Kapitel 2.2
Abwechselnd schielte die Valyrierin zu den unterschiedlichen Personen, bevor sie wieder zu Zieron blickte. Dieser stand jedoch nur etwas abseits der kleinen Versammlung und blickte abwesend in die Menschenmenge, als wäre er mit etwas anderem beschäftigt. War diese Wache denn überhaupt zu irgendwas zu gebrauchen?
"Ich bin sicher, dass es sich um ein Missverständnis handelt", winkte die Heilerin ab, die Talisa ein Lächeln schenkte. "Kommt, geht mit mir ein Stückchen", bat sie höflich und trat auf die junge Königin zu. Ihre rosafarbenen Augen dabei mit einem Blick auf ihr, den sie gut von Heilern kannte.
Fragend zog sie die Augenbrauen ein Stück zusammen und schenkte den beiden Mausmenschen noch einen letzten Blick, bevor sie zögerlich nickte. "In Ordnung... Ich habe ohnehin noch einige Fragen", willigte Talisa ein und trat dabei an Eves Seite, um die anderen Personen hinter sich zu lassen.
"Dann könnt Ihr sie jetzt gerne stellen", bot Eve an, die eine recht beruhigende Gegenwart war.
Talisa schielte zu Zieron, der hinter ihnen lief. Sein Blick war nachdenklich auf Eve gerichtet, was die Königin durchaus überraschte.
Da lief er den ganzen Tag umher als wäre er nichts weiter als ein Geist, der nur vor sich hin existierte und nun war er plötzlich auf die Schulheilerin fixiert? Leicht schüttelte Talisa den Kopf und konzentrierte sich wieder auf ihren Weg. Das sollte sie nicht weiter interessieren. Ob er nun da war oder nicht, machte ohnehin keinen Unterschied für sie.
"Zuallererst, möchte ich die Position dieses Vertrauensschülers, wie ihr ihn nennt, in Frage stellen. Er scheint mir doch sehr ungeeignet für eine solche Aufgabe und ich habe ihn gerade erst kennengelernt."
"Urteilt nicht, bevor Ihr den Schüler auch wirklich kennt", sagte Eve sanft, sogar ein wenig belustigt. "Mag sein, dass er auf Euch so wirkt, als wäre er fehl an diesem Platz, doch das ist er sicherlich nicht. Auf ihn kann man sich verlassen."
Talisa wirkte alles andere als wirklich überzeugt. Doch sofern sie ihm aus dem Weg gehen würde, sollte das wohl kaum ihr Problem sein. Mit einem leisen Seufzen schob sie das Thema beiseite. "Wie dem auch sei... Meine andere Frage bezieht sich auf Mormont", fuhr sie fort und deutete bei dem Namen kurz auf besagten Drachen neben ihr. "Ich hörte er soll in einem Stall bleiben, doch mir wäre es lieber ich könnte ihn in meinen Räumlichkeiten unterbringen. Ist das möglich?"
Eve musterte den Drachen. "Er ist klein genug und geht als Haustier durch", sagte sie nachdenklich. "Er wird aber nicht in allen Stunden dabei sein dürfen. Einfach, weil es für ihn zu unsicher ist", erklärte sie beruhigend.
Diese Antwort ließ Talisa nun doch skeptisch zu der Heilerin aufblicken. "Unsicher? Was soll das bedeuten?"
"In magischer Praxis kann er, wenn er im Getümmel umherfliegt, ungewollt zur Zielscheibe werden", sagte sie, wobei sie nicht klang, als gäbe es viele Verletzte. "Darum sind in diesen Stunden Haustiere und andere Begleiter verboten."
Ein geradezu hochmütiges Schmunzeln umspielte die Lippen der Prinzessin und ließ sie leicht den Kopf schütteln, während sie die umliegenden Stände betrachtete. "Darüber würde ich mir keine Sorgen machen, es ist nicht so leicht einen valyrischen Drachen ernsthaft zu verletzen, aber ich weiß ihre Besorgnis zu schätzen", entgegnete sie mit selbstsicheren Worten und sog den leckeren Duft von mariniertem Fleisch auf, was an einem der Stände serviert wurde. Leise rumorte ihr Magen und kündete so ihren wachsenden Hunger an.
"Das mag sein, aber das heißt nicht, dass er unverwundbar ist", entgegnete Eve, die Talisa zu dem Stand führte und sogar einen gegrillten Fleischspieß für sie kaufte. Diesen hielt sie ihr hin, als wäre es ein Friedensangebot.
Unfassbar, dass die Schulheilerin eine bessere Dienerin war als der Valyrier der ihr hinterherlief. Mit spitzen Fingern nahm die Prinzessin den Spieß entgegen und beäugte diesen mit leicht schief gelegten Kopf. "Das ist mir durchaus bewusst, keine Sorge."
Eve lächelte weiterhin und Talisa fragte sich, ob sie auch anders konnte. Sie war das komplette Gegenteil von Yuna. "Esst ruhig. Das Fleisch ist wirklich lecker", sagte sie und biss selbst leicht ab, bevor sie kaute. Danach gab sie der Verkäuferin ein Zeichen, die kurze Zeit später auch dem überraschten Zieron einen Spieß hinhielt.
