Kurzgeschichte - Der Anti-Elf
-Hierbei handelt es sich um meine Abgabe für den Kurzgeschichtenwettbewerb von _SylvieLoki_ zum Thema Weihnachten/Weihnachtswerkstatt/jemand, der Weihnachten vernichten will-
-------------*merry christmas*--------------
In einer Welt, in der Träume und Wünsche wahr wurden und Bäche aus Schokolade flossen, lebte ein kleiner, unbedeutender Elf.
Er war garnicht so unbedeutend, schließlich war er für all die strahlenden Kinderaugen verantwortlich, die am Weihnachtsabend zum Himmel hinauf blickten und riefen:"Danke Santa!"
Doch der Name des kleinen Elfen war nicht Santa. Santa war sein Vorgesetzter, sein Chef, sein Boss, derjenige, der all den Ruhm erntete. Ruhm für eine Arbeit, die er garnicht verrichtete.
Allerdings waren solche Gedanken im Weihnachtsland verboten. Hier gab es nur Glück, Freude und Diabetis.
Nur ein Spaß, Weihnachten war toll. Toll für jeden, der ein Paket unter seinem Baum hatte.
Dazu gehörte ich nicht.
Wie alle anderen Elfen hatte ich den Namen meiner Mutter geerbt, nur, dass jedes Mal, von Generation zu Generation, ein Vokal ausgetauscht wurde. Doch das fiel den anderen Elfen garnicht auf.
Daher hieß ich Racella. Meine Mutter widerrum hieß Racalla und ihre Mutter muss wohl Racolla, Recilla oder Raculla gehießen haben. Das klang alles falsch, so falsch, dass sich meine Mutter garnicht mehr an den Namen erinnerte. So würde es mir sicherlich genauso gehen, denn wir Elfen, Weihnachtswichtel, wie auch immer ihr uns nennen wollt, wir waren nicht da um ein Familienleben zu führen. Zumindest fühlte sich das so an. Wir waren unwichtig, wir waren die, die Abends einsam die dunklen Straßen entlang liefen, jedoch ohne Angst, denn was konnte uns schon schlimmeres erwarten als dass, was wir jeden Tag durchlebten?
Genau aus diesem Grund wurden wir auch gar nicht lange "gebraucht". Uns vermisste niemand, also wurden wir aussortiert, sobald unser erstes Kind, das war ich, 16 war. 16 Jahre, das sind Menschenjahre, doch nicht einmal eine eigene Zeitrechnung bekamen wir.
So kam es nun dazu, dass ich hier stehe, vor einer rot-weiß gestreiften Tür aus purem Zucker. Ich traute mich garnicht die runden Marzipankügelchen anzufassen, die als Türknäufe dienten, trotzdem schaffte ich es irgendwie die große Vorhalle zu betreten. Irgendwie sah es hier doch schon niedlich aus, wie die kleine Eisenbahn aus Lebkuchen aus dem Eingangsbereich in die Fabrikhalle fuhr und dabei fröhlich Dampfwölkchen ausstieß, die nach Zimt und Zucker rochen.
Der Boden der Halle schien aus aneinander gereihten Butterkeksen zu bestehen, die jedoch in künstlerischer Fertigkeit mit Zuckerguss aneinander geheftet wurden.
Allgemein schien alles aus Zucker, Zucker und noch mehr Zucker zu bestehen. Es gab Stühle aus Lebkuchen und Schokolade, einen mit Plätzchen bedeckten Tresen und eine, mit Zimtsternen gepflasterte, Decke.
Hinter dem Tresen standen zwei Figuren in Lebkuchenmänner-Kostüm, die sich gerade mit einem jungen Elf unterhielten, der etwas kleiner gewachsen zu sein schien, als die sonstigen Arbeiter, die ich durch die Gänge wuseln sah.
Geradewegs schritt ich auf den Tresen zu, doch die Lebkuchenmänner beachteten mich nicht. Ich räusperte mich, immer noch keine Reaktion. Bereits genervt hämmerte ich mit meiner Hand auf die kleine, mit dunkelgrünen Blättern und einer roten Schleife verzierte, goldene Glocke. Einer der Lebkuchenmänner schaute genervt auf und bewegte sich langsam auf mich zu. Sein Mund aus Zuckerguss verformte er dabei, vermeintlich unauffällig, zu einem schrägen Lächeln.
"Was kann ich für dich tun?", fragte er mit monotoner Stimme.
"Ich bin 16", sagte ich knapp.
Der Mann grummelte.
"Nach rechts mit dir und nimm den Kleinen da mit", sagte er schroff und drückte mir einen kleinen Zettel mit einer Nummer in die Hand. Diese lautete "0576".
Ich blickte zu dem kleinen Elf, der mir erwartungsvoll anschaute. "Na auf", wies ich ihn an und lief mit absichtlich lauten und hallenden Schritten auf den rechten Gang zu, in Erwartung, dass der Kleine mir folgen würde.
