Kapitel 24
Antoinette
"Auf dem Herd steht Essen für dich. Um die Wäsche musst du dich nicht kümmern, ich habe alles schon erledigt. Ach und vergiss nicht, dass Kaylee später nach Hause kommt. Die Mutter ihrer Freundin wird sie bringen. Also bleib lieber hier." Während Mom all das aufzählte, fuchtelte sie mit den Händen herum und zeigte in verschiedene Richtungen. Ich fixierte mich zu sehr auf ihre Handbewegungen, wodurch ich mich kaum auf ihre Worte konzentrierte. Was soll's, sie sagte sowieso nichts relevantes.
Dad beobachtete uns amüsiert und zog sich währenddessen schonmal seine Jacke an. Damit Mom endlich aufhörte mir einzutrichtern, dass ich ja keine fremde Menschen ins Haus lassen solle, unterbrach ich sie mitten in ihrem Satz. "Ich mache mir mit Kaylee später einen schönen Tag.", wechselte ich das Thema, während ich ihr beim Anziehen ihres Mantels half. Mom nickte einverstanden. "Da freut sie sich bestimmt. Sie heult mir seit Tagen die Ohren voll, weil du kaum zu Hause bist." Ich musste darüber kurz lachen, da ich mir dies sofort bildlich vorstellte. Arme Kaylee.
Im gleichen Moment hatte ich eine passende Ausrede parat, um meine Eltern vom Haus fernzuhalten, ohne dass sie verdacht schöpften oder ich unverschämt wirkte. "Dann würde ich mal sagen, dass ihr euch ebenfalls einen schönen Tag mit Nana macht und nicht vor Acht Uhr nach Hause kommt. Immerhin brauchen wir auch ein bisschen Geschwisterzeit. Wehe ihr lässt euch früher blicken."
Sie lachten bloß darüber. Dennoch kannte ich Mom und Dad gut genug, um zu wissen, dass sie meinem 'Befehl' Folge leisten würden. Sie ahnten ja nicht, dass ich in ihrer Abwesenheit meinen überaus gut durchdachten Plan endlich in die Tat umsetzen würde.
Schon seit Dienstag freute ich mich deswegen auf ihren wöchentlichen Besuch bei meiner Großmutter. Das war immerhin der einzige Tag, an dem ich beide Elternteile nicht um mich herum hatte. Dazu übernachtete Kaylee bei ihrer Freundin. So eine Gelegenheit bot sich selten an.
Zum Abschied drückte Mom mir einen Kuss auf die Wange. Es fühlte sich seltsam an, da wir immer noch eine gewisse Distanz zueinander hielten. Ich fühlte mich nach wie vor nicht bereit, mich ihr emotional wieder zu nähern. Wofür sie glücklicherweise auch Verständnis zeigte. Was meinen Vater betraf; Komplizierte Sache. Die meiste Zeit herrschte zwischen uns eine peinliche Stille, welche wir mit einem noch peinlicheren Smalltalk zu überspielen versuchten. Und das gefühlt jeden Tag, sobald er zurück von der Arbeit kam.
Schließlich verabschiedete ich beide. Keine Sekunde später fiel die Haustür ins Schloss und ich eilte ohne weiteres in das Arbeitszimmer meiner Eltern. Ihre Abwesenheit musste ich genau jetzt sinnvoll nutzen. Wenn sie mir keine Informationen gaben, holte ich sie mir eben selbstständig. Und hiermit konnte die Operation -meine Eltern und das Geheimnis- wirklich starten. Mit einer Durchsuchung würde ich gewiss meine Antworten bekommen.
Zuerst begann ich am braunen Schreibtisch zu suchen. Dieser war voller Papiere. Ich warf auf allen einen kurzen, dennoch ausreichenden Blick. Bedauerlicherweise fand ich aber nichts Nützliches. Es waren nur Formulare, die mit Moms Job zutun hatten. Also legte ich den Papierstapel wieder so hin, wie ich ihn vorgefunden hatte. Ich kontrollierte, ob ich nichts übersehen hatte und sah mich anschließend einen Moment lang im Zimmer um.
