Kapitel 50
Meine Hand ruhte nach wie vor an der Türklinke, während ich merkte, wie sich mein Griff verstärkte. Mein ganzer Körper spannte sich an. Verzweifelt versuchte mein Gehirn, die Worte meines Vaters vollständig zu verarbeiten. Sekunden danach drehte ich mich um und blickte in seine verstohlen lächelnde Visage.
Es war schwierig zu unterscheiden, ob er die Wahrheit aussprach oder doch nur bluffte. Im Moment schien er wieder die Ruhe in Person zu sein. Ich ließ mir zwar nichts anmerken, aber seine Andeutung, dass ich ebenso Schuld trüge, verunsicherte mich.
"Klar, und ich bin Präsident der USA", entfuhr es mir ironisch. "Netter Versuch, aber du kannst mich nicht von meinem Vorhaben abbringen." Was er da behauptete, war doch absurd. Ich hatte nichts Falsches getan. Das alles ergab sich aus seinen Fehlern, nicht aus meinen.
Dad musterte mich nachdenklich. "Du denkst also, ich lüge?", entgegnete er fragend. Selbstverständlich tischte er mir hier erbärmliche Lügen auf. Für die Wahrheit war das nämlich viel zu weit hergeholt.
Ihm waren doch bloß die Erpressungsmöglichkeiten ausgegangen, da ich ihm erfolgreich klar gemacht hatte, dass ich nicht länger als seine Marionette diente. Ungelogen verspürte ich Stolz. Diesmal ließ ich mich garantiert nicht manipulieren, diese Zeiten waren endgültig vorüber.
"Du kannst mich nicht verarschen, Dad", meinte ich überzeugt, worauf er überrascht die Augenbrauen hob. "River, ich bin garantiert kein Lügner. Das solltest du doch mittlerweile eigentlich wissen." Einen Scheiß musste ich, das war doch alles nur reine Täuschung.
"So so, was habe ich denn angestellt? Sag es mir ruhig auch, damit ich deine Anschuldigung besser nachvollziehen kann." Jetzt war ich aber gespannt, welche Ausrede er nun benutzen würde. Sie würde sicherlich genauso lächerlich werden wie sein Versuch, mich hier zu behalten.
Er schnalzte mit der Zunge und grinste diabolisch. "Du bist dir deinem Fehler nicht bewusst?" Unbeirrt von seiner Frage vergrub ich meine Hände in die Hosentaschen. "Wäre ich mir bestimmt, wenn ich etwas falsches getan hätte", antwortete ich ruhig.
Mich nervte dieses Frage - und Antwortspiel, er sollte einfach mit den Fakten raus rücken. Ganz gleich ob sie stimmten oder nicht.
Sobald ich all meine schlechten Taten überdachte, kamen da jede Menge Dinge heraus, was ich mir lieber hätte verkneifen sollen. Angefangen von meinen sturzbetrunkenen Nächten, wobei meine logischen Gedankengänge aufgaben und fremdschämende Ereignisse zu Stande kamen.
Einige Male konsumierte ich auch Drogen. Meine Neugierde trieb mich hierzu. Dabei kam natürlich ebenso nichts Gutes heraus. Auf mein pubertierendes, rebellisches, sechzehnjähriges-Ich war ich nicht sonderlich stolz. Mir war der ordentliche Weg lieber.
Dennoch brachte mich keins dieser Sünden in solch eine missliche Lage. Das konnte Dad nicht meinen. Offensichtlich wusste er mehr als ich und ich wäre ihm wirklich dankbar, wenn er endlich in vollen Sätzen sprechen würde.
"Erinnere dich zurück an diesen Sommer", gab er mir schließlich einen Anhaltspunkt. "An meine Geschäftsfeier, die du so langweilig fandest. Weißt du etwa nicht mehr, was danach passiert ist?" Fuck man, die lag Monate zurück. Woher sollte ich wissen, was ich da gemacht hatte.
"Ich weiß nur noch, dass ich auf Keshavs Party geflüchtet bin." Er nickte verstehend, stützte sich am Tisch ab und ließ sich hinterher auf seinen Schreibtischstuhl fallen. Unbeholfen sah ich Dad weiterhin an. Ich checkte kein bisschen, worauf er hinausgehen wollte. Was hatte der Abend mit diesen Geschehnissen zu tun?
