Kapitel 55
River
Ich saß gefühlt weitere fünf Minuten auf dem Ledersitz und starrte das Mercedes-Benz Logo an dem Lenkrad an, obwohl ich bereits zu Hause ankam. Nur wenige Meter war ich von der Haustür entfernt und müsste nun eigentlich aus dem Wagen aussteigen.
Sobald ich jedoch die Türschwelle betrat, hieße das, dass mein Urlaub ein für alle Male vorüber war. Es sollte aber noch nicht enden. Wenn es nach mir ginge, hätte ich lieber noch mit Antoinette herumgealbert und den gewöhnlichen Alltag vergessen.
Jetzt bereute ich es sogar, dass ich mit ihr keine Zwischenstopps gemacht hatte. Die drei Tage vergingen wie im Flug und wenn ich daran zurückdachte, erlebten wir relativ wenige schöne Momente. Wir hätten das Wochenende, trotz Weihnachten, verlängern sollen. Ohnehin hatten wir schon Schulferien.
Zwar würde ich das niemals offen zugeben, aber der Gedanke, dass ich in Kürze wieder meinem Vater gegenüberstehen musste, jagte mir Angst ein. Nach meinen unschönen Worten wollte ich nicht wissen, was mir nun bevorstand. Ich hatte gewiss mit dem Feuer gespielt.
Aber ich wusste, dass ich mich daran verbrennen würde, also musste ich auch den bittersüßen Schmerz der Flammen ertragen. So eine verfickte Scheiße! Dad könnte mich eigentlich kreuzweise- ich bereute noch immer nichts. Und doch fühlte ich mich wie eine feige Nuss.
Wo blieb nur mein Selbstbewusstsein von Freitag? Sie sollte keinen Teilzeitjob leisten, sondern ständig für mich arbeiten. Ohne Pause- rund um die Uhr. Insbesondere, wenn ich es wieder einmal mit dem Teufel höchstpersönlich zu tun hatte.
"Du bist am Arsch, River", murmelte ich vor mich hin, steckte unsanft den Schlüssel aus dem Zündloch und gab mir einen Ruck. Im nächsten Moment hing ich mir die Reisetasche um und steuerte in die Richtung der Haustür.
Leise lief ich den Flur entlang. Möglichst unauffällig versuchte ich in mein Zimmer zu gelangen, was sich glücklicherweise als einfach herausstellte, da mein Vater nicht zu sehen war. Wenig später öffnete ich erleichtert meine Zimmertür.
Abrupt hielt ich inne, mein Atem stockte. Drehte ich jetzt komplett durch, oder lag tatsächlich meine Schwester auf meinem Bett? In Lanas Hand erkannte ich meinen blauen Nintendo und seelenruhig schien sie irgendein Spiel darauf zu spielen.
"Du bist zurück!", entdeckte sie mich einen Augenblick später erfreut und als nächstes spürte ich nur noch, wie sie mich in eine feste Umarmung zog. Immer noch perplex ließ ich es über mich ergehen und legte meine Arme um sie.
"Aber- wie bist du- Ich verstehe das nicht. Was ist hier eigentlich los?", redete ich wirr darauf los, nachdem sie mich losgelassen und mit auf das Bett gezogen hatte, damit wir uns in Ruhe im Sitzen unterhalten konnten.
Nach wie vor realisierte ich nicht, dass Liliana neben mir saß. In unserem Zuhause, in meinem Zimmer. Damit rechnete ich auf dem Heimweg wahrlich am wenigsten. Ihr Blick verriet mir, dass sie meine momentanes Empfinden und meine Verwirrung bestens nachvollzog.
"Es ist vorbei, River. Ab sofort bin ich wieder zu Hause- die Baizens können uns nichts mehr!", erklärte sie sanft, während ein Lächeln ihre Lippen umspielte. Ihre Worte machten doch keinen Sinn. Ich war doch bloß drei Tage weg und jetzt sollte alles wieder in Ordnung sein? Blödsinn.
"Meinst du mit uns nur uns beiden oder ist Dad mit eingeschlossen?", wollte ich wissen und fasste nicht, dass mein erster Gedanke trotz allem seine Sicherheit war. Prinzipiell sollte es mir nämlich egal sein, wie diese Geschichte für ihn ausgehen würde. Ich war eben nicht herzlos.