Mein Blick haftete schließlich an den Regalen. Diese waren mit lauter Aktenordner in den verschiedensten Farben und Beschriftungen gefüllt. Ein Grinsen schlich sich auf meine Lippen. Die Ordner schrien förmlich danach geöffnet zu werden. Diesen Wunsch erfüllte ich ihnen liebend gerne. Wäre doch schade, wenn nicht.
Demnach schnappte ich mir den Ordner ganz rechts außen am Regal. Es dauerte nicht lange, bis ich begriff, dass darin all die Rechnungen des Hauses eingeheftet waren. Stromrechnungen, Wasserrechnungen und weitere Kosten, die mich erst dann interessieren würden, wenn ich eine eigene Wohnung hatte. Weg damit.
Meine Fingerspitzen berührten einen grünen Ordner, als plötzlich der Dreiklang der Haustürklingel ertönte. Fragend blickte ich in die Richtung des Flures, während ich innerlich hoffte, dass nicht meine Schwester vor der Tür stand. Wobei dies unwahrscheinlich war. Sie würde nämlich erst gegen drei nach Hause kommen. Und wir hatten gerade kurz vor halb zwei. Daher sollte mich eigentlich nichts und niemand bei meiner Durchsuchung stören.
Wieder klingelte es, woraufhin ich mich seufzend in Richtung Haustür bewegte und schließlich die Person draußen vor Augen hatte. "Warten ist wohl keins deiner Stärken, was Schönling?" River blickte auf. Er ließ im gleichen Moment die Hand, mit der er noch einmal die Klingel betätigen wollte, sinken. Ein Lächeln stahl sich auf seine Lippen. "Darf ich reinkommen?" Ich zögerte kurz, bevor ich ihm den Eintritt gewährte.
Normalerweise liebte ich Spontanität, aber sein Besuch kam mir nicht gerade gelegen. Doch wenn ich es mir recht überlegte, hinderte mich seine Anwesenheit in keinster Weise. Immerhin war ich ihm keine Erklärung schuldig, er musste nicht unbedingt erfahren, wieso ich jetzt die Sachen meiner Eltern analysierte. Kaylee hingegen hätte mir überhaupt keine Ruhe gegeben und zu viele Fragen gestellt, für welche ich selbst nicht die Antwort kannte. Daher erleichterte es mich enorm, dass er und nicht meine Schwester kam.
River stellte seine Schuhe ordentlich in eine Ecke, danach hängte er seine Jacke an den Kleiderhaken und folgte mir anschließend ins Arbeitszimmer. "Ehrlich gesagt habe ich heute nicht mit dir gerechnet. Falls es ein bisschen chaotisch aussieht, tut's mir leid.", erklärte ich so beiläufig wie möglich und griff nach dem grünen Ordner. Wie ich dank diesem feststellte, wurden nicht alle Aktenordner beschriftet. Aufgrund dessen würde ich mir nur die ohne Beschriftung genauer ansehen.
Darin befanden sich bloß Papiere von einem Gerichtsfall. Wie ironisch, dass meine Mutter als Scheidungsanwältin arbeitete. Eine gewisse Mrs Dumphy wollte sich von ihrem Ehemann scheiden lassen, hatte aber zwei Kinder im Alter von sechs und acht Jahren, weshalb ich mir gerade auch etwas über das Sorgerecht durchlas. Als mir jedoch wieder einfiel, dass solche Dokumente nicht für aller Augen bestimmt waren, klappte ich den Ordner zu und stellte ihn zurück an seinen Platz.