"Du überraschst mich nicht, River." Da war er wieder. Der Hauch von Missachtung in seinem Ton. Irritiert darüber, nahm ich sofort vor seinem Tisch auf einen der Sessel Platz. "Was soll das jetzt schon wieder heißen?", verlangte ich genervt zu wissen.
Dad tippte mit der Spitze des Kugelschreibers auf den Tisch, taktvoll zu seinen Worten. "Du trägst keinerlei Verantwortung! Dazu handelst du, ohne die Konsequenzen zu bedenken." Ich musste wohl ziemlich verdutzt gucken. Das stimmte doch nicht, ich überlegte sogar zweimal, bevor ich meine Pläne in die Tat umsetzte.
"Was laberst du wieder für eine Scheiße? Ich bin durchaus verantwortungsbewusst!", stritt ich verständnislos ab. "Nur weil du so blind bist, um zu merken, was für ein Mensch dein Sohn ist, hast du noch lange nicht das Recht, mich so zu verurteilen!"
Es gab viel Unausgesprochenes, was ich ihm eigentlich längst hätte sagen müssen. Das war eins der Dinge, das mir auf dem Herzen lag. Dieser Moment zeigte sich als Chance, um ehrlich mit meinem Vater zu sein. So eine Gelegenheit bot sich nur einmal an.
Sein Gesicht nahm einen Ausdruck an, welcher mir überhaupt nicht gefiel. Mir war plötzlich, als stände vor mir die ganze personifizierte Missachtung und Herabwürdigung. "Oh doch- ich sehe, was für ein Mensch gerade vor mir sitzt. Jemand, der die Tochter meines Geschäftspartners entjungfert und am nächsten Morgen einfach abhaut!"
Für einen Bruchteil einer Sekunde vergaß ich das Atmen. Ungläubig riss ich die Augen auf, ich konnte nicht fassen, was er mir da vorwarf- Das sollte ich getan haben? Lieber sprang ich von der Klippe, als auf dieser Weise mit den Gefühlen eines Mädchens zu spielen. Nein, das hatte ich ganz bestimmt nicht getan. Ich war kein Widerling.
Denn nun kamen mir plötzlich viele Erinnerungen an jene Nacht wieder hoch. Auf der Feier war auch Blair Baizen anwesend gewesen, die Tochter seines Partners. Ich hatte sowieso den Plan gehabt, später zu Kesh zu fahren. Zumal Blair sich dort ebenso langweilte, nahm ich sie mit.
Nachher, als ich sie wieder nach Hause brachte, wollte sie, dass ich bei ihr blieb, doch ich lehnte ab. Ich schlief nicht mit der besten Freundin meiner Schwester- auch wenn sie das gern gewollt hätte. Ihre Körpersprache war hierbei verständlich gewesen.
"Ehrlich, River. Es gibt so viele Mädchen und du vögelst ausgerechnet Blair Baizen. Ich wusste ja, dass du mich letztendlich enttäuschen würdest, aber das ging wirklich zu weit!", sprach Dad unbeirrt weiter, meiner fassungslosen Reaktion gar keine Beachtung schenkend.
Ich wusste ja, dass du mich letztendlich enttäuschen würdest... Mein eigener Vater hatte keinen Vertrauen in mich. Offenbar war ich für ihn ein Niemand. Keine Person, die er beachten und wertschätzen müsste. Autsch, diese Erkenntnis traf mich wie ein Schlag in die Magengrube.
"Liam zeigt demjenigen gegenüber, der seine Tochter verletzt, kein Erbarmen. Aus Rache hat er mir Liliana genommen, damit sie ebenso leidet und dich für die Kämpfe gezwungen. Alles andere sind meine Fehler gewesen. Verstehst du jetzt, warum du Schuld daran bist, dass deine Schwester in den Händen dieses Mistkerls ist?"
Gekränkt blickte ich ihm in die Augen, seine Worte verletzten mich. Es tat weh, zu wissen, dass er sofort dem Glauben schenkte, anstatt mich nach der Glaubwürdigkeit dieser Geschichte zu fragen. Dad ging sofort davon aus, dass ich Blair wehgetan hatte. Das sagte wahnsinnig viel über ihn und unserem Vater-Sohn-Verhältnis aus.
"So wenig kennst du mich, also?", entfuhr es mir enttäuscht. "Die ganze Zeit über wusstest du Bescheid, aber du hast mir nichts davon erzählt?" Mein Vater stieß einen Seufzer aus, hielt kurz inne und schaute mich anschließend wieder an. "Ich habe dir nur den zusätzlichen Druck erspart. Du warst gestresst, noch mehr Kummer wollte ich dir nicht zumuten."
