[35] Gefühle
Chloe P.o.V
Das Licht reflektierte sich in seinen Augen, als Lothar seine Taschenlampe auf mich richtete und ich konnte meine Augen garnicht mehr von Darvin's abwenden, während er immer noch die Antwort von mir erwartete. Wie Feuerwerk explodierte es und aus irgendeinem Grund faszinierte es mich. Wörter stauten sich in meinem Kopf aber nicht die richtigen, um ihm die Situation erklären zu können. 'Versprich mir eins, Darvin.'
Leichte Falten der Verwirrung bildeten sich auf seiner Stirn. 'Wir werden keine Geheimnisse voreinander haben, weder du noch ich.', dachte ich und versuchte so ernst, wie möglich auszusehen. Denn so meinte ich es auch. 'Sonst wird es nicht klappen, verstehst du?'
Eigentlich wusste ich nicht, wie es überhaupt klappen sollte. Er war anders. Diesen Gedanken versuchte ich immer zu verdrängen, denn so war es leichter. An einem Tag dürfte ich nicht mehr davon weglaufen und mir diese Frage selbst stellen. Könnte das irgendwie klappen?
Ohne mir einen Blick zu würdigen und abwesend, nickte er.
"Chloe?", Lothar's Stimme hörte sich komisch an. Ein dumpfes und lautes Geräusch ertönte, sodass ich mich kurz zusammen reißen musste. Das Buch rutschte aus seiner Hand und landete auf dem Boden. "Chloe?", flüsterte er wieder nach mir, seine Pupillen weiteten sich und man las pure Angst aus seinem Gesicht ab.
"Wer ist dieser Mann?", fragte Lothar mit piepsiger Stimme. "War er die ganze Zeit hier?"
Gerade als ich dabei war, zu denken, dass es nicht schlimmer sein könnte, passierte es. Ich war nie der Person mit dem man offen reden konnte, selbst beim Entschuldigen war ich schlecht und nun musste ich diese Situation lösen, ohne dass jemand verletzt wurde. Lieber wäre ich einfach tot umgefallen. Gefühle überhäuften mich, Hass, Angst, Wut und Hoffnungslosigkeit. Die ganze Last lag auf meinen Schultern. Zwei Augenpaare waren auf mich gerichtet, bevor ich meine schloss, denn ich wollte es einfach laut aussprechen, egal was danach kommen mag.
Dann passierte etwas Unerwartetes, der Boden unter meinen Füßen knarrte laut, als jemand sich bewegte und selbst dann traute ich mich nicht meine Augen zu öffnen.
"Du musst Lothar sein."
Nach diesem Satz gelang es mir, meine Sicht wieder zu öffnen und vor mir standen zwei Männer gegenüber, die sich die Hände zur Begrüßung gaben. Während Darvin entspannt reagierte, war Lothar verwirrt. Übel konnte ich es ihm nicht nehmen.
"J-ja, ja, ich heiße Lothar.", sagte er und suchte nach Antworten. "Und du bist-?"
"Ich bin der Besitzer dieses Hauses, welches du ungebeten eingetreten hast.", sagte er ernst. Mich machte diese Szenerie so fertig, dass mir inzwischen egal war, was danach passieren würde. Was könnte ich schon verhindern?
"Du wohnst hier?", er schob seine Brille auf der Nase zu recht und seine Schultern entspannten sich. "Mir sagte man etwas anderes, tut mir unendlich Leid, wir dürften nicht unerlaubt dein Haus betreten."
"Ist inzwischen kein großes Thema. Lieber möchte ich erfahren, wer den genau mein Gast ist.", sagte Darvin und hob seine Augenbrauen, um sein Satz zu untermauern.
Wenn ich mir die beiden Männer nebeneinander betrachtete, fiel mir die Ähnlichkeit, bis auf die Größe, auf. Lothar war kürzer als er, viel kürzer. Die Augen, Haarfarbe und das Gesicht.
"Äh, Jungs.", redete ich dazwischen. "Ich meine, Lothar. Wie wär's, wenn du unten auf mich wartest? Ich werde das irgendwie klären."
Was Besseres würde mir nicht einfallen.
Nach einem unsicheren Nicken, verlies er auch das Zimmer und für eine kurze Zeit fühlte ich Erleichterung.