Ich seufzte leise, die Ordner halfen mir wohl doch nicht. Denn auch die drei weiteren Aktenordnern waren Unnütz. In allen waren Papiere von Gerichtsfällen eingeheftet. Vielleicht musste ich die Sache anders anpacken. Doch wie? Der Laptop kam jedenfalls nicht infrage, denn diesen entdeckte ich nirgendwo. In diesem Moment wünschte ich mir zum ersten Mal, dass ich bei diesen Detektivfilmen, die sich Josh immer ansah, mehr aufgepasst hätte.
Frustriert lehnte ich mich seitlich gegen das Regal an, wodurch mein Blick sofort auf River fiel. Sein Anblick spendete mir ein wenig Trost und ließ mich dazu unwillkürlich schmunzeln. Jetzt verstand ich auch, warum er kein einziges Wort mehr gesagt hatte. River betrachtete die bunten Gemälde an den Wänden. Dabei schien er völlig fasziniert von ihnen zu sein, was das Ganze umso ansehnlicher machte.
"Du interessierst dich für Kunst?", erkundigte ich mich überrascht. Ich wusste zwar, dass er ein guter Zeichner war, aber dass er sich auch für Gemälde interessierte, war mir neu. Das Bild musste es ihm wohl echt angetan haben, denn er reagierte nicht auf meine Frage. Erst als ich mich zu ihm gesellte, gewann ich seine Aufmerksamkeit. River legte sofort einen Arm um mich, wiederum ich meine Arme um seinen Bauch schlang und ebenfalls das Gemälde betrachtete.
Im Vordergrund des Bildes stach sofort ein Fluss ins Auge. Im Hintergrund sah man den Sonnenuntergang, weshalb alles in einem rötlichen und orangenen Farbton gehalten war. Rechts und links waren, falls ich mich nicht täuschte, Gebirgen abgebildet. Die perfekte Abendstimmung am Fluss. Kein Wunder, dass er davon so fasziniert war. Es war wunderschön.
Ich bemerkte nun auch das Lächeln auf seinen Lippen. "Meine Mutter ist leidenschaftliche Malerin.", sprach er. Mir entging das Funkeln in seinen Augen nicht. "Bevor sie wegzog, bekam ich von ihr zu jedem Geburtstag ein eigenhändig gemaltes Gemälde. Ihr letztes Kunstwerk, das sie mir schenkte, ähnelt stark nach diesem hier. Deshalb erinnerte mich dieses Gemälde gerade an sie und an die Zeit, als ich ihr immer beim Malen zugesehen habe."
"Wenn ihr letztes Werk an dich ein Flussgemälde ist, hat sie dir eigentlich die Bedeutung deines Namens geschenkt. Das ist eines der schönsten Geschenke, die eine Mutter ihrem Kind machen kann.", erwiderte ich gerührt. River konnte sich wirklich glücklich schätzen. Wenn er an seine Kindheit zurückdachte, empfand er wenigstens die Erinnerungen als angenehm. Er erinnerte sich an fürsorgliche Eltern zurück. Ich wünschte, ich könnte dies auch tun.
"Stimmt, so habe ich das gar nicht betrachtet." Ich bemerkte, dass er gerade weiter erzählte, weswegen ich sofort die negativen Erinnerungen an meine eigene Kindheit zur Seite schob und ihm erneut aufmerksam zuhörte. "Na ja, ich war zu jung. Damals habe ich die Bedeutung ihrer Gemälde nicht verstanden. Und heute schätze ich jedes einzelne wert." Ich nickte verstehend und lehnte meinen Kopf gegen seine Schulter an. "Du bist praktisch mit Kunst aufgewachsen. Kein Wunder, dass du zeichnerisch begabt bist."
Ein leises Lachen entfloh seiner Kehle. "Kann man wohl so sagen." Seine plötzliche Bewegung jagte mir im nächsten Moment einen kleinen Schrecken ein, weshalb ich ihn augenblicklich losließ und anschließend fragend ansah. Denn scheinbar fiel ihm etwas ein. "Ich habe dir vorhin ja gar nicht geantwortet!" Und ich dachte, es sei etwas ernstes. "Eigentlich wollte ich nicht vorbeikommen. Ich hätte mich heute mit Kesh getroffen, der hat aber kurzfristig abgesagt. Und nach Hause kann ich nicht, weil Dad Gäste hat."
