
Sofort drehte ich mein Kopf nach links und sah, wie Lothar und Lia nebeneinander standen und uns anschauten. Vom Augenwinkel sah ich, dass Darvin's Augen sich nicht von mir abwandten. Leicht drückte ich gegen sein Bauch, damit er einen Schritt zurück ging und wir uns lösten. "Aber- Lia. Ich meine, woher kennst du Lia?", flüsterte ich ihm zu, als ich mein Schock überwunden hatte und realisierte, dass er mit ihr aufgekreuzt war. Nach einer Sekunde stand sie schon neben Darvin, woraufhin er sie sanft an der Schulter packte und sie zu sich drückte. Woher kannten sie sich? Inzwischen hatte sich Lothar gegen den Türrahmen gelehnt und betrachtete das ganze Theater. Ich war mir ganz sicher, dass er Unmengen an Fragen an mich hatte.
"Das ist meine Schwester, Cecilia.", sagte er lächelnd. Um es zu bestätigen, nickte sie leicht.
Ich konnte mich nicht entscheiden, wen ich in die Augen gucken sollte. Weshalb hatte sie mir nichts davon erzählt? Das würde alles erleichtern. "Wusstest du es die ganze Zeit?", fragte ich Lia letztendlich.
"Nein, sie wusste es nicht und ich genauso wenig.", verteidigte Darvin sie und nahm Cecilia das Wort. Es machte mich verdammt glücklich. Es war alles perfekt. Niemals hätte ich gedacht, dass das alles ein gutes Ende haben würde. Endlich konnte ich mit ihm sein und er hatte Menschen um sich, die ihn liebten. Wie ich es hatte. Tränen rannen unkontrolliert meine Wangen herunter, die man im Regen sowieso nicht bemerken würde.
Etwas Glattes berührte plötzlich meinen Hals, scharf glänzte das Metallstück in meinen Augen und mir blieb nichts anderes übrig, als starr stehen zu bleiben. Die Spitze des Messers pikste leicht meinen Hals und ich spürte sie - ein eisglatter Blutstropfen floss von der Wunde aus. Ich spürte wie das Blut meinen Hals entlang rann und mein Shirt beschmutzte. "Da haben sich zwei gefunden, kein einzigen Schritt weiter, Darvin oder sie stirbt.", knurrte die Person gefährlich hinter mir.
Bei allen stand die Angst ins Gesicht geschrieben. Mein eigenes Herz wurde mir in diesem Moment zu gefährlich, jederzeit könnte ich umfallen. Selbst die Stimme hinter mir musste ich nicht hören, um zu erraten, wer es sein könnte. Ich wusste nicht wann und wie aber ich wusste, dass er zu meinem Problem werden würde. Jetzt war es soweit.
"Aaron, entspann dich. Wir hatten eine Abmachung, die haben wir beide erfüllt.", Darvin schritt ein und versuchte ihn zu beruhigen. Mein ganzer Körper fing an zu zittern. "Was ist dein Problem?"
"Das war nicht unsere Abmachung!", zischte er los und drückte das Messer tiefer, jetzt fing es an zu schmerzen. Aber ich hielt mich zurück, ich durfte nicht schreien. "Bleib zurück!"
Sofort ging Darvin einen Schritt zurück.
"Was möchtest du? Ich gebe dir alles aber lass sie los. Sowas ist nicht nötig.", sagte Darvin und man hörte seine Angst aus seine Stimme heraus.
"Kind, du hast mir schon das weggenommen, was du mir geben könntest!", schrie er nun lauter in mein Ohr. Wie könnte der Mistkerl hinter mir behaupten, er wäre mein Vater gewesen? In Sachen Väter hatten Darvin und ich beide kein Glück. Er wurde von seiner umgebracht, während meine versuchte mich umzubringen. "Sag mir, wo ist Katelyn?"
Meine Augen weiteten sich schlagartig, denn ich wusste, wozu er fähig war, wenn es um seine Tochter ging und meine Angst fraß sich in meine Haut ein. Ja, jetzt hatte ich Angst um mein Leben. Denn ich wollte nicht sterben. Es fing an, alles besser zu werden.
Darvin schüttelte den Kopf. "Hör zu, ich habe ihr nichts angetan. Ich würde ihr kein Haar krümmen, wir haben eine Abmachung. Egal, wo sie ist. Das hat nichts mit uns zu tun. Wir werden dir helfen, wenn es nötig ist aber du musst jetzt das Messer runter nehmen."
Als ob ich das könnte, versuchte ich nicht aufzufallen. Selbst bei meinem Atem war ich sparsam, ich wollte mich so klein, wie nur möglich machen. "Verdammt, Aaron. Jetzt mach schon! Nimm das Ding runter.", langsam stieg die Wut in ihm hoch. Das war verständlich, denn Sekunde zu Sekunde drückte Aaron fester zu. Immer mehr Blut floss durch die Wunde. Doch unerwartet glitt die glatte Seite leicht über meine Haut, kaum spürbar und er ließ meinen Arm los.
Vor Erleichterung konnte ich weinen aber ich fühlte mich trotzdem nicht sicher. Wartete mit den Tränen ab. "Komm zu mir.", sagte Darvin lautlos, die Wörter las ich von seinen Lippen ab. Ich nickte ängstlich und setzte einen Schritt nach vorne.
Dann passierte alles auf einen Schlag. Es kam ziemlich unerwartet und schnell. Zuerst spürte ich die Schmerzen gar nicht.