"Ich kann es mir nicht erklären, Darvin und auch nicht, wie ich es dir beichten soll. Wir haben gesagt, dass wir keine Geheimnisse mehr haben werden, also werde ich es einfach sagen. Tu nur nichts Unüberlegtes.", sagte ich sofort, nachdem wir alleine waren. Er nahm sich an einem der Höcker Platz und hörte mir zu. Dann hielt ich es nicht mehr länger aus und sprach die Wörter aus, welche sich in mich zerfressen hatten. "Er gehört zu deiner Familie. Keine Ahnung in welchem Zusammenhang a-aber er ist sich sicher, dass du sein Onkel bist, Uronkel."
Mein Herz pochte gegen meinen Rippen. Er könnte einfach in Binnensekunden unten sein, was Lothar's Tod bedeuten würde. Stattdessen sah ich pure Verwirrung in seinem Gesicht und und er überlegte. "D-Darvin?"
Die Stille machte mich nervös.
"Seltsam. Waren die Schmerzen etwa deshalb?", war das Einzige, was er dazu zu sagen hatte. "Keine Geheimnisse, stimmt's?"
Ich nickte und schon stand er neben mir.
"Dann komm mit."
*
*
Ein fürchterliches Gestank drang in meine Nase ein, als wir den großen Raum betraten. Sofort hielt ich meine Nase zu.
Es gelang mir Lothar abzuwimmeln, er hatte mir schnell geglaubt und verlies das Anwesen. Davor beichtete er mir, dass er alles beisammen hatte und es ihm nur noch einige Tage kosten würde, bis die Bücher veröffentlicht sein würden. Das hieß nichts Gutes. Er war seiner Sache so sicher, auf niemanden würde er hören. Wenn Darvin ihm bis jetzt nichts angetan hatte, dann würde es tun, sobald er hören würde, für was er beschuldigt wurde.
Das Schlimmste war, dass es jeder in der Stadt glauben würde.
Keine Geheimnisse, sagten wir.
Was könnte er mir schon verheimlichen? Das schlimmste Geheimnis hatte ich. Konnte man es überhaupt ein Geheimnis nennen? Ich verschwieg es nur, damit keinem etwas geschieht. Beide wollte ich nicht verletzen und bei beidem versag ich abermals.
"Was stinkt hier so?", fragte ich, immer noch hielt ich meine Nase zu. Auf meine Frage folgte nichts. "Was ist den los?", fragte ich vorsichtig, als ich sah, dass er mich nicht anguckte. "Hast du Schmerzen?"
"Weißt du, noch nie war mein Leben so auf den Kopf gestellt worden. Alles änderte sich und das tut sie immer noch. Tag für Tag wird mein Leben schräger und es hört nicht auf.", sagte er plötzlich und hielt kurz inne. "Ich weiß nicht, ob mir mein neues Leben gefällt oder nicht. Diese Gefühle, mein Blick auf das Leben, einfach alles ist neu. Gut möglich, dass sie morgen wieder ganz anders ist. Aber ich bin nicht der Mensch, welcher schnell auf Neues eingehen kann. War ich nie. Das, woran ich jahrelang geglaubt hatte, verschwand, als du in mein Leben eingetreten bist. Ganz fest hatte ich daran geglaubt, dass Katelyn kommen würde, diese Hoffnung hatte ich nie aufgegeben. Ich dachte, sie liebt mich. Ich dachte, dass sie mich nicht loslassen kann und zu mir kommen wird, wie ich dieses Anwesen nicht loslassen kann. Mein ganzes Leben drehte sich um ein Mädchen, in diesem Haus, jahrelang. Nachdem ich erfuhr, dass du nicht Katelyn bist, wusste ich: Da läuft etwas schief."
Egal, was er mir zu sagen hatte, ich bemerkte, dass es ihm schwer fiel.
Als er redete, traf es mein Herz und ich bemerkte, weshalb er mir soviel bedeutete. Er war voller Hass und Einsamkeit. Meine Schmerzen würden nie so tief wie seine sein aber eins wusste ich: Wir ergänzten uns perfekt. Wenn es auch nur minimal gewesen sein mag, verstand ich seine Wut und Hass gegenüber andere.
Ich verstand ihn.