"Das macht nichts, ich habe mich sowieso an deine Spontanbesuche gewöhnt.", entgegnete ich lachend. "Hinzu kommt, dass ich bei meiner vorherigen Beschäftigung eh nicht weiterkomme. Oder kannst du mir sagen, wie man am besten versteckte Dinge findet?" River verstand nicht, dass ich ihm eine rhetorische Frage stellte und runzelte dementsprechend verwirrt die Stirn. Nachdem er kurz den Blick umher schweifen ließ, registrierte er nun auch, dass wir uns in einem Arbeitszimmer befanden. "Das glaube ich jetzt nicht.", entfuhr es ihm fassungslos.
Ich setzte ein unschuldiges Lächeln auf. Es war doch sowieso eine Frage der Zeit gewesen, bis River es bemerken würde. Wieso auch sonst sollte man einen Gast, in das Arbeitszimmer seiner Eltern bringen. "Sag mal, ist das irgendein Tick von dir? In Dingen herumzuwühlen, die dich eigentlich nichts angehen?" Wie auf Knopfdruck nahm ich einen gespielt empörten Ausdruck an und haute ihm gegen die Schulter. "Wenn das gerade die Anspielung auf damals ist, als ich das Zimmer deiner Schwester entdeckt habe, ist das ziemlich gemein von dir."
Demonstrativ verschränkte ich meine Arme vor der Brust. Und scheiße, war dieser Kerl aus Stahl gemacht? Ich versuchte mir den Schmerz in meinen Fingern nicht anmerken zu lassen, doch der Stahlmensch vor mir grinste allwissend. Danach wurde er wieder ernster. "Nein ernsthaft, wieso durchsuchst du dieses Zimmer?" Irgendetwas störte mich an seinem Ton. Vielleicht der Hauch von Skepsis. "Willst du mir das vorhalten oder fasse ich das gerade völlig falsch auf?"
Er seufzte kurz, bevor er den Kopf schüttelte. "Nein, das möchte ich natürlich nicht. Immerhin ist das deine Angelegenheit. Ich würde dir nur raten es sein zu lassen." Ich wusste zwar, dass River seine Worte bloß gut meinte, doch trotzdem nervte mich die Art, wie er mit mir sprach. Mir war ebenso auch klar, dass ich zu einer Zicke mutierte. Ich reagierte nunmal empfindlich, wenn es um meine Eltern ging. "Und warum?", entgegnete ich schnippisch.
"Weil ich aus eigener Erfahrung sagen kann, dass das nie gut endet.", erklärte er nun neutral, ohne mich dabei kritisch anzusehen. Dann steckte er die Hände in die Hosentasche. Sekunde zu Sekunde sank meine Laune immer mehr. Ich senkte den Blick und starrte den Boden an. "Dann kennst du sicherlich das Gefühl, endlich die Wahrheit wissen zu wollen.", gab ich kleinlaut zurück. In diesem Augenblick kümmerte es mich nicht, ob ich mich traurig anhörte. Oder dass River sich nun die Lage bei mir zu Hause denken konnte.
"Oh Antoinette." In seiner Stimme vernahm ich diesmal den Klang des Mitgefühls und spürte kurz darauf, wie er mich in eine innige Umarmung zog. Angenehme Wärme umhüllte mich. "Lass mich raten, du hast nachgefragt und deine Eltern haben weiterhin geschwiegen." Ich brauchte nichts zu sagen. Ich zeigte in seiner Gegenwart gerade Schwäche und ließ mir deutlich anmerken, dass nichts stimmte. Das reichte vollkommen als Antwort.
