[3] Was bist du?
Es war der perfekte Ausblick zu meinem Zimmer. Man konnte einfach alles sehen.
Immer wieder bekam ich das Gefühl, dass ich beobachtet werden würde. Das würde bedeuten, dass meine Gefühle mich nicht getäuscht hatten. Wie lange stand ich schon hier? Langsam ging die Sonne unter und warf Schatten in das Zimmer, einige Ecken blieben sogar völlig in der Dunkelheit. Er ließ sich, seitdem er mich eingesperrt hatte, nicht mehr blicken. Meine Gedanken waren gemischt und ich wusste nicht, woran ich mich konzentrieren sollte. Einerseits suchte ich nach einem Ausweg hier, dann dachte ich an Liam und ich landete wieder am Anfang. Wie sollte ich hier raus ohne ihn?
Erlebte ich das gerade wirklich?
Menschen, die an Übernatürliches glaubten, hielt ich für naiv. Geister und Dämonen? Für mich gab es nie mehr auf der Welt, als Mensch und Wissenschaft verstehen konnten. Das Übernatürliche und Unerklärliche kam nie in Frage. Nun wurde ich von einem Geist festgehalten. Oder was auch immer er war. Er sollte tot sein, nicht auf dieser Welt.
Der Junge aus meiner Schule kam mir in den Sinn, der hier starb. Nicht nur er, ungewollt erfuhr ich von mehreren Fällen. Das konnte kein Zufall sein. »Konzentrier dich.«, flüsterte ich, als ich bemerkte, dass meine Gedanken abschweiften. Irgendwie musste ich hier raus.
Das Geräusch, welches von meinen Fingern entstand, die ich auf dem Boden klopfte, beruhigte mich und verhinderte mich daran, in den Wahnsinn zu fallen. Mittlerweile saß ich, angelehnt gegen die Wand. Es war schrecklich zu wissen, dass man nichts unternehmen konnte, außer abzuwarten. Ich konnte einfach nichts anderes tun, als die Sekunden, die ich hier verbrachte, abzuzählen. Meine Aufmerksam ging aber zu der Tür, die langsam und quietschend aufging.
Augenblicklich stand ich auf den Beinen.
»Hast du dich beruhigt?«, fragte er, während er das Zimmer betrat. Seine Hände waren hinter seinem Rücken verschränkt, wie kriegte er die Tür auf?
Außer meinen zornigen Blick bekam er nichts zu sehen. So ziemlich das Gleiche tat er auch und veränderte seine Miene, zog seine Augenbrauen zusammen und trat einen Schritt in meine Richtung. »Also, Liebes.«
Zögerlich blieb ich stehen und begutachtete jede seine Bewegung. Als seine Hände nach meinen Handgelenken griffen, nachdem er mit einem sadistischen Schmunzeln mich erreichte, spürte ich das Brennen auf meiner Haut. Dort, wo seine Hände waren. Der Rest meines Körpers fror. Sofort wich ich zurück aber die Wand hinderte mich daran, es zu tun. Mein Herz fing an schneller gegen meine Rippen zu klopfen. Meine Hände drückte er neben meinem Kopf gegen die Wand, während seine Augen nicht von mir abließen. Kein einzigen Stück konnte ich meinen Arm bewegen. Sein Griff war fest, tat aber nicht weh. »Möchtest du mir etwas sagen? Deine Gedanken sind nämlich verwirrend.«, flüsterte er mir zu und guckte bei seinem letzen Satz verzweifelt. Langsam beugte er sich näher zu mir, als er nichts von mir zu hören bekam. Mein Mut verschwand und ich bewegte mich kein Stück, während seine Hand mein linkes Handgelenk losließ, um nach meinem Hals zu greifen. Seine kalten Lippen berührten sanft meinen Hals, doch die unangenehme Situation konnte ich keine Sekunde mehr aushalten. Die Nähe von einem Fremden ließ mich seltsam fühlen, auch wie nah er sich mir zu fühlen schien.
Als ich stark gegen seine Brust drückte, ging er willkürlich einen Schritt nach hinten. Doch ich wusste, wenn er wollen würde, könnte er sich auch keinen Millimeter bewegen. Meine Kraft war nichts im Vergleich zu seinem, was ich unangenehmer Weise erfahren durfte.
»Wie oft willst du das noch von mir hören? Ich bin nicht sie.«, sagte ich und hielt Abstand von ihm. »Kannst du nicht einfach heraushören, dass ich die Wahrheit sage und mich gehen lassen?«
»Woher sollte ich wissen, dass du mich nicht mit deinen Gedanken täuschen möchtest?«, fragte er schulterzuckend. »Im Grunde, Liebes, bin ich selber ratlos.«
Sofort drehte ich meinen Rücken zu ihm. »Du bist nicht echt. Du kannst nicht echt sein!«, flüsterte ich und hielt meine Ohren zu. Ich wollte kein Wort mehr von ihm hören, ihn nicht sehen.