"Also fragte ich mich, woher kommt diese Ähnlichkeit? Zufall schloss ich mit ein, ja, natürlich. Aber war es auch Zufall, dass du in diese Stadt gekommen bist und in jene Haus eingezogen bist, welches ich und Katelyn bewohnen sollten? Dann wurde es mir klar. Du musstest hier her gelockt sein."
Mein Atem stockte. Ich vergas es einfach, ich vergas zu atmen.
"Ich konnte dich nicht gehen lassen.", sagte er, wobei seine Stimme leiser wurde. "Diesen Fehler konnte ich nicht eingehen."
Abwesend blickte ich von ihm weg, mein Gehirn versuchte die Wörter miteinander harmonieren zu lassen aber es passte einfach nicht. Was wollte er mir sagen? Als ich Halt suchte und auf das Bett zu ging, um mich hinzusetzen, drückte sich die Matratze leicht neben mir unter und ich sah ihn neben mir sitzen.
"Diese versteckten Gefühle, welches sich neben dir hervorhoben, verweigerte ich zunächst und behandelte dich schlecht aber-"
"Was möchtest du mir sagen, Darvin?", sagte ich, meine Stimme hörte sich zerbrechlich an. Sofort schnappte er meine Hand und führte mich zu der Tür, wo Aaron noch zuvor dahinter war. Soweit ich mich erinnern konnte, war es diese Tür.
"Er möchte mit dir reden.", beichtete er. "Jetzt."
"Wie meinst du das? A-aber ich möchte das nicht, weshalb sollte er mit mir reden wollen? Darvin, bitte, sag mir einfach was los ist.", weigerte ich mich und wurde nervöser.
"Rede mit ihm, danach wirst du ihn nie wieder sehen, versprochen.", er versuchte mich zu überzeugen. "Los."
*
*
Kraftlos. Willenlos. Fast tot erscheint mir Aaron entgegen.
Mit gesenktem Kopf atmete er stark und schien mich nicht zu bemerken. Als ich ihn sah, fielen mir die Ängste ein, die ich wegen ihm empfunden hatte. Mit langsamen Schritten betrat ich das Zimmer und nun schaute er mir direkt in die Augen.
"Ich habe sie vermisst.", ertönte es kaum hörbar im Raum. Sie vermisst?
"Sie hat das gleiche Gesicht, bring mir endlich Katelyn.", sagte er mit zusammengebissenen Zähnen.
Sofort drehte ich mich zu Darvin. "Wie wir es besprochen haben, Aaron.", sagte er gefährlich.
Aaron bewegte nur seine Fingerspitzen auf dem Boden auf und ab, wobei der dumpfe Geräusch durch seine langen Nägel erklang und den ganzen Raum umhüllte. "Nur habe ich genauso meine Bedingungen wie du.", sagte er und marschierte nun ein Stückchen näher in unsere Richtung, wobei Darvin sich gleich vor mich stellte.
"Du bist nicht in der Lage Bedingungen aufzustellen. Erfülle deine Aufgaben und geh. So war es, nicht wahr?", sagte Darvin.
"Na schön, ich gebe es zu: Ich war es.", sagte Aaron und blickte bei seinem Satz vorbei an Darvin, genau in meine Augen. "Du bist nur wegen mir hier, Chloe. Wegen mir und Katelyn."
"Was willst du von mir?"
"Dich. Durch dich würde meine Tochter wieder lebendig werden. Sie würde genauso wie ich werden.", sagte er. "Ich werde meine Tochter haben, ihr werdet mich frei lassen und im Gegenzug wird dein Freund lebendig, ein Mensch. Fähig die gleichen Dinge tun und machen zu lassen, wie die anderen auch. Wie du"
Mir blieb keine Sekunde, um darüber nachzudenken oder etwas zu sagen.
"Das möchtest du doch auch, oder nicht?", fragte mich Darvin, während ich alles noch zu realisieren versuchte. Er griff nach meinen Wangen und blickte abwechselnd in meine Augen. "Wir können glücklich werden.", flüsterte er.
"D-du glaubst das doch nicht.", sagte ich. "Er lügt, sowas gibt es nicht. Sein Ziel ist es uns zu täuschen. Darvin, wir können auch so glücklich werden."
Danach brach die Stille ein.
"Ich bin der Beweis.", sagte Aaron.
