Kurzgeschichte - Ewige Tage
-Beitrag für den Schreibwettbewerb von bierfreunde , das Thema ist von eineqvalle -
Wenn der Tag vierundzwanzig Stunden lang geht, dann fängt die Nacht nie an. Doch was ist die Nacht, wenn sie nicht ein Teil des Tages ist?
Es ist Tag. 'Es ist immer Tag', denkt das Leben. Doch das Lebendige würde schon sagen: 'es ist Nacht'.
Also ist es Nacht und die Gestalt, so vielfältig und monströs wie sie ist, sitzt vor dem Fernseher. Es kommt Werbung - der kleine Schokoriegel der Marke Kinder® küsst das Glas Milch. Eine liebevolle Beziehung.
"Ist Dunkel und Hell nicht ein Kontrast?", überlegt sich die Gestalt beim Beobachten des gleichen - ungleichen Paares.
"Das ist es", sagt die Nacht zu ihr, ohne jegliche Wertung in der Stimme.
Die Gestalt nickt, unbeiirt durch die plötzliche Präsenz einer weiteren Person.
"Schön." Das war ihr einziger Kommentar.
Obwohl es sich bei der Gestalt um einen kreativen Kopf handelte, war sie kurz angebunden. Komplizierte Sätze sprach sie, oh ja, doch niemals Lange. Worte mussten Sinn ergeben.
"Wieso tanzen die Beiden im Regen?", fragt die Gestalt. 'Eine kindliche Frage', denken die Lebewesen, doch die Nacht antwortet freundlich: "Der Regen ist ein Teil der Natur. Ein Teil des Lebens. Nicht wahr?"
Die Gestalt nickt. "Der Regen ist notwendig. Regen kann Leben bedeuten."
"Regen kann auch Leben nehmen", spricht die Nacht, "aber es ist niemals seine Intention."
"Der Regen hat kein Gewissen", fährt die Gestalt fort.
"Wieso sagen dann alle, dass der Regen böse ist?" Erwartungsvoll blickt sie der Nacht in die dunklen Augen.
"Die Lebewesen haben Angst vor dem Dunklen", antwortet die Nacht ruhig, "daher ist der Tag auch vierundzwanzig Stunden lang. Im Denken der Lebenden gibt es keinen Platz für die Nacht. Die Nacht ist das Ende."
"Das Ende von was?", fragt die Gestalt neugierig und lehnt sich im roten Samtsessel zurück. Das Licht des Fernsehers wirft ihr Schatten ins Gesicht, die ihre wenigen Falten nurnoch tiefer aussehen lassen.
"Das Ende von dir. Vom Tag. Vom Leben."
"Du meinst der Tod?", fragt die Gestalt und kratzt sich nachdenklich am Kinn.
"Genau", sagt die Nacht zustimmend.
"Ich kenne den Tod nicht", erwidert die Gestalt. Eine unnütze Information, so scheint es.
"Du kannst ihn nicht kennen. Aber du weißt, er existiert. Du kannst ihn nicht umgehen", beschwichtigt sie die Nacht.
"Das ist vielleicht auch gut so", sagt die Gestalt. Es wird nicht klar, worauf sie sich bezieht. Doch obwohl die Situation so vertraut war, sprach die Gestalt einschneidende Worte. Fies klangen sie, für jeden, der in dieser Nacht am gekippten Fenster gestanden und gelauscht hätte.
Doch die Nacht wusste, dass die Gestalt nichts dafür konnte. Es waren Fakten, keine böse Absicht.
"Nenn es nicht gut", sagte die Nacht, die es weiterhin auf sich nahm, die zusammengesunkene Gestalt zu lehren.
Fragend blickt die Gestalt aus müden Augen.
"Es gibt kein gut und böse. Gut und Böse ist das, was du denkst. Alles, was du so betitelst. Du selbst erschaffst es als "gut" und "böse"."
"Ich selbst?", fragt die schwache Stimme der Alten.
"Ihr alle, die Lebenden", antwortet die Nacht.
"Was ist es denn dann?", fragt die Gestalt sichtlich verwirrt.
Die Nacht schweigt, sie überlegt. "Es ist das Leben. Das Leben ist die Natur. Du kannst es nicht kontrollieren. Es will dir nichts "böses". Es ist wie du, das Leben. Es will nichts böses."
"Wieso ist dann jeder so unglücklich mit mir?", fragt die Gestalt, die sich mittlerweile auf dem roten Sessel zurückgelehnt hatte, die Augen bereit zuzufallen.
"Weil du keine Versprechen gibst", flüstert die Nacht.
In der Ferne läutet die Glocke.
Was ist der Tag, wenn er nicht in der Nacht endet?
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