Kurzgeschichte - Sternensee
- Diese Geschichte entsteht im Rahmen des Wettbewerbs von GruenerDino7 . Das Thema ist Winter, mein Wort war Stern.-
Ich betrachtete den schimmernden Stern in meinen Händen, der das silberne Mondlicht dieser wolkenlosen Nacht einfing. Dabei sah ich zu, wie sich seine kleinen, glitzernden Kristalle langsam zu Wasser auflösten, das, immer noch schimmernd, in meiner Hand schwappte.
Nach wenigen Sekunden blieb nur noch eine kleine Pfütze in meinen Händen übrig, die ich vor mir in den kleinen See entleerte, den ich auf meinem heutigen Spaziergang erreicht hatte. Ich blieb stehen, der Schnee knirschte und quietschte unter meinen Füßen.
Ich blickte auf. Es war Vollmond, der Mond schien silbern auf mich herab, wie das Scheinwerferlicht auf einer Bühne.
Der einzige Unterschied: ich war allein.
Allein an diesem kleinen Rand, der Kante zwischen Erde und Wasser, dem dunklen Nichts, das ich meine Welt nannte. Ich stand zwischen tiefem Schwarz und glitzernden Weiß. Das war meine Welt.
Hinter mir, in der Ferne, funkelten die grellen LED - Lichter des Weihnachtsmarktes, der heute ausnahmsweise noch bis tief in die Nacht geöffnet hatte. Die leisen Töne von Weihnachtsmusik waren bis hierher zu hören, wurden allerdings von lauten Stimmen und Gelächter überschattet.
Hier am See jedoch war es still. Es war leer. Ein paar viele Meter von mir entfernt lief ein obdachloser Mann, fest in einen dicken Mantel gehüllt. Seine langsamen, trottelnden Schritte führten ihn jedoch am See vorbei, er bemerkte mich nicht.
So ließ mein Blick von ihm ab und ich widmete mich wieder dem klaren See vor mir.
Nach Lachen war mir in dieser Winternacht nicht. Stattdessen setzte ich mich auf eine verschneite Parkbank, die mir augenblicklich einen Schauer von Kälte über den Rücken laufen ließ, und blickte in den schwarzen See. Er war noch nicht ganz zugefroren und so spiegelte sich auf der glänzenden Oberfläche das Abbild der Sterne.
Es hätte mir bewusst sein müssen, dass es sich dabei nur um ein Abbild handelte, doch trotzdem zog ich meine nackte Hand aus der gefütterten Jackentasche, streckte sie nach den Sternen aus und reckte mich noch etwas weiter, um sie zu erreichen.
Die sonst glühende Hitze der Sterne schien kalt, als meine Finger sie berührten. Die Kälte umfasste mein Herz, mein Körper fing langsam an zu beben, im eiskalten, langsamen Rhythmus des Sees.
Plötzlich waren die Sterne überall um mich herum, sie tanzten hell, blitzend und blinkend. In ihnen spiegelte sich das Mondlicht, das mich bald darauf erfüllte. Sie wirkten wie Prismen, ihr aufgefächertes, buntes Licht unwand mich wie tausend Nebelschwaden, wie glühende Bänder aus reinsten Silber. Es schien mir, als hätten sich die Sterne in reine Energie aufgelöst, die mich erfasste.
Ihr silberer Schein tränkte meine Umgebung, der See, einst so dunkel und kalt, war nun ein Meer aus geschmolzenem Silber, aus dem Elixier der Sterne.
Er strahlte mich an, wie als würde er mit mir sprechen wollen. Er ruft mich, er greift nach mir. Er will mich, doch er kann mich nicht haben. Noch nicht.
Er zieht mich in einen ungreifbaren Bann, der Wind zieht mich zu ihm, er greift mich an den Armen. Er schiebt von hinten, bringt mich zum Stolpern und zum Fallen.
Ich falle auf kalten Schnee, doch mit jedem weiteren Herzschlag wird dieser wohlig warm. Er empfängt mich, der Schnee, er erquickt mein kaltes Herz. Er nimmt meine Hand, hagt sich bei mir ein und geleitet mich zum See.
Wenige Meter, eine kurze Distanz. Ich bin auf allen Vieren, umgeworfen von seiner strahlenden Schönheit. Ich greife nach dem silbernen Wasser, in dem sich nun kein Stern mehr spiegelt. Das Wasser ist der Stern. Tausend Sterne sind es.
Ich greife wieder danach. Vorbei.
Ich krieche vorwärts, niemand hält mich, alle drängen mich. Die Wurzeln der Bäume, die den See umrunden, schieben mich durch Gras und Schilf, bis endlich, wunderbar, die kühle Hitze mich ergreift. Kein Schnee mehr bedeckt meine heiß-kalten Glieder, stattdessen umschließt das Silberwasser meinen Körper.
Seine wohlige Wärme empfängt mich, ich gehe hinein.
Knie, Oberschenkel, Taille, Brust. Es umschließt mich vollkommen und ich lasse mich in seine Arme fallen.
Doch so plötzlich wie sie gekommen war versiegelt die Wärme. Sie steigt nach oben gen des sternklaren Himmels und lässt mich allein. Allein mit dem kalten Wasser, dessen silberne Farbe beim nächsten Blick schon einem tiefen schwarz glich.
Ich drohte in das Schwarz hinab zu sinken, es berührte schon meine Ohrläppchen. Ich schloss die Augen und den Mund, bereit, mich dem Schwarz ganz und gar zu ergeben.
Da riss mich eine unbekannte Kraft zurück, packte mich unter den Achseln.
Sie war nicht so sanft und fürsorglich wie die Hand der Sterne und des Schnees, die mich leiteten, doch sie war genauso drängend - fast panisch.
Panisch, das war sie, denn sonst wäre der alte Obdachlose, der eigentlich auf der Suche nach einem Nachtlager war, nicht in den See gesprungen, um mich hinaus zu retten. Er hätte mich nicht wieder schwungvoll an Land gezogen, wenn der See aus Sternen echt gewesen wäre.
Er hätte mich nicht auf seinem kleinen Einkaufswagen in die Stadt, zum Weihnachtsmarkt geschoben, wenn ich nicht am erfrieren gewesen wäre.
Er hätte mich nicht gerettet, wäre ich egal gewesen.
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~850 Wörter
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