Lana verzog missbilligend das Gesicht. "Mir doch egal, was mit ihm ist. Er hat das uns eingebrockt, also trägt er auch die Konsequenzen. Für uns jedenfalls keine Kämpfe und auch keine durchgeknallte beste Freundin mehr. Mit Blair bin ich fertig, die gehört in die Irrenanstalt!"
Ich nickte verstehend. "Er ist aber trotzdem unser Vater, Lana. Vergiss das nicht", merkte ich für Ersteres an. "Es sollte uns nicht egal sein!" Meine Schwester atmete bloß genervt aus und verdrehte die Augen. Dennoch wusste ich, dass sie meine Worte ernst nahm.
"Ich weiß, zu was dich Blair gezwungen hat. Kurz nach eurem Gespräch hat sie mir alles erzählt. Davor hatte ich von ihren Machenschaften keine Ahnung", fuhr sie dann fort. Da wurde mir so Einiges klar. "Also hat sie nur geblufft, als sie meinte, wir müssten bis Weihnachten warten."
Meine Schwester schüttelte verneinend ihren Kopf, weswegen ich mich wieder im Unklaren fühlte. "Das ist so nicht ganz richtig. Jemand anderes hat sich darum gekümmert und uns geholfen." Noch bevor ich fragen konnte, von wem die Rede sei, huschte ihr Blick nach rechts.
Da ich mir nicht erklären konnte, wieso sie plötzlich nochmals lächelte, drehte ich meinen Kopf ebenso zur Tür. Wen ich sah, konnte ich kaum glauben. Sie hatte sich die Jahre über kaum verändert. Ihr Anblick brachte mich vollkommen aus der Fassung.
"Mom...", entfuhr es mir aufgelöst. Sie stand angelehnt im Türrahmen, betrachtete uns mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck und betrat schließlich den Raum. "Ihr zwei habt sicherlich viel zu besprechen! Ich lasse euch mal alleine...", erhob sich Lana und rauschte an ihr vorbei.
"Willst du mich nicht begrüßen, River?", forderte Mom lächelnd, derweil sie erwartungsvoll ihre Arme ausbreitete, zumal ich nach wie vor wie versteinert an derselben Stelle saß und keinerlei Anstalten machte, mich aus meiner Starre zu lösen.
Was zum Fick ging hier gerade ab? Offensichtlich träumte ich nicht, aber es wirkte surreal, dass tatsächlich meine Mutter vor mir stand und eine angemessene Begrüßung erwartete. Als wäre nie etwas passiert. Als hätte sie mich nicht all die Jahre über gemieden.
Ein Teil von mir war zugegeben misstrauisch, während der andere Teil in mir jedoch nur noch in ihre Arme fallen wollte. Keine Sekunde später lief ich auf sie zu. Ohne zu überlegen, zog ich sie in eine innige Umarmung und vergrub mein Gesicht in ihrer Halsbeuge.
Sie roch genauso wie in meiner Erinnerung, vielleicht sogar noch besser. Mein Herz schlug ganz aufgeregt und mir wurde bewusst, wie sehr ich mich eigentlich nach ihrer mütterlichen Nähe und Zuneigung gesehnt hatte.
Das Gefühl, das ich in diesem Moment empfand, war mir irgendwie fremd. Genau genommen vergaß ich, wie sich ihre Berührungen- die Intensivität ihrer Umarmungen- anfühlten. Es fühlte sich real an, nicht gezwungen.
Als würde sie mir auf dieser Weise vermitteln, dass sie mich genauso vermisst hatte. Ich ihr nie egal gewesen war. Und verdammt, ich hoffte so sehr, dass diese Begegnung nicht mit einer Enttäuschung enden würde. Denn ich möchte sie nicht loslassen- in vielerlei Hinsichten.
"Jetzt sieh dich mal an, wie groß du geworden bist!", sprach sie gerührt, als sie mich sanft losließ und mit ihren Fingern zaghaft meine Kieferpartie und Wangen nachfuhr. Ich wollte mir von ihr nicht anhören, dass ich mich äußerlich- logischerweise- verändert hatte.
Sie würde damals und heute vergleichen, was mir überhaupt nicht gefiel. Mom sollte nicht noch mehr Salz in die Wunde streuen und nochmals verdeutlichen, dass sie mich nie per Videochat oder durch einen normalen Anruf kontaktiert hatte.
Wäre das nämlich der Fall gewesen, hätte ich sie nicht sonderlich überrascht. Sie wäre in meinem Leben immer noch präsent gewesen. Das machte ich ihr auch deutlich, indem ich ablehnend ihre Handgelenk umfasste und sie nach unten drückte.