»Du bist einer dieser Menschen.«, hörte ich seine Stimme gedämpft aber dennoch hörte die Wut heraus und spürte die scharfen Blicke auf meinem Körper.
»Hör auf zu reden, ich will nichts hören.«, schrie ich kopfschüttelnd und machte meine Augen fest zu. Er sollte verschwinden und mich in Ruhe lassen. Mehr wollte ich nicht. Ruckartig wurde ich an meiner Schulter gepackt und grob gegen die Wand gedrückt. Sein zorniger Blick zwang mich, in seine Augen zu sehen. »Weshalb tust du das?«, fragte er.
»W-was?«
»Lass mich dir einen Rat geben.«, sagte er mit Strenge in seiner Stimme, sprach wie ein Wahnsinniger und zog mit seinem Zeigefinger langsam eine unsichtbare Linie auf meiner Wange bis er an meine Lippen ankam und meine Unterlippe berührte, wobei er die Kälte wieder nicht ausließ, nur um zu unterstreichen, dass er ernst meinte. »Wie ich sehe und heraushören kann, hast du dich allem verschlossen, was du nicht mit deinen eigenen Augen sehen kannst. Tu das nicht, Liebes. Denn ich stehe vor dir, ich existiere. Wir existieren.«
»Wieso sehe ich dich?«, flüsterte ich und konnte nicht begreifen, was ich gerade erlebte. "Was bist du?«
»Weil ich es möchte. Mehr brauchst du jetzt nicht zu wissen.«, sagte er nur, beruhigte sich und ließ mich somit los. »Mein Name ist Darvin Hawkins, nenn mich Darvin.«
Sofort ließ ich meine Schulter sinken und musste kurz über seine Wörter nachdenken. Sie verwirrten mich. Meine Verwirrung konnte ich auch nicht mehr verstecken und ich blieb starr stehen. »Und weshalb tust du das?«, flüsterte ich ihm zu und hob ganz leicht meine Arme, um ihn meine Situation klar zu machen. »Was habe ich dir getan?«
Langsam lehnte er sich gegen die Wand und setzte sich auf dem Boden hin. Seinen Kopf lehnte er nach hinten und seine Augen schloss er. »Liebes, ich verlange echt nicht viel. Nur meine Ruhe.«, sagte er mit sanfter Stimme. »Die, die hereinkommen, bereuen es innerhalb Sekunden. Ich lasse sie bereuen.«
Mein Herz fing wieder an, schneller zu schlagen. »Das warst du, nicht wahr?«, fragte ich. Es war dumm, wütend zu reagieren aber ich wusste nicht, was in diesen Moment mit mir geschah. Der Junge aus meiner Schule kam mir in den Sinn und die anderen Fälle. »Du hast sie alle getötet.«, die Wörter sprach ich verabscheuend aus.
Ohne zu zögern, sprach er die Wörter aus, wovor ich solche Angst hatte. »Dann könnte ich dich auch auf der Stelle töten, du bist bei mir ebenso eingebrochen.«, sagte er ohne Gefühle in seiner Stimme. Als er ein kurzes Schmunzeln aufsetzte, wusste ich nicht, was ich denken sollte. »Keine Sorge, Liebes. Dir tue ich nichts. Noch nicht.«
Je länger er redete, desto verwirrter wurde ich. »Was möchtest du dann von mir?«, fragte ich nochmals. Sofort blickten seine eisigen Augen in meine Richtung und schauten mich eine Weile verwirrt an. Was ging in seinem Kopf vor? Gefühlte zwei Minuten schaute er mich finster und nachdenklich an. Sollte ich etwas sagen?
»Was denkst du von mir, Liebes? Sowas würde ich dir nicht antun.«, stellte er wütend fest, als hätte ich ihn beleidigt. Ich wusste am Anfang nicht, wovon er redete. »Ich werde dich doch nicht beschmutzen.«
Unwillkürlich ging mein Kopf nach unten, meine Wangen glühten. Diese Gedanken konnte ich nicht ausschalten. Es war seltsam, dass er das aussprach. An das hatte ich tatsächlich gedacht und was er sagte, beruhigte mich wenigstens minimal. Davor fürchtete ich mich nämlich am meisten. Nun schaute er wieder auf die Decke, lehnte sein Kopf gegen die Wand und seine finstere Miene verschwand auf der Stelle. »Wo ist Liam?«, fragte ich behutsam, übersprang die unangenehme Situation von eben. Die Wut in mir ließ ich nicht siegen, es musste mir gelingen, ruhig zu bleiben. Sonst würde es alles nur noch verschlimmern.