Mehr setzte er doch weitere Monate drauf. Lana wäre längst daheim gewesen, ich müsste nicht boxen und diese Sache hätte schnell sein friedliches Ende gefunden, wenn er verdammt nochmal sein Wissen mit mir ausgetauscht hätte. Aber nein, natürlich schadete Dad mir und meiner Schwester nur noch mehr.
"Hier liegt ein großes Missverständnis, das stimmt alles nicht!", stellte ich klar. "Zwischen Blair und mir lief nichts! Diese Ratte hat ihrem Vater die falsche Version von jener Nacht erzählt. Sie wollte mir nur schaden, weil meine Abweisung an ihrem großen Ego gekratzt hat."
Das war die einzig logische Erklärung. Unglaublich, dass diese verzogene Göre für all das Drama in meinem bekackten Leben verantwortlich war und zwischen mir und meinem Vater einen noch größeren Keil trieb. Nur wegen diesem Sommer verkrachten wir uns dermaßen.
Mein Vater strengte sich sichtlich an, um meinen Worten Glauben schenken zu können. Ich erkannte genau, wie er an meiner Ehrlichkeit zweifelte. "Natürlich, wieder einmal ist dir die Äußerung eines anderen wichtiger als meine!", rief ich frustriert aus.
Meine Stimme nahm an Lautstärke zu, als ich nicht mehr anders konnte, außer das loszuwerden, was mir seit Ewigkeiten auf der Seele brannte. "Sag mal, wieso misstraust du mir so sehr? Habe ich dir etwa je Böses gewollt?" Allein mein Tonfall machte deutlich, wie sehr er mich kränkte.
Ich hatte immer gehofft, dass sich meine Anstrengung, seine Anerkennung zu bekommen, sich letztendlich auszahlen würde, doch nun realisierte ich, dass ich mir all die Jahre umsonst die Mühe gemacht hatte. Nach wie vor genügte ich ihm nicht.
"Nein, du hast mir nichts Schlechtes getan", antwortete er, räusperte sich und fasste erneut an seine Krawatte. "Wieso gibst du mir dann ständig das Gefühl, mich beweisen zu müssen? Du merkst überhaupt nicht, wie sehr mich deine fehlende Akzeptanz kaputt macht."
Ich erinnerte mich zurück an die schulischen Veranstaltungen, bei denen die Eltern die Leistung ihrer Kinder bestaunten und ihnen mit ihrer Anwesenheit das Gefühl der Unterstützung gaben. Natürlich war mein Vater nie anwesend gewesen.
Jedes Jahr auf's Neue demütigte es mich, dass er sich kein bisschen um mich scherte. Und doch hatte ich es mir weiter schön eingeredet. Doch wozu überhaupt? Ich sollte mir nichts mehr vormachen. So war er eben, ignorant und egoistisch. Er versagte als Vater und als Freund.
"Mom und Lana haben sich distanziert, weil sie dich nicht mehr ertragen konnten. Dagegen war ich immer für dich da! Ich bin eigentlich der einzige Mensch, den du noch an deiner Seite hast. Es ist verdammt bedauernswert, wie du jedoch nicht erkennst, dass du mich auch mit jeder weiteren Sekunde immer mehr verlierst."
Es gab wirklich eine Zeit, da wollte ich bloß seine väterliche Zuneigung. Doch nun wollte ich selbst das nicht mehr. David Adams war nicht mehr der Mann, den ich einst bewunderte, da er stets für seine Ziele kämpfte. In meinen Augen war er nur noch mein Erzeuger, welcher es nicht hinbekommen hatte, seine Familie aufrecht zu erhalten. Er war das, was ich niemals sein möchte.
"Wenn ich dir so ein schlechter Vater bin, wieso bist du nicht einfach zu deiner Mutter gegangen?", erwiderte er verständnislos, während er mich eindringlich ansah. "Niemand hätte dich aufgehalten! Der ganze Stress wäre uns somit erspart geblieben und du wärst glücklich."
Ich bekam Aggressionen. Er raffte einfach nichts. Egal, wie oft ich mein Problem schilderte. Wir sprachen aneinander vorbei, wodurch wir nie einen Lösungsansatz finden würden. Dazu sagte er indirekt selber, dass ich ihm nichts bedeutete. Mir reichte es, ich möchte nicht länger sein Opfer spielen, welches er nach Lust und Laune erniedrigen konnte.