"Hör auf zu reden, Aaron! Du kannst so etwas nicht beweisen.", sagte ich wütend und würde ihn gerne erwürgen aber ich hielt mich zurück. Ich wusste nicht, wozu er in der Lage gerade war. "Los, gehen wir hier raus."
Verdattert blieb ich stehen, als ich Aaron wieder sprechen hörte.
"Wenn ich nicht der Beweis bin, dann bist du es, Chloe.", sagte Aaron und kam wieder ein Schritt in meine Richtung. "Erklär mir dann, wie du meine Tochter sein kannst."
Schlagartig ging mein Blick zu ihm und mein Herz pulsierte, schlug gegen meine Rippen. Als ob sie zerbrachen. Hatte ich das richtig gehört?
"Was-, Darvin, was redet er da?", fragte ich und meine Augen füllten sich ungewollt. Ich kämpfte dagegen an aber schon kullerte die erste Träne meine Wange herunter. "Was möchte er mir sagen?"
"Es tut mir leid.", war das Einzige, was er aussprach.
"Nein, nein, nein! Ihr lügt.", fing ich an zu schreien.
"Das ist die Wahrheit.", sagte Aaron. Nichts. Man sah nichts in seinen Augen. Keine Reue, kein Bedauern, sie waren einfach nur leer. Ohne Emotionen.
Meine Ohren hielt ich fest zu. "Sei still! Ich möchte das nicht hören.", schrie ich und schüttelte heftig meinen Kopf, während meine Beine schwer wurden und ich kaum stehen konnte. "Du bist nicht mein Vater. Nein, nein, das ist eine Lüge, ihr lügt. Ich möchte das nicht.", sagte ich, bis meine Stimme zerbrach.
Tränen nässten meine Wangen. Gerade noch fing mich Darvin auf und fiel mit mir auf den Boden. Das konnte nicht stimmen, ich wollte nicht, dass es stimmt.
"Sag mir, dass es falsch ist, bitte.", flüsterte ich und krallte mich an seinem Rücken fest. Vielleicht würde ich gleich aufwachen und alles wäre nur ein schlechter Alptraum.
"Chloe, ich möchte-", sagte Darvin und machte eine kurze Pause, sprach die nächsten Wörter mit schwacher Stimme aus und lies mich in tausend Stücke zersplittern. "Ich möchte, dass du gehst."
Sofort löste ich mich von ihm.
"Nicht du bist in mein Leben eingetreten, sondern ich in deines. Ohne mich warst du glücklicher. Du hast mein Leben wieder erträglicher gemacht, während ich dir alles nahm.", sagte er und ging ein Schritt zurück, lies mich allein. "Geh."
*
*
Darvin P.o.V.
"Wieso lässt du sie abhauen?", fragte Aaron.
"Du sagtest, es gibt keine Garantie, dass es klappt, nicht wahr? Ich werde um sie kämpfen. Falls es nicht klappen sollte, sollte sie ein besseres Leben führen können. Wegen mir hört sie nicht auf unglücklich zu sein und das ist unerträglicher als meine eigenen Schmerzen und Wunden.", sagte ich, während die Wörter in meinen Kopf herumirrten, welches ich zu ihr sagte.
Noch nie im Leben war etwas so schwer gewesen.
"Weißt du, was wir alles brauchen?"
Ich schüttelte meinen Kopf.
"Bring mir ein unverletztes Körper. Das sollte nicht lange dauern, der Rest ist nicht schwierig. Versprechen tu ich dir nichts und heute Nacht wird es durchgezogen."
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Schön, dass ihr bis hier hin geschafft habt.
Ich muss euch mitteilen, dass es noch um die zwei Kapitel noch gibt, danach ist die Story auch zu ende. Danksagung + Epilog wird es auch geben und dazu wird es eine kleine Überraschung, also ein extra Kapitel geben, was aus einer anderen Perspektive geschrieben sein wird. Also wird es noch insgesamt vier Updates geben.
Könnt ihr euch schon vorstellen, wie es zu Ende gehen wird? Das interessiert mich mega, könnt ihr gerne mit mir teilen. (:
Sorry für die unglaublich lange Wartezeit, kann mich nur entschuldigen.
Wen es aber interessiert: Schuljahr und Führerschein - bestanden!
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