»Stell diese Frage nicht wieder.«, sagte er genervt, rollte seine Augen und guckte mich dabei nicht einmal an. Das klang bedrohlich, wie er das aussprach. Nun stand er auf den Beinen und bewegte sich zur Tür. Er wollte mich hier alleine lassen, schon wieder. Mit schnellen Schritten eilte ich zu ihm und hielt an seinem Handgelenk, damit er mit mir sprach. Aber mit Leichtigkeit befreite er sich und ignorierte mich. Als er verschwand, ging hinter ihm mit einem lauten Knall die Tür zu, was mich leicht aufspringen ließ. Die Berührung mit der Tür wurde wieder ausgelassen und sie ging alleine zu.
»Du kannst mich hier nicht festhalten!«, schrie ich letztendlich mit Tränen in den Augen hinter ihm her und ballte meine Hände zu Fäusten.
*
*
Die Finsternis schlich sich ins Zimmer, als ich verschlafen meine Augenlider versuchte, auf zu kriegen. Mein Gesicht verzerrte ich, als ich die Schmerzen an meinem Hinterkopf bemerkte. Verdammt, ich war auf dem Boden eingeschlafen. Als ich mein Zimmer gegenüber mir sah, wusste ich, das war doch kein Traum.
Der Mond war genau zwischen den beiden Häusern, verteilte dabei sein Licht ganz leicht im Zimmer. Keine einzige Wolke bedeckte die Sicht. Meine rechte Hand legte ich auf das Fenster, während ich hinaus schaute. Wie sehr ich hier raus kommen wollte.
Vom Augenwinkel bemerkte ich plötzlich Bewegungen. Sofort suchten meine Augen nach der Ursache.
»Mum.«
Als ich sah, wie sie hysterisch in meinem Zimmer auf und ab ging, konnte ich nicht mehr still stehen. Ihr Handy war an ihrem Ohr und sie sah verängstigt aus. Sie war so nah, nur ein Blick zu mir und sie würde mich sehen. Mein Herz würde gleich aus meinem Brustkorb springen. Nur ein Blick.
Und das bekam ich.
Ihre betrübten Augen schauten zu mir rüber und mein Körper erstarrte. »Ja, ja. Ich bin hier.«, flüsterte ich und winkte ihr zu. »Mum.«
Den Hörer nahm sie von ihrem Ohr ab und guckte dabei noch irritierter als ich. Weshalb reagierte sie nicht auf mich?
Mit zugekniffenen Augen betrachtete sie mich von oben bis unten und hob leicht ihren Kopf.
Als ich die Kälte auf meinem Rücken spürte, wusste ich, dass er hinter mir stand. »Sie sieht dich nicht.«, sagte er bitter. »Das kann sie nicht.«
Wovon redete er?
»Weshalb sieht sie mich dann an?«, fragte ich gehässig. »Verschwinde.«
»Sie sieht mich die ganze Zeit an, nicht dich, Liebes.«, sagte er. Wenn ich könnte, würde ich ihn sofort erwürgen aber selbst daran sollte ich nicht denken, er würde sie hören. Also hielt ich die Gedanken fern.
»Ich stehe vor dir.«, gab ich frech und wutentbrannt zurück.
»Was, wenn ich dir sage, dass ich sie daran hindere, dich zu sehen?«, sagte er seelenruhig. Nun drehte ich mich ganz mit meinem Körper zu ihm um und blickte ihn wütend an. »Wovon redest du?«, fragte ich.
»Ich habe die Kontrolle über dieses Haus. Es passiert alles auf meinem Kommando. Wenn ich will, sieht sie dich und wenn nicht, dann sieht sie dich nicht. Es ist ganz einfach.«, sagte er flüsternd, nickend, als ob ich ein kleines Kind wäre und blickte auf mich herab. »Alles in diesem Haus steht in meinem Besitz und du bist nun ein Teil davon.«
Hastig schüttelte ich meinen Kopf. »Nein, nein. Das kannst du nicht mit mir machen. So kannst du nicht mit mir reden.«, sagte ich und spürte, wie die Wut in mir heraus kroch. Sofort drehte ich mich wieder zu ihr um und bekam nur zu sehen, wie sie ohne eine Reaktion wegging.
Sie hatte mich nicht gesehen.
»Nein.«, flüsterte ich schon verzweifelt.
»Und falls sie dich sehen sollte. Was glaubst du denn, was sie gegen mich anrichten könnte? Das würde ihr nur schaden.«, sagte er.
Aber ich überhörte ihn. Schlug gegen das Fenster in der Hoffnung, dass sie mich hören könnte. Er versuchte mich zu provozieren und wenn ich darauf reinfallen sollte, dann würde er siegen.
»Liebes, unterlass das. Du tust dir weh.«, sagte er und ich spürte seine Präsenz genau hinter mir. Noch ein kleiner Schritt und er wäre zu nah. »Hast du mich nicht gehört? Du sollst-«, sagte er und griff nach meinem Handgelenk. Nur brachte er seinen Satz nicht zu Ende, da er unterbrochen wurde.
Als die Türklingel läutete, traf sein kühler Blick genau meine.
* *
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