"Wie heißt du?", fragte der kleine Elf, der eifrig versuchte mit mir Schritt zu halten. Ich antwortete jedoch nicht und lief weiter. "Wie heißt du?", wiederholte er mit pipsiger Stimme.
"Racella", antwortete ich knapp, in der Hoffnung, dass er nun endlich Ruhe geben würde.
"Ich bin Albion von Alriel", sagte der kleine Kerl.
Ich hatte es ganz vergessen zu erwähnen. Männliche Elfen durften ihren eigenen Namen besitzen, allerdings musste dieser mit dem ersten Buchstaben des Vaters beginnen und die Elfen mussten, wenn nach ihrem Namen gefragt wurde, den Namen des Vaters angeben. Denn, auch bei den Elfen, war der Vater der Würdenträger der Familie.
Schweigen trat zwischen uns ein. Es gab keine offenen Fragen, wir wussten beide, wieso wir hier waren.
Der Gang bog um eine Ecke und endlich erstrahle warmes Licht den sonst kühl beleuchteten Gang. Vor uns eröffnete sich die Sicht auf eine ewig lange Halle, deren anderes Ende ich nicht zu sehen vermochte. Überall schwirrten Elfen herum, die allesamt kleine rote Mützen trugen.
Sie transportierten Spielzeuge von links nach rechts, vorne nach hinten, sortierten Einzelteile an Fließbändern oder verpackten bunte Süßigkeiten in noch farbenfroheren Verpackungen. Im Hintergrund spielte Jingle Bells in Dauerschleife.
Kurz gefasst: es war grauenvoll.
"Guten Tag, willkommen in der Weihnachtsfabrik!", ertönte eine programmierte Stimme feierlich, als ich mit meinem kleinen Kumpel in die Fabrikhalle traten. Belustigt lachte ich kurz auf.
"Da sind Sie ja endlich, Nummer 575 und 576! Auf an die Arbeit", sagte eine Stimme aus dem Nichts, die sich im nächsten Moment als eine groß gewachsene, etwas in die Jahre gekommene Elfin entpuppte. "Na hinne! Weihnachten ist in 2 Tagen, wir haben keine Zeit zum Trödeln, husch husch."
Die Elfin drückte uns beiden jeweils eine rote Bommelmütze in die Hand und drückte uns inmitten des Gewirrs von beschäftigten Elfen.
Wir wurden umhergeschubst, Elfen fluchten. "Aus dem Weg!", schrie einer, der gerade mit einem Karren Spielzeugautos vorbei lief. Zack schnell griff ich zu und klaute mir ein Auto vom Wagen."Hey!!", sagte Albion empört, "du darfst den Weihnachtsmann nicht bestehlen!"
"Pff", antwortete ich und ließ das Auto in die Tasche meiner Hose gleiten.
"Was machen wir jetzt?", fragte Albion. "Wie wäre es, wenn ihr mal an die Arbeit geht?", fragte eine tiefe Stimme. Es war ein anderer Elf, der jedoch eine blaue Mütze trug. Ein Aufseher. "Was sollen wir denn tun? Wir haben keine Einweisung bekommen!", fragte der kleine Albion den genervt aussehenden Aufseher.
"Das was eure Eltern hier getan haben. Und jetzt los an die Arbeit", wies der Aufseher sie ab.
"Los an die Arbeit?", schaltete ich mich ein. "Was ist, wenn ich etwas anderes tun möchte als meine Mutter?"
"Was hat deine Mutter denn getan?", fragte der Aufseher mit hochgezogener Augenbraue.
"Sie hat am Fließband bei den Lebkuchenhäusern gearbeitet", antwortete ich.
"Dann ist das auch deine Aufgabe, Nummer 576. Und jetzt hopp, alle Beide!", damit verschwand der Aufseher.
Ich schaute zu Albion, der hatte mir jedoch schon den Rücken zugekehrt und lief in Richtung der Süßigkeitenfabrik.
So machte ich mich allein auf den Weg zu den Lebkuchenhäusern, die genau in dir entgegengesetzte Richtung lagen wie die, in die Albion so eben gegangen war.
Dort traf ich tatsächlich auf die Kinder von ehemaligen Arbeitskolleginnen und Kollegen meiner Mutter, Cian von Calomel, Elanor und Eire hießen sie.
Obwohl die Arbeit stupide und langweilig war, machte es doch Spaß mit den anderen zusammen zu arbeiten. Besonders Eire erzählte gerne Weihnachtsgeschichten, die jedoch immer von Cian unterbrochen wurden, der es schaffte bei jeder dieser etwas Unheimliches dazu zu dichten. So erzählte er eine, seiner Ansicht nach wahre Legende, von einem Elf, der in der Lage war das System zu zerbrechen und Weihnachten zu zerstören. Elanor und Eire hatten diese Geschichte jedoch nur mit einem Lachen als Fiktion abgetan. Sie glaubten nicht daran, dass es einen Elf geben könnte, der ihre kleine heile Welt zerstören wollte.