"Weißt du, was? Du sagtest zwar, ich sei enttäuschend, aber eigentlich müsste ich mich für dich schämen. Du bist so jämmerlich!", sagte ich emotionslos. "Und ja, du hast Recht. Ich hätte mit ihr gehen sollen. Du hast es nämlich verdient, einsam zu sein. Nur leider wird mir das viel zu spät bewusst."
Im nächsten Moment verließ ich ohne weiteres sein Büro und knallte wütend die Tür hinter mir zu. Ohne seiner Sekretärin Beachtung zu schenken, welche mich verabschiedete, steuerte ich geradewegs auf den Aufzug zu.
Hastig drückte ich auf den Knopf, wartete einige Sekunden, doch war momentan viel zu ungeduldig und aufgewühlt, weshalb ich mich für die Treppen entschied. Ich hastete die Stockwerke runter, bis ich unten im Erdgeschoss ankam.
Erst, als ich im Auto saß, wurde mir wirklich klar, was ich eben getan hatte. Es war seltsam, aber ich fühlte mich insgeheim erleichtert. Befreit, weil ich mich endlich von meinem Vater losriss. Keins meiner Worte bereute ich. Alles, was ich gesagt hatte, meinte ich auch so.
Ab sofort lebte ich für meine Bedürfnisse. Mit seinen Befehlen und Drohungen war Schluss. Er musste ohne mich auskommen. Vielleicht realisierte er durch meine Abwesenheit, was er eigentlich verloren hatte und würde mein Empfinden besser nachvollziehen können.
Ich wusste nicht, was die Zukunft sonst noch mit sich brachte, aber momentan möchte ich nicht, dass er Teil meiner Zukunft war. Es stellte sich heraus, dass ich ihn tatsächlich nicht brauchte. Von nun an zählten nur meine Mutter und Lana. Er hingegen existierte praktisch nicht mehr.
Nun musste ich heute noch das Problem, das sich Blair Baizen nannte, aus der Welt schaffen. Demnach steckte ich den Schlüssel ins Zündschloss und fuhr Sekunden später los. Immer noch fasste ich nicht, was sie getan hatte. Selbstverständlich wusste ich, dass sie eine falsche Schlange war, aber damit hätte ich niemals gerechnet.
Es war nämlich kein Geheimnis, dass sie Daddys kleine Prinzessin war und schamlos die Macht ihres Vaters ausnutzte. Offenbar verletzte ich sie, indem ich sie abwies, wodurch sie sich an mir rächen wollte, doch was hatte Lana damit zu tun?
Ich verstand wirklich nicht, wieso sie auch ihrer besten Freundin Leid zufügte. Falls man das noch als beste Freundschaft bezeichnen konnte.
Ein weiterer Grund, warum ich diese Schnepfe gleich zur Rede stellen würde. Momentan war Blair eine große Belastung für meine gereizten Nerven. Sie sollte lieber aufpassen, denn die Kombination meiner Gefühle ergaben garantiert nichts Gutes.
Zwanzig Minuten später stand ich vor der Haustür der Baizens. Mehrere Male klingelte ich, da meine Geduld sich für heute wirklich verabschiedet hatte und wartete, bis mir das Hausmädchen die Tür öffnete.
"Oh, Mister River- Mit Ihnen habe ich nicht gerechnet", begrüßte mich die kleine Frau verwundert. Ihr russischer Akzent stach dabei stark heraus. Ich betrat den edel gehaltenen Flur. "Wollen Sie auch eine Tasse Tee?" Keine Ahnung wieso, aber ihre Gastfreundschaft verdrängte ich jedes Mal.
"Ich werde nicht lange bleiben, danke. Ist Blair in ihrem Zimmer?", erkundigte ich mich, mir meiner Wut nichts anmerkend. Ein Nicken diente als ihre Antwort, worauf ich keine Zeit mehr verschwendete und eilig die Treppen heraufstieg.
Ohne anzuklopfen, öffnete ich ihre Zimmertür. Blair lag auf ihrem Bett, hatte ihre Beats-Kopfhörer auf und blätterte in der Vogue-Zeitschrift. Als sie mich erblickte, setzte sie das große Ding von ihre Kopf ab und grinste mich sogleich an.