"Kannst du mir zuerst erklären, was hier vor sich geht?", verlangte ich unbeirrt. Meine Mutter nickte stumm, deutete mir an, dass wir uns lieber setzen sollten, worauf ich dem nach ging. Also nahmen wir auf meinem Sofa Platz.
"Am Freitag...da hat mich dein Vater angerufen. Er hat mir von eurem Streit erzählt", begann sie. Es fiel mir schwer zu glauben, dass er Mom extra deswegen sprechen wollte, schließlich telefonierten sie nur, wenn es wirklich nötig war.
Dad gab es zwar nicht zu, aber er verkraftete ihren Umzug bis heute nicht. Die Leere, die sie hinterließ, erinnerte ihn jedes Mal daran, dass er es bei ihr vermasselt hatte- Etwas, womit er nicht klar kam. Kratzte wohl übermäßig an seinem beschissenen Ego.
"Natürlich wollte ich wissen, wieso ihr euch überhaupt auseinandergesetzt habt, wodurch er gezwungen war, mit der ganzen Wahrheit herauszurücken. An diesem Tag haben wir bis in die Nacht telefoniert und uns gestritten, bis er mich angefleht hat, herzukommen."
Selbstverständlich tat er das. Ich hätte wissen müssen, dass sie letztendlich den ganzen Mist hier beseitigen würde. Immer brockte sich nämlich mein Vater die Suppe ein, die Mom dann wieder auslöffeln musste.
Das ging eine Weile auch gut, bis sie keine Lust mehr dazu hatte, ihm ständig aus der Klemme zu helfen. Sie ertrug es einfach nicht mehr, dass Dad gerne Risiken einging, denen er ganz klar nicht gewachsen war. So zerbrach das, wie die Außenwelt sie zu nennen pflegten, das furchtlose Duo.
Bitter lachte ich auf, das war einfach nur unglaublich peinlich. "Ganz schön ironisch, dass du genau aus solchen Gründen das Weite gesucht hast, insbesondere weil du ihm nicht mehr helfen wolltest, und genau deswegen seinetwegen wieder zurückkehrst."
Einen Moment lang betrachtete sie mich schweigend, wobei ich ihren Blick genauso still erwiderte. "Du irrst dich, River", ihre Stimme klang brüchig, fast schon wie ein Wispern. "Ich bin hier, weil er nicht auf Liliana aufpassen konnte. Weil er sich nicht um dich sorgen konnte."
Noch bevor ich darauf etwas erwiderte, griff sie mit einer scheuen Bewegung nach meinen Händen und hielt sie fest. "Vor allem bin ich deinetwegen hier!", schob sie diesmal entschlossen nach. Eigentlich sollte mich ihre Absicht freuen.
Ich wollte ihr so gerne Glauben schenken, doch ich konnte nicht. Es ging nicht, irgendetwas hinderte mich daran, ihren Worten eine positive Reaktion zu geben. Dabei wünschte ich mir seit Jahren diesen bedeutungsvollen Moment und sehnte mich nach ihrer Rückkehr.
"Du hast dich nie gemeldet", sagte ich stattdessen betrübt. Ich musste diese Frustration, die ich bloß ihretwegen angestaut hatte, endlich loswerden. Ihre Miene veränderte sich schlagartig. Sie machte einen traurigen Eindruck und ich merkte, wie sie nach Worten ringte.
Aber sie musste dazu nichts erwidern. Wissend, dass ihr durchaus bewusst war, wie sehr ich darunter litt, setzte ich erneut zu Sprechen an. "Mom, ich hätte wirklich alles gegeben, nur um deine Stimme zu hören. Aber selbst zwei Minuten deiner Zeit hast du mir nicht vergönnt."
Ihr Gesichtsausdruck spiegelte Reue wieder, sie fühlte sich schuldig. Ich schluckte, als ich sah, wie sich Tränen in ihren grünen Augen sammelten. Diesen Anblick ertrug ich nicht. Es schmerzte, sie so zu sehen. Aber die Wahrheit war eben nicht immer schön, sie konnte dich auch quälen.
"River, es ging nicht anders. Du weißt selbst, wie sehr mich die Ehe mit deinem Vater belastet hat. Ich brauchte den Abstand, musste raus und mich neu finden. Das wäre niemals möglich gewesen, wären wir weiterhin telefonisch in Kontakt geblieben."
