PROLOG
Wir waren Kinder, die an die unendliche Weite glaubten. Die dachten, dass der Weihnachtsmann wirklich durch den Kamin klettern würde. Dass der Osterhase wirklich bunte Eier im Garten verteilen würde. Dass die Zahnfee Zähne unter den Kopfkissen stibitzen würden.
Wir waren naiv, jung, unglaublich unerfahren und hatten keine Ahnung, was auf uns auf dieser beschissenen Welt zukommen würde. Wir dachten, das Leben sei unendlich, pink und voller Freude.
Ich denke nicht, dass der Brief, den ich an mein Früheres ich schreiben sollte, so beginnen soll. Wenn ich Mrs Hemswood aber richtig einschätze, ist sie selbst noch ein kleines Kind, das jetzt am liebsten auf dem Spielplatz herumtollen würde, als mit einem Haufen totkranker Jugendliche in einem Raum zu sitzen und sich die Gedanken und Gefühle anhören zu müssen.
Selbst Schuld, wenn man Psychodoc wird.
Okay, okay, ich reiße mich ab jetzt zusammen, okay? Wir tun jetzt so, als hätte es die Zeilen über diesen hier nicht gegeben. Durchstreichen kann ich sie leider nicht, immerhin zählen sie zu den fünfhundert Wörtern dazu, die Mrs Hemswood uns aufgebrummt hat.
Also, lieber fünfjähriger Grayson Zacharias Flynn, hier meine Ratschläge an dich:
Schau', dass du so bald wie möglich von Zuhause wegkommst. Mama wird nie aufhören mit dem Trinken. Auch wenn sie es dir noch so oft verspricht.
Iss' niemals die Peanutbutter-and-Jelly-Sandwiches von Jackson. Erstens hat er die Mischung überhaupt nicht drauf und zweitens habe ich nach wie vor das Gefühl, dass er mir auch andere Dinge als Erdnussbutter untergejubelt hat.
Kümmere dich gut um Butterfly, dieses elendige Vieh wird dir später noch viele lange Nächte in denen du nicht einschlafen kannst beistehen.
Tritt so früh wie möglich einer Sport AG bei. Am besten boxen oder so. Du wirst zwar so etwas wie der Clown der Schule sein, dafür wird es dir Zuhause umso mehr helfen, wenn du richtig zuschlagen kannst.
Lass' deine Hosen an, wenn du Bilder von dir machst, auch wenn das Mädchen noch so schön aussieht und dich noch so nett darum bittet.
Verbring' viel Zeit mit Jackson, weil dieser Idiot von großer Bruder sich schneller als du denken kannst, verpissen wird.
Versuche in der Schule aufzupassen und dir nicht die ganze Zeit Drogen unterjubeln zu lassen. Mr Fletcher, dieser Volltrottel, wird dir niemals glauben, dass du die Kekse nicht gebacken hast. Und glaub mir, es gibt nichts ekligeres, als die Toiletten der Jungs im Keller zu putzen und die Gespräche mit dem Schulpsychologen ziehen sich wie eingetrocknetes Kaugummi.
Komm' gar nicht in die Versuchung, dich selbst zu verletzen, wenn alles zu viel wird, sondern geh laufen. Frische Luft hilft und du wirst nicht angeschaut, als wärst du der suizidgefährdete Sohn von Tamarah Willston, der verrückten Witwe am Ende der St. Gregory Street.
Freunde sind was für Looser. Glaub' mir, nicht einmal Logan Rowland wird die lange beistehen. Alleine lebt es sich besser und unproblematischer.
Wenn ich mich jetzt nicht verzählt habe, komme ich auf vierhundertdreiundachtzig Wörter. Mrs Hemswood hat mich gerade übrigens angelächelt, als sie gesehen hat, dass ich bereits beim dritten Blatt bin. Wenn sie lesen würde, was ich hier geschrieben habe, würde sie mir vermutlich nur noch mehr Einheiten aufbrummen.
Soll sie doch.
Lange bin ich nicht mehr hier. Und wenn sie mir die letzten Atemzüge mit ihren Mal- und Kunsttherapien vermiesen möchte, werde ich der Letzte sein, der sie aufhalten wird.
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