Stille herrschte zwischen uns. Ich vergaß völlig, wie beruhigend sein Herzschlag sein konnte. Immer wieder fuhr er mit der einen Hand über meinen Rücken, während die andere Hand an meinem Hinterkopf ruhte. Ich begriff nicht, wie ich mich in seinen Armen so unfassbar wohl fühlen konnte. Er gab mir das Gefühl von Sicherheit. Sogar die Hoffnung, dass dieser Albtraum bald sein Ende finden würde.
"Hast du schon dein Glück mit einem Terminkalender versucht? Die helfen meist immer." Augenblicklich drückte ich mich ein kleines Stück von ihm weg, woraufhin ich verwirrt zu ihm aufschaute. Meine Hände ruhten währenddessen auf seiner Brust. "Ich dachte, ich soll es sein lassen." River strich mir schmunzelnd das Haar aus dem Gesicht. "Ach, scheiß auf Moral und Normen. Ich kann dich nicht frustriert sehen." Und schon zauberte er mir wieder ein Lächeln ins Gesicht. "Also Mister Adams, wenn das Ihr Ethiklehrer hört, ist er garantiert enttäuscht von Ihnen."
"Nene, ich war sein liebster Schüler. Egal, welchen Unsinn ich auch anstellte, er drückte bei mir immer ein Auge zu. Möge er in Frieden ruhen." River zeigte mit der Hand nach oben, weswegen wir nun beide auf die Decke starrten. Nach einer kurzen Schweigesekunde sahen wir uns wieder an. "Also, wie siehts aus? Suchen wir nach einem Terminkalender oder nicht?" Wir. Die Bestätigung, dass er mich hierbei unterstützte. Wie schön dieses Wort aus seinem Mund klang.
Im nächsten Moment schlug ich mir mit der flachen Hand auf die Stirn, als ich die Situation wieder ernster nahm und alles andere in meinem Kopf zur Seite schob. "Aber natürlich, Terminplaner! Wieso ist mir das nicht vorher eingefallen?" River sah mich belustigt an. "Man merkt, dass du hierbei null Erfahrung hast." Ich schenkte ihm für diesen Satz einen bösen Blick. Immer musste er mich als das artige Mädchen darstellen. Ein Thema, worüber wir ständig beim Telefonieren diskutierten. "Ruhe, ich muss nachdenken!"
Sowohl Mom als auch Dad waren sehr beschäftigte Leute, dementsprechend war so ein Kalender für sie ein wichtiger Bestandteil ihres Alltags, gar Pflicht. Da aber Mom ihren meist am Arbeitsplatz in der Kanzlei hatte, musste ich Ausschau nach dem Terminkalender meines Vaters halten.
Wieder stellte ich mich an den Schreibtisch. Normalerweise stach sein Kalender sofort ins Auge, doch dieses Mal entdeckte ich nichts, was einem Buch oder einem Ordner gleichen könnte. Bloß Papiere, Stifte und ein gerahmtes Foto von mir und Kaylee.
Als nächstes durchsuchte ich die Schubladen. Glücklicherweise waren diese nicht abgeschlossen, was mir vieles erleichterte. Ich fand in der ersten Schublade Druckpapier und die entsprechende Tinte für den Drucker, weiter nichts. Schublade zwei und drei beinhalteten ebenfalls nichts nützliches. "Komisch, kein Terminkalender.", setzte ich River in Kenntnis und blickte ihn ratlos an. "Meinst du, er wurde absichtlich versteckt oder bloß verlegt?"
Ich zuckte mit den Schultern. River schien zu überlegen und ich hoffte inständig, dass ihm eine Idee in den Sinn kommen würde. Auf einmal betrachtete er genauestens den Schreibtisch, bis sich seine Lippen zu einem schelmischen Grinsen verzogen. In Sekundenschnelle war er bei mir angelangt. "Falls meine Vermutung stimmt, wirst du gleich sehen, wo mein Vater damals meinen Autoschlüssel versteckt hat." Und nun weckte er auch meine volle Neugier.