Falsch gedacht.
Mittlerweile waren Monate vergangen, in denen ich mit Cian, Elanor und Eire zusammen am Fließband gearbeitet hatte. Meine Aufgabe bestand darin die Lebkuchenteile in ihre Verpackungen zu packen und diese zu verschließen. Das klingt wahrscheinlich spannender als es ist, schließlich wurde jeder dieser Schritte durch eine Maschine automatisiert, weshalb ich nur daneben stand und aufpasste, dass auch ja nichts schief ging. Somit verbrachte ich einen großen Teil meiner Zeit damit den anderen zuzuschauen, wie sie die Lebkuchenpackungen in größeren Kartons verpackten und diese auf Wägen stapelten. Ich hatte schon häufiger versucht ihnen zu helfen, jedoch hatte ich jedes Mal einen bösen Blick von einem der Aufseher kassiert. Also ließ ich es bleiben.
Albion hatte ich länger nicht gesehen, ich wusste gar nicht wo er war. Erst am heutigen Tag beschloss ich ihn, mit der Ausrede, dass mir Süßigkeiten zum verzieren der Lebkuchenhäuser fehlten, ihn besuchen zu gehen. Dazu versuchte ich möglichst selbstbewusst die langen Gänge der Fabrik entlang zu laufen, ohne dabei jemandem im Weg zu stehen. Das war tatsächlich mehr oder minder erfolgreich. Ich erhielt zwar zweifelnde Blicke von den Aufsehern, doch wann auch immer mich jemand ansprach, hatte ich eine gute Ausrede vorzulegen.
Das war jedoch vorbei, als ich bemerkte, dass Albion nicht da war. Stutzig stand ich da, alleine, an seinem Fließband.
"Wo ist Albion?", fragte ich seine Mitarbeiter, "Wo ist Nummer 575?"
Niemand antwortete mir. Eine böse Vorahnung überkam mich, mein Herz fing leise an schneller zu pochen.
Ich sprach einen der Aufseher an. "Wo ist Albion?"
"Wer?", fragte dieser desinteressiert.
"Albion!", sagte ich entrüstet, der Stress machte sich langsam in meinem Gehirn breit. "Nummer 575??!"
Langsam hob der Aufseher sein Klemmbrett und schaute auf die Nummern. "Der ist nicht hier."
"Das sehe ich auch, Sie Trottel", sage ich in gereiztem Ton.
Der Aufseher hebt den Kopf und schaut mir in die Augen. "Was wollen Sie von Nummer 575?", fragte er langsam und bedrohlich. Mir wurde klamm ums Herz.
"Ich suche ihn, er ist ein Freund."
"Ein Freund also, ja ja. Dann kommen Sie mal mit", sagte der Mann und führte mich zu einem Gang, der etwas abseits vom Geschehen lag. Gefühlt eine halbe Ewigkeit liefen wir, bis wir eine schwere Eisentür erreichten. Der Aufseher zückte seinen Schlüssel und entriegelte die Tür. Er ließ mich vor ihm hereintreten.
Das Licht in dem Raum war so stark gedimmt, dass meine Augen erstmal einen Moment brauchten, bevor sie alles scharf erkennen konnten. Der Raum war leer, bis auf eine schmale Bank in der linken Ecke und eine Art Toilette und ein Waschbecken an der rechten Wand. Doch da war noch etwas. Ich drehte meinen Kopf. Da saß jemand, gegen die linke Wand gelehnt und schien zu schlafen. Doch seine Augen waren offen und sein Kopf leicht zur Seite geneigt. Sein Atem ging schwer.
"Albion!", schrie ich panisch in dem Moment, in dem ich ihn erkannte. Er blickte auf, seine Augen weit aufgerissen. "Racella, nein!", rief er, doch alle Kräfte schienen ihn verlassen zu haben. Die Tür fiel krachend hinter mir ins Schloss, panisch drehte ich mich um, sprintete zur Tür und rüttelte daran. Doch nichts passierte. Wir waren eingesperrt.
"Albion, was ist hier los?!", schrie ich panisch und rüttelte weiter.
"Sie sperren jeden Weg, der das System anzweifelt", sagte Albion müde. "Es bringt nichts, ich bin seit 2 Wochen hier. Komm her, Racella, es bringt nichts."
Immer noch furios ließ ich von der Tür ab und ging zu Albion, wo ich mich neben ihm auf den Boden fallen ließ.
Sofort spürte ich, wie sein Kopf auf meine Schulter fiel und sein Atmen zu einem leisen Schnarchen wurde.
In dem Moment, in dem ich meinen Kopf zurück gegen die kalte Steinmauer legte, schwor ich mir der Anti-Elf zu sein, der Weihnachten ein für alle mal zerstören würde.
Ich gegen das System.
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1861 Wörter
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