"Was hat dich denn verärgert, mein Liebling? Stress lässt dich ziemlich hässlich wirken", meinte sie mit belustigtem Unterton. Ich wusste ganz genau, dass sie den Grund für meinen Besuch bereits ahnte. "Hässlich ist deine Lüge, Blair!", entgegnete ich um Fassung bemüht.
"Ach, du hast erst jetzt davon erfahren?", tat sie auf überrascht. "Und ich habe mich schon gewundert, wann du wie ein Kätzchen angekrochen kommst." Sie legte die Zeitschrift zur Seite, stand auf und machte einige Schritte auf mich zu.
Ich achtete darauf, dass zwischen uns ein gewisser Abstand herrschte. Es endete gewiss nicht gut, wenn Blair mir viel zu nahe stand. "Wieso hast du das getan?", fragte ich beherrscht, während meine Stimme nur so von Missfallen triefte.
"Was denkst du?", gab sie herausfordernd zurück. "Blair, für deine Spielchen fehlt mir die Zeit", erwiderte ich entnervt. "Meine Spielchen? Du bist doch derjenige, der mit mir spielt! Immer und immer wieder! Zuerst machst du mir Hoffnungen, dann zerplatzt du sie."
Besaß diese Verrückte irgendwelche Wahnvorstellungen? Wieso sollte ich ihr Hoffnungen machen wollen, wenn ich bisher nie eine Anziehung zwischen uns gespürt hatte? Blair war ehrlich die letzte Person, mit welcher ich mir mehr vorstellen könnte. Sie zu daten, wäre wie wenn ich meine Schwester daten würde. Moralisch verwerflich, gar verboten.
"Mädchen, es tut mir leid, wenn ich dir falsche Signale schicke, aber das ist doch kein verdammter Grund, mir und deiner besten Freundin das Leben schwer zu machen!" Sie verschränkte die Arme und blickte mich durch zusammengekniffenen Augen an.
"Falsche Signale, sagst du? Ich bitte dich! Viel zu oft hast du mich glauben gelassen, dass ich dir etwas bedeute. Du wolltest mich in jener Nacht küssen, River! Streite das jetzt bloß nicht ab. Ich bin nicht dumm." Oh man, sie weckte Erinnerungen, die ich längst verdrängt hatte.
Dank dem Übermaß an Alkohol wusste ich zwar nicht mehr, wie genau sich die Ereignisse ergaben und was genau in diesem Moment passiert war, aber mir war klar, dass sie nicht log. Vielleicht gab es diesen kurzen Augenblick, wo wir uns näher kamen.
Dann realisierte ich aber wieder, wer vor mir stand und stoppte mich. Anders als Blair war ich nicht ganz bei mir gewesen. Eigentlich hatte ich gehofft, dass sie den Abend nach einer Weile vergessen würde, doch scheinbar bildete sie sich hierbei mehr ein, als mir lieb war.
"Du hast aber gekniffen und mich gekorbt. Weißt du eigentlich, wie weh das tat? Da denke ich, du merkst endlich, dass wir füreinander bestimmt sind, und dann enttäuscht du mich erneut." Wäre ihre Fantasie nicht so ausgedehnt, wäre ihre Enttäuschung auch nicht so groß. Sie ist doch krank. Einfach nur krank.
"Rede keinen Unsinn- du weißt, dass das mit uns niemals geklappt hätte. Abgesehen davon verstehe ich immer noch nicht, wieso Lana damit etwas zu tun hat? Sie kann doch nichts dafür, wenn ich deine lächerlichen Gefühle nicht erwidere."
Blair lachte hell auf, bevor sie den Kopf zur Seite neigte. "Sei doch nicht so naiv, River! Jeder weiß, dass du für deine Schwester alles tun würdest. Um dich zu kriegen, musste ich also Lana dafür benutzen. Aber keine Sorge, nachdem wir unsere Differenzen geklärt haben, wurde sie hier wie eine Königin behandelt. Mir liegt eben viel an meiner besten Freundin."
Bevor Liliana hier untergebracht wurde, hielten diese Wichser sie in einem stickigen Raum gefangen. Sie gaben ihr erst mehr Bewegungsfreiheit, als ich die Hälfte der Kämpfe erfolgreich ausgetragen und sie mit Blair Frieden geschlossen hatte.
Diese Hexe machte es meiner Schwester eine Zeit lang nur schwer, weil sie der Meinung war, Lana hätte sie im Stich gelassen, da sie mit Mom nach South Carolina zog. Ich konnte mich nur wiederholen- Blair Baizen war krank und abartig, wenn ihr etwas gegen den Strich ging.