Dieser blinzelte zunächst überfordert, nahm jedoch letztlich an, nach einem flüchtigen Blick zu dem weißen Drachen auf seiner Schulter, der neugierig schnuppernd seinen Kopf zum Fleisch reckte. Dankbar nickte er der Verkäuferin zu und zog das dampfende Fleisch vom Spieß, um vorsichtig zu pusten und es letztlich an die gierige Kori weiterzureichen, die es mit lautem Schmatzen herzlich verzehrte. Talisa dagegen knabberte vorsichtig an ihrer Mahlzeit, während Mormont artig neben ihr sitzenblieb und über sie wachte.
Er zeigte keine Anzeichen, dass er etwas wollte, weshalb Talisa verwirrt war, als Eve dem Drachen ein Stück von ihrem hinhielt.
Dieser schnupperte vorsichtig und nahm es dann ganz zögerlich an.
Talisa konnte nicht leugnen, dass ihr der Umgang nicht sonderlich gefiel, wenn eine ihr fremde Person ihrem Drachen Nahrung anbot. Doch wäre es wohl doch zu unhöflich der Schulheilerin auf die Finger zu hauen.
"Wie gefällt es Euch bisher hier?", fragte Eve höflich, aber doch neugierig. Zudem ließ sie sich auf der nahen Bank nieder, die zwei Schülerinnen für sie frei machten.
Kauend zog Talisa ein kleines Tuch aus ihrer Tasche, um sich den Mund abzuwischen, während sie sich neben Eve niederließ. Es war wirklich schwerer als gedacht den Spieß zu essen, ohne sich wie ein Kleinkind voll zu schmieren.
"Nun... es ist belebter als ich es erwartet habe. Mir wurde gesagt, die Yorukage sei ein renommierter Ort der Bildung. Hier gleicht es jedoch mehr einem Stadtfest."
"Das sind die ersten Tage. Damit die neuen Schüler die Angst vor Kontakten verlieren", erklärte Eve mit einem leisen Lachen. "Hierher gehen sehr viele Königinnen, Könige und auch einige Hüterinnen und Speicher aus der gesamten Mittleren Galaxie zu Schule. Ihr seid also nicht die einzige Königin. In Eurem Jahrgang sind nicht ganz so viele, aber gerade in den höheren Klassen gibt es die ein oder andere."
"Hm...", machte sie leise mit einem nachdenklichen Unterton und musterte das glänzende Fleisch am Spieß. "Ich schätze mal das ist der Grund, wieso mich kein Bankett empfangen hat? Ich hatte irgendwie einen großen Empfang erwartet."
Eve kicherte fast kindisch. "Nun, dann müssten wir das mit allen königlichen Kindern tun", sagte sie und klang belustigt. "Es ist ein Ort für junge Königinnen und Könige. Hier herrscht die Rangordnung der stärksten", erklärte sie unverfangen. "Ich möchte Euch damit nicht beleidigen, aber auch unter den Schülern seid Ihr eine Königin, die noch nicht so weit ist, um derartige Ansprüche zu stellen. Ihr seid zwar schon länger erwacht, doch Eure Aura ist noch nicht stark genug, um anderen Befehle zu erteilen. Nicht diejenigen, die mit stärkeren Königinnen aufgewachsen sind."
Verstohlen schielte sie zu der Heilerin und musterte sie eine Weile. Sie wusste nicht so recht was sie von dieser Unterhaltung halten sollte. Sie hatte noch nie andere Königinnen in ihrem Alter kennengelernt und auch hier noch keine getroffen.
"Wenn Ihr möchtet, mache ich Euch mit einigen bekannt. Bitte versucht nicht, ihnen den Krieg zu erklären", meinte Eve, die allerdings so lachte, als wäre sie genau das gewöhnt und würde es erwarten.
Talisa hatte davon gehört, wie Königinnen aufeinander reagierten, doch sie wusste nicht genau, wie es wirklich aussah.
Sicherlich hatte es auch ab und an mal einige Konflikte mit ihr und ihrer Mutter gegeben, doch einen Krieg konnte man das sicher nicht nennen. "Sind denn andere Königinnen in meiner Jahrgangsstufe?", fragte Talisa letztlich und versuchte erneut vorsichtig von dem Spieß abzubeißen.
"Das junge Mädchen mit den Mauseohren. Delyri. Sie ist noch nicht als Königin erwacht, wird es aber in den nächsten Jahren", informierte Eve sie und wirkte dabei nachdenklich.
Überrascht blinzelte Talisa und hielt mit dem Kauen inne. Dieses eingeschüchterte Mädchen sollte eine Königin werden? So recht konnte sie das nicht glauben. Doch noch viel mehr irritierte sie die Tatsache, dass Eve das angeblich wusste, ohne dass sie tatsächlich erwacht war. "Sie wird noch erwachen... doch Ihr wisst, dass es geschehen wird? Wie ist das möglich?"