Ich respektierte zwar ihre Entscheidung, dass sie auch mal für sich selbst leben wollte, aber ich begriff nicht, wieso es meinetwegen nicht funktionieren würde. Sie sah mich als ein verficktes Hindernis an. Diese Erkenntnis war es, was mich niederschmetterte.
"Warum nicht?", möchte ich wissen. Meine Stimme klang leise, kraftlos. Und zugegeben fürchtete ich mich vor der Antwort. Sie lächelte mich traurig an. "Du hättest versucht, mich umzustimmen, zumal du weißt, dass ich keiner deiner Bitten abschlagen kann."
Das stimmte, Mom konnte mir nicht widerstehen. Das konnte sie noch nie. Diese kilometerweite Entfernung änderte daran absolut nichts. "Worauf du dann den nächst besten Flug zurück nach Hause genommen hättest." Und der Teufelskreis erneut begonnen hätte. Ohne Veränderungen.
Meine Mutter nickte langsam. "Ich wusste, du würdest es verstehen." Das tat ich, aber dennoch fühlte ich mich durcheinander. Dieses Gespräch strapazierte meine Nerven. "Wenn es so ist, wieso gabst du mir dann das Gefühl, dass ich unerwünscht wäre?"
Erschrocken riss sie die Augen auf. "Das dachtest du etwa?", fragte sie fassungslos. Ich antwortete nicht. "Liebling, ich hätte dich immer willkommen geheißen! Du hättest mich jederzeit besuchen, gar zu mir ziehen dürfen. Für dich war immer ein Platz frei gewesen."
Sie klang aufrichtig, es hörte sich überhaupt nicht nach einer Ausrede an. In diesem Augenblick begriff ich es. Es ging um die Distanz. Es wäre anders gewesen, wenn ich zu ihr nicht nur den telefonischen Kontakt gesucht hätte. Eine Begegnung hätte sie nämlich niemals abgelehnt.
"Ständig hat Liliana mich gefragt, ob sie nicht den leeren Raum in ein sogenanntes Chillzimmer umwandeln darf, doch ich war jedes Mal dagegen." Lana kam wieder herein und nickte eifrig. Scheinbar hörte sie uns seit einer Weile zu, weswegen ich schmunzeln musste. Typisch meine Schwester.
"Das stimmt!", bestätigte sie. "Mom hat es mir nicht erlaubt, weil sie hoffte, dass der Raum eines Tages vielleicht dein Schlafzimmer wird. Sie wollte, dass du es nach deinem Geschmack einrichtest und dich wie zu Hause fühlst. Dazu kam es aber leider nie."
Wie denn auch, wenn ich geglaubt hatte, dass sie mich nicht bei sich haben möchte. Wow, ich stellte fest, dass ich zuvor noch nie dermaßen falsch gelegen war. Lanas nächste Anmerkung hierfür, machte mir dies nochmals deutlich, weswegen ich mich abrupt mies fühlte.
"Sie hat täglich von dir gesprochen und dich vermisst. Es gab keinen Abend, an dem sie Dad nicht angerufen hat, um sich nach dir zu erkundigen", erzählte sie schmunzelnd. "Also Bruderherz, nur weil sie dich nie angerufen hat, heißt es nicht, dass sie nicht an dich dachte."
Mein Blick galt wieder meiner Mutter. Sie schaute mich liebevoll an. Allein das bestätigte die Glaubwürdigkeit von Lanas Worten. Schließlich schloss ich sie nochmals in meine Arme. "Du hast mir gefehlt", nuschelte ich in ihr Haar hinein.
Ihre innige Umarmung schenkte mir so viel Wärme und Geborgenheit, sodass all der Frust und die Wut in Vergessenheit gerieten. Ich möchte nämlich nicht länger nachtragend sein. Immerhin hatte ich sie wieder. Nur das sollte zählen.
Mom gab mir einen Kuss auf die Wange, ehe sie mich nur noch an den Händen hielt. "Ich gehe nirgendwo mehr hin. Mein Platz ist hier. So schnell wirst du mich nicht mehr los, River", sprach sie sanft, worauf ich leise auflachte. "Das will ich auch nicht."
Ich spürte, wie Lana von hinten ihre Arme um mich legte. "Ich störe zwar ungern euren lang ersehnten Mutter-Sohn-Moment, aber eine Frage hätte ich da noch an dich, die sicherlich auch River interessiert...", sagte sie zu ihr, weswegen wir beide erwartungsvoll zu ihr aufblickten.