"Schön, dein Plan ist aufgegangen. Ich habe genug gelitten, wie du es dir erhofft hast. Jetzt wirst du aber zu deinem Vater gehen und ihm gefälligst die Wahrheit sagen! Oder ich tu's. Vertrau darauf, dass ich es ihm nicht schonend beibringen werde!"
"Schon gut, ich sage Daddy selber, was genau vorgefallen ist", kapitulierte Blair zu meiner Überraschung ziemlich schnell. Nicht gerade erleichternd, denn ich war mir sicher, dass sie sich nicht so einfach geschlagen gab. "Aber? Es gibt immer einen Haken, ich kenne dich."
Ihre Lippen bildeten sich zu einem verschmitzten Lächeln. "Unter einer Bedingung werde ich ihm erzählen, was an diesem Abend zwischen uns wirklich passiert ist", begann sie und ich nickte auffordernd. "Du wirst das beenden, was du angefangen hast."
Das hätte sie wohl gerne. Ich würde nicht wegen einer unbedeutenden Göre meine Schönheit hintergehen. "Etwas realistisches, vielleicht? Ich küsse dich ganz bestimmt nicht." In Blairs Augen blitzte plötzlich etwas auf, sie blickte mich lüstern an. "Komm schon, es ist doch nur ein Kuss. Harmlos und kurz."
"Blair, ich habe eine Freundin, die ich wirklich liebe, falls du es noch nicht bemerkt hast!", verneinte ich erneut. Sie kam mir einen weiteren Schritt näher. "Sie wird dich verstehen, wenn du deine Gründe nennst. Oder sie braucht es erst gar nicht zu erfahren."
Je weiter ich ablehnte, desto mehr drängte sie mich in eine Ecke, bis ich nur noch die harte Wand an meinem Rücken spürte. Diese Schlange hatte absolut keine Hemmungen. "Du willst doch Lana zurück, oder? Dann ist das deine Chance. Tu es einfach, diese paar Sekunden bringen dich nicht um."
Unwillkürlich konnte ich nicht mehr klar denken, mein Verstand setzte aus. Ihre weiche Stimme, ihr Blick hypnotisierte mich. Sie setzte mich in Trance, ich konnte nicht anders, außer den Widerstand aufzugeben.
"Wenn ich dich gleich küsse, wird dann alles sein Ende nehmen?", vergewisserte ich mich, bevor ich in Kürze einer der größten Fehler begehen würde. Antoinette, falls zwischen uns Telepathie herrscht- Verzeih mir. Ich liebe dich trotzdem.
"Ich verspreche es dir. Sobald ich mit Daddy spreche, bist du erlöst River. So auch deine Schwester", hauchte Blair, während ihr Blick kurz auf meine Lippen fiel. Ohne weitere Gedanken, küsste ich sie nach diesen Worten sanft auf den Mund.
Sekundenlang fühlte ich überhaupt nichts mehr. Mir war zwar klar, dass ich gerade ein anderes Mädchen küsste, obwohl Antoinette die Einzige sein sollte, doch irgendwie registrierte das mein Gehirn nicht ganz. In diesem Moment war mein Kopf wie leergefegt.
Ich löste mich von ihr und verzog nicht einmal ein bisschen die Miene, Blair hingegen lächelte glücklich. "Das war besser, als in meinen intimsten Träumen." Das war schlimmer, als jeder erdenkliche Albtraum. Ich fühlte mich so schuldig.
"Du hast, was du wolltest. Jetzt sag mir, wo meine Schwester ist! Ich nehme sie mit nach Hause", beschloss ich unbeeindruckt und schubste sie von mir. "Oh, anscheinend habe ich noch einen wichtigen Punkt bezüglich meiner Bedingung vergessen."
Blair sah mich fälschlich entschuldigend an, woraufhin ich sie augenblicklich böse anfunkelte. "Was meinst du?", hakte ich erbost nach. Mein Gefühl verriet mir nichts Gutes. Irgendetwas sagte mir, dass sie mich in eine Falle gelockt hatte.
"Wir haben ausgemacht, dass alles erst endet, wenn ich Daddy aufkläre. Nun, leider ist er vor Weihnachten nicht von seiner Reise zurück. Es tut mir leid, aber noch muss Lana hierbleiben. Doch falls es dich aufheitert, du bist ein Wahnsinns- Küsser! Deine Freundin hat Glück."
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Hasst mich bitte nicht :(
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