F O U R I der brief
Ich hatte es geschafft. Hatte mich nicht von meinem Ex provozieren lassen. War nicht darauf eingegangen, hatte ihn einfach nur gekonnt ignoriert.
So, wie ich jetzt auch Kaia ignorierte. Was gemein und unhöflich von mir war. Aber egal. Ich musste jetzt diesen Brief schreiben.
„Hey Mama,
ich bin mir nicht ganz sicher, wie ich diesen Brief anfangen soll. Eigentlich schreibe ich das hier ja auch nur, weil meine Lehrerin es so will. Und du wirst das hier auch nie lesen. Aber ich möchte dir trotzdem etwas schreiben. Über Dinge, die ich dir gerne sagen würde, was aber nicht mehr geht.
Ich vermisse dich. Es ist so schlimm. Ich weiß nicht, wie ich es ohne dich aushalten soll. Warum musstest du gehen? Warum?
Warum musste irgendein behinderter Vollidiot in dich rein fahren?
Es fühlt sich grässlich an, sowas zu schreiben. So realistisch, auch wenn ich es immer noch nicht glauben kann.
Ich denke immer an dich. Wenn ich aufstehe, in der Schule, beim Essen, immer. Träume von dir und bin am nächsten Tag total übermüdet. Aber das ist alles okay. Es ist okay, wenn ich müde bin. Wenn du nur einfach zurück kommen könntest.
Ich denke immer darüber nach, dass ich die Zeit mit dir, nie wirklich wertgeschätzt habe. Und jetzt bist du weg. Nicht mehr da. Nicht mehr bei mir.
Ich habe mit dir gestritten, statt schöne Dinge mit dir zu unternehmen. Warum war ich nur so dumm und dachte, unsere gemeinsame Zeit sei für immer?
Jetzt denke ich an das, was ich dir noch alles erzählen wollte. Du weißt es nicht, aber ich hatte schon meinen ersten Freund. Und ich hatte dieses volle Programm mit Schmetterlingen im Bauch und Dauergrinsen. Ich habe nur immer abgewunken, wenn du mich danach gefragt hast. Ich war mir immer unsicher, wie du reagieren würdest.
Jetzt wünsche ich mir, ich hätte es dir erzählt. Von all diesen Malen, wenn ich glücklich in meinem Bett lag, mit ihm geschrieben habe und in mein Kissen gequietscht habe. Warum hatte ich nur niemals die Chance, es dir alles zu erzählen?
Ich hatte doch noch so viele Fragen an dich. So viele Geschichten, die ich von dir hören wollte. Aus deiner Kindheit, Schulzeit, deiner gemeinsamen Zeit mit Papa. Das alles war so nicht geplant.
Abends, im Bett, rieche ich immer an einem deiner T-Shirts, die ich aus der Wäsche geholt habe, einfach, um dir nah zu sein. Auch wenn ich dein Deo nie wirklich mochte. Jetzt ist es das Einzige, was mich noch mit dir verbindet.
Ich weine mich in den Schlaf, nur um dann von dir zu träumen. Wie du erst da bist und dann verschwindest. Es ist schlimm. Und jedes Mal, wenn ich aufwache, denke ich mir erst, dass es zum Glück nur ein Albtraum war.
Ist es aber nicht. Es ist real. Und dieser Gedanke reißt mir jedes Mal wieder den Boden unter den Füßen weg. Diese Bilder, auf der Beerdigung, als du da runtergelassen wurdest, ich werde es nie vergessen. Die Glocken der Kirche waren so laut, meine Beine haben gezittert und ich hatte Angst umzukippen. Eigentlich wollte ich stark sein, nicht weinen. Habe ich nicht geschafft. Der Moment, als ich die rote Rose auf den herabgesengten Sarg gelegt habe, ist für immer in mein Gehirn eingebrannt.