Das Lächeln, das Eve ihr dieses Mal schenkte war geheimnisvoll. "Sagen wir es so: Wir haben alle unsere Geheimnisse und Beziehungen."
Unzufrieden zog die Valyrierin die Brauen zusammen und blickte zu Eve. "Das ist eine sehr unbefriedigende Antwort...", murmelte sie, um ihre Unzufriedenheit zu unterstreichen.
"Das verstehe ich", stimmte Eve belustigt zu. "Aber ich darf nicht alle meine Geheimnisse oder die meiner Schwestern preisgeben. Das wäre doch auch langweilig", neckte sie sogar. Dabei kam die Heilerin Talisa viel jünger vor, als sie vermutlich war. Wäre die Aura nicht, dann könnte sie als Schülerin durchgehen.
Irgendwie befremdlich, doch machte es den Umgang mit ihr auch irgendwo leichter. Ein leichtes Lächeln legte sich sogar auf Talisas Lippen, als die Schulheilerin so gelassen mit ihr plauderte. "Ihr habt Schwestern?"
"Ja. Sezuna und Yuna sind meine Halbgeschwister", sagte sie im Plauderton und zufrieden.
Augenblicklich erstarrte Talisa und weitete leicht die Augen. Sie konnte nicht anders, doch nach dieser Information fühlte sie sich in gewisser Weise betrogen. Bestand denn dieser ganze Planet nur aus Anhängern der Reichkönigin?
"Sie sind meine kleinen Schwestern", erzählte Eve weiter, als würde sie gar nicht bemerken, dass Talisa nicht darüber sprechen wollte. "Ich weiß, dass sie manchmal einschüchternd wirken, aber sie haben großes Interesse daran, dass die nächsten Generationen von Königinnen so aufwachsen, dass der Frieden gewährleistet ist."
"Ihr Frieden", korrigierte Talisa ohne zu zögernd. Für sie war der Frieden wie sie ihn nannten nämlich alles andere als ein solcher. Wieso sonst war Talisa unter falschen Vorwänden an diese Schule gelockt worden?
"Ist es nur ihr Frieden oder ist es der Frieden aller?", fragte Eve, als wäre es ein unverfängliches und überhaupt nicht wichtiges Thema.
Der Appetit war Talisa inzwischen vergangen, weshalb sie den Rest Mormont hinhielt, damit dieser sich bedienen konnte. "Wenn Ihr mich das wirklich fragt... so scheint mir ihre Art von Frieden doch mehr Eigennutz zu sein als für das gemeine Wohl."
Eve machte eine wegwerfende Handbewegung. "Was glaubt Ihr, hat meine Schwester davon?", fragte sie. "Sie könnte sich auf ihren Planeten zurückziehen und zusehen, wie die anderen Planeten sich gegenseitig kalt machen."
Leicht verengte Talisa die Augen, hielt den Blick jedoch starr auf Mormont gerichtet. "Nur weil man glaubt zu wissen, was das Beste ist, heißt es noch lange nicht, dass das auch der Wahrheit entspricht."
"Das ist richtig", stimmte Eve unumwunden zu. "Aber weiß man denn, ob man alles weiß?", gab sie die Frage zurück, womit sie Talisa verwirrte.
Abrupt schielte sie zu der Schulheilerin und musterte diese nun wesentlich kühler als zuvor. "Was wollt Ihr von mir?"
"Nichts", meinte Eve schulterzuckend. "Ich bin auch ein Lehrer an dieser Schule und rege meine Schüler gern zum Nachdenke an", sagte sie lächelnd, bevor sie sich erhob. "Sezuna würde Euch gern in ihrem Arbeitszimmer sehen", sagte sie plötzlich, wirkte aber nicht so ernst wie Talisa es erwartet hatte.
Und doch war sie nicht wirklich überrascht. Gefasst erhob sie sich und reichte den nun leeren Spieß unbedacht an Zieron weiter, ohne ihn wirklich zu beachten.
So war das also... da ergab es natürlich Sinn, dass die Reichskönigin jemanden vorschickte, um Talisa zu sich zu bestellen. "Ich verstehe", war alles was die Prinzessin erwiderte. Bereit zum Aufbruch wartete sie schweigend darauf, dass Eve vorangehen würde. Auch wenn sie nun wirklich mehr so wirkte, als wolle sie Sezuna selbst den Krieg erklären wollen.
Die Heilerin nickte. "Ihr seid nicht zur Reichskönigin geladen, sondern zu Eurer Lehrerin", klärte sie Talisa auf und diese fragte sich, ob das einen Unterschied machte.
Sie war nach wie vor die gleiche Person. Die gleiche Person, welche sie und ihr gesamtes Volk, mit ihren Worten, in den Dreck gezogen hatte.
Sezuna Shioni Sunomi Kaya Saytan, Goldene Königin der Mittleren Galaxie, Herrin der Hölle und Hüterin der Welten. Ein Name, den sie so penetrant gelernt hatte und wohl auch nie wieder würde vergessen können.
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