"Wie hast du es geschafft, dass Liam Baizen sich zurückzieht?" Oh ja, die Antwort wollte ich ebenso wissen. Eine sehr schlau formulierte Frage. Props an dich, Schwesterherz. "Aber echt, der Mann ist skrupellos. Der würde doch niemals den Schwanz einziehen!"
Meine Mutter warf mir sogleich einen strengen Blick zu. "Ausdruck, River!", mahnte sie mich, weshalb ich grinsen musste. Einige Dinge änderten sich wohl nie. "Aber ja, das meine Lieben, ist ein Berufsgeheimnis." Mit diesen Worten stand sie von ihrem Platz auf.
Wissend, dass Liliana und ich uns mit ihrer Antwort keinesfalls zufrieden gaben, lief sie seelenruhig lächelnd aus meinem Zimmer, worauf meine Schwester und ich ihr perplex hinterher sahen. "Ich denke, ich weiß, was sie getan hat", meinte ich wenige Sekunden danach.
"Bestimmt hat sie ihm zuerst einen Deal angeboten, den er nicht annehmen wollte", vermutete Lana, wobei ich dem nur zustimmen konnte. "Worauf sie ihm gedroht hat, eine Klage einzureichen, da sie handfeste Beweise hat", spekulierte ich weiter.
Meine Schwester bejahte, während leichte Belustigung in ihrem Ton mitschwang. "Weil alles, was er Dad antat, mit Erpressung zusammenhängt. Am Ende landet er sowieso in einer Zelle", schlussfolgerte sie und ich merkte, dass wir beide nach wie vor ein gutes Team abgaben.
"Hast du vorhin etwa die ganze Zeit über uns belauscht?", wollte ich anschließend tadelnd von ihr wissen. Lana schüttelte lachend ihren Kopf. "Ich war bei Dad, weil ich ihm ein schlechtes Gewissen machen wollte, aber irgendwie hat es mich gelangweilt, zumal er nicht mehr darauf eingegangen ist. Gestern war das viel spaßiger gewesen!"
Seufzend schüttelte ich den Kopf, sie war einfach nur unverbesserlich. "Ist er etwa in seinem Arbeitszimmer?", erkundigte ich mich, worauf ein Nicken als ihre Antwort diente. Ihre Hände ruhten immer noch auf meinen Schultern, weshalb sie zurückschreckte, als ich rasch aufstand.
Lana sah mich leicht böse an. "Sorry", gab ich belustigt von mir, während ich meine Hosentasche nach dem Autoschlüssel abtastete. "Ich lasse mich kurz bei ihm blicken", informierte ich sie anschließend, als ich das Metallstück spürte.
"Viel Glück!", rief sie mir ermutigend hinterher. Das könnte ich ungelogen wirklich brauchen. Mit verkrampfter Haltung klopfte ich an seiner Tür an. "Herein!", ertönte es von der anderen Seite. Unverzüglich betrat ich das Zimmer.
Mein Vater sagte nichts, als er mich erblickte, weswegen ich den ersten Schritt machte und vorsichtig den Autoschlüssel vor ihn auf den Tisch legte. "Danke!", presste ich hervor, zwang mich zu einem Lächeln und schob die Hände in meine Hosentaschen.
Dass er den Kugelschreiber zu Seite legte, zeigte mir, dass er nun seine Aufmerksamkeit bloß mir widmen wollte. "Wofür? Du hast ihn dir doch einfach genommen", erwiderte er verwundert. Er dachte wohl, dass ich das Auto meinte. "Davon rede ich nicht", stellte ich ruhig klar.
Dad zog die Augenbrauen zusammen. Scheinbar musste ich mit ihm wohl doch in ganzen Sätzen sprechen. "Danke, dass du Mom hergeholt hast." Diesmal klang ich weder unschlüssig noch verkrampft. Dafür könnte ich mir ruhig innerlich auf die Schulter klopfen.
Seine Gesichtszüge wurden auf einmal weicher. Ich glaubte sogar, ein leichtes Lächeln auf seinen Lippen wahrzunehmen, doch vielleicht war das bloß Einbildung. "Ich habe nur getan, was nötig war. Wenn auch etwas verspätet."