Es fühlte sich wie ein endgültiger Abschied an. Ich hatte für den Bruchteil einer Sekunde Angst, ich könnte dich irgendwann vergessen. Aber der Schmerz in meiner Brust wird immer bleiben. Da bin ich mir sicher. Ich werde nie aufwachen können und glücklich sein, denn ich denke immerzu an dich.
Es ist leer ohne dich. Dein Platz ist immer leer beim Essen, niemand will sich dort hinsetzen. Und es tut jedes Mal wieder weh. Wenn ich daran denke, dass sich das auch nicht wieder ändern wird. Nie wieder.
Wenn ich unsere Fotos sehe, muss ich lächeln. Du sahst da so glücklich aus. So befreit. Warum kann es nicht immer noch so sein?
Alle sagen mir immer, du würdest nicht wollen, dass ich jetzt so traurig und todunglücklich bin. Aber als ob mir das etwas bringt. Und außerdem ist das der einzige Weg, um auszudrücken, wie sehr ich dich wirklich liebe. Und immer lieben werde.
Nur manchmal fühle ich mich fast schon schlecht, so zu trauern. Papa hat es noch schwerer als ich. Er zerbricht vollkommen. Ich mache mir solche Sorgen um ihn. Er arbeitet viel, will gleichzeitig so viel Zeit wie möglich mit uns verbringen.
Ich habe Angst, dass ich ihm nicht mehr genug bin. Er will dich, nicht mich. Dich hat er geheiratet, weil er dich geliebt hat. Ich war einfach irgendwann da.
Ach, Mama.
Warum ist alles immer so schwer? Kann nicht einmal alles zumindest ein bisschen besser laufen?
Ich habe so viele Träume in der Zukunft, doch in allen kommst du vor. Sag mir, wie soll ich das ohne dich schaffen?
Ich wollte schon immer heiraten. Eine Person, die ich bedingungslos liebe. Mit der ich alt werden und Kinder bekommen will.
Ich hatte so schöne Tagträume, wie du mit Papa und meinen Kindern auf dem Spielplatz bist, wenn niemand sonst Zeit hat. Ich wollte dich so sehr mit meinen Kindern lachen sehen. Wollte, dass ich ihnen erzählen kann, was für eine tolle Mama ich habe.
Aber das geht jetzt alles nicht mehr. Ich sollte aufhören, die ganze Zeit an so etwas zu denken. Mein Herz tut weh, wenn ich daran denke. Das hatte ich bis jetzt immer nur bei richtig emotionalen Büchern. Das es richtig sticht im Herz, es weh tut, das ich merke, dass mein Herz mehr macht, als in einem gleichmäßigen Rhythmus zu klopfen. Ich wollte dieses Gefühl nie wegen etwas in meinem echten Leben fühlen. Aber jetzt ist es so. Und ich kann es nicht ändern.
Aber ich will versuchen, dich stolz zu machen. Ich komme so oft es geht zu dir, besuche dich, bringe frische Blumen mit und setzte mich auf die alte Bank vor dem Grab, bis es dunkel ist.
Ich will wieder mit dem Klavier spielen anfangen, du hast es immer geliebt. Du warst so traurig, als ich aufgehört habe. Es hat einfach keinen Spaß mehr gemacht. Aber jetzt werde ich es wieder machen. Etwas aufnehmen und es dir dann vorspielen.
Ich wünschte, du wärst hier, bei mir. Oder könntest zumindest das hier lesen. Das hören, was ich dir gerne alles sagen würde.
Nun, trotzdem danke, für die schönsten Jahre meines Lebens, Mama. Du hast mir immer geholfen. Egal was war. Du warst mein Anker. Von klein auf. Und jetzt habe ich dich nicht mehr, aber ich sollte dankbar sein, für die Zeit, die wir beide hatten, auch wenn es nicht genug war.
Danke, Mama.
Ich liebe dich so sehr.
Bis irgendwann.
In Liebe, Shayna."
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