Die Schmerzen traten nach ein paar Sekunden ein, nachdem ich alles realisieren konnte. Meine Hände zitterten und mir wurde gleichzeitig ziemlich kalt. Das Regen lies mein Blut schneller heraus sickern. Ein kurzer Blick nach unten und ich sah die Spitze des Messers aus meinem Bauch herausragen, es war gerade dabei war mein Körper zu verlassen, als Aaron sie wieder grob aus mir entfernte.
Ich atmete schnell und stark.
Je mehr Blut aus mir rann, desto schwächer wurde ich. Als ob das Blut meine Kraft mit sich herauszog.
"Es ist deine Schuld."
Aaron's Stimme sollte nicht das Letzte sein, was ich hören würde. Letztendlich sah ich Darvin, wie er auf mich zu rannte, bevor mein Körper zu Boden sickerte.
"NEIN!"
Darvin P.o.V
"Nein, nein, nein."
Keine einzige Sekunde wartete ich und lief los.
Mein Herz raste, ich fühlte, wie es seine dreifache Geschwindigkeit eingenommen hatte und das schmerzte. "Liebes, lass mich nicht los, verstanden? Bitte, halte durch. Ich- ich werde dich retten.", flüsterte ich ihr zu, nachdem ich sie auf meinem Schoß geholt hatte und versuchte die Wunde zu halten. Das sollte ein Traum sein, ein ganz grausamer Traum!
Sie hatte ihre Augen offen aber nicht mehr die Kraft zu sprechen. Mein Körper zersplitterte in tausend Teile, als ich sie in diesem Zustand sah. Kraftlos. Sie versuchte es aber konnte einfach nicht sprechen. Das fühlte sich so an, als ob mein Leben aus mir rinnen würde.
"Bitte.", flüsterte ich aber konnte spüren, wie sie mich immer mehr verlies. Wie das Leben aus ihr verschwand. "Bleib bei mir."
Meine Stimme brach.
Ihre Augen schlossen sich.
Für immer.
So fest ich konnte, drückte ich sie an mich. Meinen Tränen konnte ich nicht standhalten. Gerade als es begonnen hat alles perfekt zu werden. Ihre Haut war so kalt und bleich, ihre Arme hingen nach unten.
Sie war tot.
Ich war wutentbrannt, hatte mich nicht mehr unter Kontrolle. Ein paar Meter hinter mir stand Aaron mit dem blutigen Messer und blickte auf seine Hand, welches auch mit Blut verdreckt war. "Ich werde dich töten, Aaron! Hörst du? Du wirst dafür bezahlen!"
Ruckartig erhob ich mich und ballte meine Fäuste. Er hatte wieder alles zerstört.
Doch meinen Plan durchkreuzte eine Stimme. Hektisch blickte ich nach hinten, wo Chloe noch eben lag.
Der leblose Körper von ihr verblasste je mehr Blut sie verlor. Zuerst hörte ich nichts bis die Stimme immer mehr zu hören war. Der Wind wirbelte stark neben ihr als sich etwas immer mehr zu erkennen gab.
Sie stand auf ihren Beinen und schaute fassungslos ihre Hände an, bis ihr Blick auf mich landete. Kaum hörbar verließen die Wörter ihren Mund.
"Darvin, ich- ich kann dich nicht loslassen."
ENDE
So endet meine erste Geschichte.
Ohne Witz, das war soooo schwer, ihr glaubt es nicht. Ich könnte endlos weiter schreiben aber ich will es nicht in die Länge ziehen. Noch nie ist mir eine Szene zu schreiben so schwer gefallen, wie die Letzte.
Meistens gehen die Meinungen am Ende ziemlich auseinander, manche werden es mögen, andere wiederum garnicht. Aber seit Anfang an steht das Ende und es wurde nicht verändert, so war es geplant! Chloe würde sterben aber zurückkommen, egal wie traurig es sein mag. Ich hoffe trotzdem, dass ich euch mit dem Buch überzeugen konnte.
Eigentlich wollte ich den Dialog zwischen Lothar und Chloe viel länger machen, sie haben viel zu bereden aber das Kapitel wäre leider dann zu lange. Bin mir sicher, dass nicht jeder Kapitel mit 5000+ Wörter mag. Es passiert unglaublich viel in diesem Kapitel aber leider musste ich alles in einem Kapitel zusammenbringen und war an manchen Stellen sparsam mit den Wörtern.
Habt ihr Fragen zum Ende oder allgemein zu der Geschichte?
An was für ein Ende hattet ihr gedacht?
Das nächste Kapitel ist der Epilog und Danksagung. Da werde ich auch ein paar Fragen stellen, auf die ihr hoffentlich eingehen werdet. <3 Danach kommt auch das Bonuskapitel, das war's dann auch mit dem Buch fürs Erste. Nach meiner ganzen Bearbeitung empfehle ich euch trotzdem, das Buch von vorne zu lesen. Ich werde euch davon informieren. Wie gesagt, es werden nicht nur Fehler ausgebessert, sondern viel mehr. Neues Cover ist auch in Bearbeitung. [Cordyline ]
Cecilia hat tatsächlich ihre grausamen Geheimnisse, die bald offenbart werden. -> halt im Extrakapitel. Ja, da dreht sich die Geschichte rund um Cecilia und ihre Familie. Zu der Zeit, wie es zu dem allen kam.
Falls es euch gefallen hat, würde ich mich über ein 🌟 freuen. [<-Da soll ein Sternchen sein, ich hoffe, dass man es sieht.]
EDIT:
Da so viele vergessen, Epilog ebenso zu lesen, möchte ich jetzt darauf aufmerksam machen. Epilog gehört noch zur Geschichte, also bitte nicht vergessen auch dies durchzulesen!
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