Ich nickte nur, weil ich nicht wusste, was ich dazu groß erwidern sollte und möchte schon den Raum verlassen, doch da hörte ich ihn meinen Namen sagen. "Hm?", murmelte ich fragend. Dad beugte sich nach vorne, verschränkte auf dem Tisch seine Finger ineinander und räusperte sich.
"Während deiner Abwesenheit habe ich viel über dich nachgedacht. Insbesondere auch, weil deine Mutter mir nochmal ins Gewissen geredet hat. Ich sehe vollkommen ein, dass ich mich dir gegenüber nie fair verhalten habe. Das hast du keinesfalls verdient, River."
Ich hoffte stark für ihn, dass er mich nicht verarschte, nämlich musste ich ziemlich dumm aus der Wäsche gucken. Landete ich etwa in einer fucking Parallelwelt, in der selbst mein Vater Schuldgefühle bekam, oder was ging hier jetzt schon wieder ab?
Scheiße man, da machte ich einmal Urlaub und schon passierten Dinge, die ich mir vor Wochen nicht einmal zu träumen gewagt hätte. Plötzlich ging alles wieder bergauf und ich konnte mir beim besten Willen nicht erklären, wie das möglich war. Krass. Einfach nur krass.
Dad öffnete eine Schublade, derweil ich ihn verdutzt anstarrte und sah, wie er im nächsten Augenblick zwei kleine Karten in den Händen hielt. "Das sind Karten für das anstehende Basketballspiel! Ich habe die besten Plätze besorgt. Du kannst ja Hunter fragen, ob er mit will."
Himmel, jetzt schenkte er mir auch noch Eintrittskarten für ein Basketballspiel. Wieso gruselte mich diese nette Geste? Ach ja, so etwas war ich von ihm nicht gewohnt, deswegen. Zögerlich nahm ich sein Geschenk an, das er mir erwartungsvoll entgegen hielt.
"Cool", versuchte ich locker zu klingen, woran ich jedoch kläglich scheiterte. "Ähm, wieso genau bekomme ich die jetzt von dir?", schob ich anschließend verunsichert nach. Dad nahm einen ungewohnt sympathischen Ausdruck an. Die ganze Situation war doch suspekt.
"Ich weiß, dass zwei einfache Karten nichts daran ändern werden, dass ich dir ein schlechter Vater gewesen war, aber ich möchte mich bessern. Das sollte ein Anfang werden", erklärte er sowohl bestimmt als auch ein wenig zurückhaltend. "Sofern du es natürlich auch zulässt!"
Ehrlich gesagt überzeugte er mich nicht vollkommen, da ich nur seine schlechten Absichten mitbekam, gar diese Seite von ihm erst jetzt kennenlernte, doch ich entschied mich, ihm diese Chance zu geben. Schließlich sollte ich ihm keine Steine in den Weg legen.
Wenn er also entschlossen war, ein besserer Mensch zu werden, sollte er es meinetwegen versuchen. War umso vorteilhafter für mich. Trotzdem bedeutete das nicht, dass er sein Versprechen auch einhalten würde. Es würde gewiss schwierig werden, eine Basis zwischen uns zu gründen. Niemand veränderte sich von heute auf morgen.
"Natürlich, das hört sich gut an", erwiderte ich. Mir entging nicht, wie er sich darüber freute. Oh man, er meinte es wirklich ernst. Eine peinliche Stille herrschte zwischen uns. Normalerweise umgingen wir sie, da wir uns stritten, aber das schien ja wohl nicht mehr der Fall zu sein.
"Du, Dad?", fing ich wieder an, da er sich allmählich wieder auf seine Arbeit konzentrieren wollte. Er blickte erneut zu mir auf. "Hunter ist eine Weile lang nicht in der Stadt. Außerdem wäre es besser, wenn du mich zum Spiel begleiten würdest. Möchtest du mitkommen?"
Sichtlich rechnete er nicht mit meiner Frage. Das hätte ich selbst nicht von mir erwartet. Doch der Gedanke, mit ihm den Tag zu verbringen, gefiel mir eigentlich ausgesprochen gut. "Ich denke, ich kann meine Termine für dich canceln. Sehr gerne, River."
Im nächsten Moment schloss ich die Tür hinter mir zu. Ein Grinsen schlich sich auf meine Lippen. Meine Mutter sowie auch meine Schwester war hier, mein Vater entschied sich für das Gute und ich konnte mich nur glücklich schätzen, da meine Familie endlich wieder vereint war.
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Alles wendet sich wohl zum Guten...
Eure Meinungen zu seiner Mutter?
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