Er bückte sich und öffnete die zweite Schublade. Zeitgleich wunderte ich mich darüber, da ich diesen doch schon durchsucht hatte. Trotzdem gab ich keinen Laut von mir. Wenn River Adams so aussah, als er hätte er gerade die Idee des Jahres, sollte man ihn lieber einfach machen lassen und aufmerksam beobachten. Also ging ich an seinem Vorhaben interessiert neben ihm auf die Knie. "Hast du eine Haarnadel?", wandte er sich fragend an mich.
Sofort tastete ich stumm in meinen Haaren danach. Währenddessen stellte River das Zeug in der Schublade vorsichtig auf den Boden. Schließlich fand ich einen Bobby Pin und drückte ihm diesen kommentarlos in die Hand. Ohne weiteres steckte er als nächstes die Haarnadel in einen Schlitz, bewegte seinen Handgelenk, bis sich plötzlich der Boden der Schublade hob. Danach legte er die Nadel zur Seite und benutzte beide Hände. River entfernte die Platte vollkommen. Was ich dann sah, konnte ich kaum glauben. Darunter befand sich ein Geheimfach.
Sprachlos schaute ich den Grünäugigen an, als dieser mir freudig einen braunen Terminkalender entgegen hielt. "Und hier, Antoinette, habe ich damals meinen Autoschlüssel gefunden." Ich verstand das nicht. Wie zur Hölle entdeckte man ein Geheimfach? Ich hätte dieses Fach in eintausend Jahren nicht gefunden. Ich käme nicht einmal auf die Idee, den verdammten Boden der Schublade zu entfernen.
Ungläubig blinzelte ich mit den Augen. "Wie kommst du auf die Idee, dass sich in einer Schublade ein Geheimfach befindet?" In seinen Augen erkannte ich den Stolz, den er für sich selbst verspürte. Innerlich klopfte er sich bestimmt auf die Schulter. "Ich bin nunmal kreativ." Oh, darin bestand nicht der geringste Zweifel. Wobei von Kreativität nicht mehr die Rede war. Ich verliebte mich schlichtweg in ein Genie, wovon ich bis eben nicht die leiseste Ahnung hatte.
"Du wolltest wohl unbedingt deinen Schlüssel finden.", äußerte ich mich schließlich beeindruckt. "Ich hasse es eben, wenn mir jemand etwas wegnimmt, was mir gehört.", erwiderte River. Danach wollte er mir den Kalender in die Hand drücken, doch da nahm ich schon sein Gesicht in meine Hände und drückte ihm einen Kuss auf die Lippen. "Danke!", fügte ich lächelnd hinzu. "Wenn das ab sofort deine Art ist, mir deine Dankbarkeit zu zeigen..."
"Solltest du mir wohl öfter behilflich sein?", vollendete ich seinen Satz. Grinsend nickte er und gab mir den Terminkalender. Ich warf ihm einen belustigten Blick zu, ehe ich mit den Fingerkuppen über das kalte Leder des Kalenders strich. Mein Vater versteckte ihn gewiss nicht ohne Grund. Darin musste etwas stehen, was ich nicht sehen durfte.
Der Gedanke, dass ich gleich Notizen lesen würde, welche mich eventuell der Wahrheit näherten, jagte mir zugegeben Angst ein. Mehr verunsicherte mich die Tatsache, dass ich kein bisschen einschätzen konnte, was mir nun bevorstand.
Zögerlich öffnete ich die erste Seite. Miles Mandoza war in blauer Tinte und krackeliger Schrift geschrieben. Als er seinen Namen darein schrieb, ahnte er sicherlich nicht, dass dieses Ding seine Geheimnisse offenbaren würde. Ich blätterte weiter, las mir jede einzelne Seite gründlich durch. Und schließlich starrte ich die letzte Seite völlig verstört an. "Ich glaube, mir wird schlecht."
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