Kurzgeschichte - Alltagsmagie
Hierbei handelt es sich um eine Kurzgeschichte für eisbaerlady und ihren Schreibwettbewerb. Das Thema war "Fantasy".
Manchmal wünschte ich mir, ich würde nicht jeden Tag um die Ecke am kleinen Parkcafé schauen, hinein in den dunklen Stadtwald.
Manchmal wünschte ich mir ich würde nicht das Wispern der Bäume hören, die die Fußwege der Stadt schmückten.
Und manchmal, jedoch ganz selten, wünschte ich mir, dass die Gesichter in den Ladenfenstern verschwinden würden.
Der Tag war warm, es war Frühling. Die Sonne war gerade aufgegangen, doch ich war schon lange auf den Beinen. Nicht nur ich. Um mich herum schwebten die Kinder des Frühlings, kleine, fast durchsichtige Gestalten. Sie schwebten neben mir durch die Stadt, betraten Geschäfte und Banken, hielten Kaffees in den Händen oder hatten eine Tasche über der Schulter.
Manche von ihnen waren so blass, dass ich beinahe durch sie hindurch sehen könnten.
"Ein heller Tag heute", sagte eines der Wesen neben mir. Ich wollte es höflich anlächeln, blickte jedoch ins Leere. Ein kühler Schauer überkam mich, wie als wäre ein kalter Wind vorbei gestrichen.
"Gewiss gewiss", antwortete ich. Plötzlich war die liebliche Stimme wieder da. "Ein Kaffee gefällig?"
Ich schüttelte den Kopf. So hatte es mich meine Mutter gelehrt. Niemals ein Geschenk von Fremden annehmen.
Doch das blasse Wesen erkannte die Geste abermals nicht. Ich räusperte mich. Den Wesen gefiel es so garnicht, wenn man ihnen nicht antwortete.
"Vielen Dank, aber nein danke."
Ein leises Zischen, wie das einer Schlange. Dann war es still. Erleichtert atmete ich aus und zog wieder frische Luft ein. Die Luft füllte meine Lungen, zirkulierte und erfüllte mich mit neuem Tatendrang. Nur der unangenehme Geruch von Schwefel blieb an den letzten meiner Geruchsnerven hängen. Den würde ich auch für den Rest des Tages nicht loswerden.
Genervt wollte ich schnauben, doch mein Blick verfing sich im Schaufenster des kleinen Parkcafés. Vollgestopft war es, voller kleiner gelber Geister. Blass waren sie, doch der Kaffee schien ihnen gut zu tun. Einige nahmen doch wieder eine einigermaßen natürliche Farbe an.
Ihre Fratzen schmückten das kleine Café. Sie schauten hinaus, beobachteten mich und jedes und alles was vorbei kam.
Viel schlimmer waren jedoch die blauen Geister, die sich schimpfend und quasselnd an die Theke lehnten, ihre Aktenkoffer auf dem Boden zwischen ihren Beinen. Ihre Farbe war niemals kräftig. Beinahe hätte ich sie nicht bemerkt, als ich den Laden betrat. Nur das unangenehme Rauschen ihrer Stimmen zerbrach meinen inneren Frieden.
Ich entschied mich bereits zum zweiten Mal an diesem Tag gegen einen Kaffee. Stattdessen ließ ich mir etwas Zitronenwasser zapfen und begab mich damit nach draußen, um dem elenden Geruch der Geister zu entkommen. Mit dem Glas in der Hand schlenderte ich die abknickende Straße entlang. Ich kam zu der Stelle, an der der Asphalt langsam dem Schotter Platz machte, bevor auch dieser dem weichen Waldboden erlag.
Aus dem hell erleuchteten Wald der vor mir lag quollen Geistermassen, Menschenmassen, alles davon. Je mehr sie ins Sonnenlicht traten, desto mehr schienen ihre eintönigen Gesichter zu verblassen, ihre Haut wurde kalt und fahl, als wäre ihr jegliches Leben entwichen.
Mit großem Grauen sah ich das Schicksal dieser verlorenen Seelen an. Der Gedanke daran schüttelte mich. Vielleicht war es auch nur die Erinnerung daran, dass ich selbst wie sie enden könnte. Würde ich nicht jeden Tag den Weg in den Wald wählen. Würde ich nicht jeden Tag den Marktplatz überqueren, vorbei an Aktenkoffern und strengen Mänteln.
Hier im Wald war ich frei. Er gab mir Energie und dieses bisschen Wille weiterzumachen, immer wieder hier her zu kommen.
Ich konnte nicht verstehen wieso Menschen diesen Ort verließen und wieso Geister nicht wieder hierher kamen.
Die Musik des Waldes sog mich ein, fesselte mich wie mit langen Lianen und umschloss mein Herz, ganz feste. Die Blätter kitzelten meinen Herzmuskel, regten ihn dazu an weiter zu schlagen. Weiter, immer weiter.
Der Wald war wie Poesie für mich. Frei und herrlich und doch so dunkel. Die Bäume warfen dunkle Schatten über den Weg. Mir fiel es schwer über sie alle zu springen und so ließ ich mich von ihnen tragen, vom Wind hin und her schubsen, bis meine Haare selbst zu den Ästen im Wind wurden. Hypnotisierend bewegten sie sich über mir und überall um mich herum. Sie schienen zu tanzen, zu tanzen in der stillen Melodie des Waldes.
Nie wunderte ich mich wo die vielen Menschenmassen geblieben waren, die doch ständig den Wald verließen. Hier war ich allein, nie einsam, aber allein. Selten erblickte ich ein paar funkelnde Augen hinter einem Baum, noch seltener entdeckte ich einen bunten Haarbüschel. Hier und da lagen Anstecker auf dem Boden. Doch ich hob sie nie auf, ließ ihre Nachrichten sich in die Erde wurzeln.
Stattdessen lief ich immer weiter, tanzte und sang immer weiter. Ich wusste, dass es nur mein Kopf war, doch die Melodie spielte fort und fort. Sie war das Flüstern des Windes durch die Blätter, das Knarren der steifen Stämme, wenn sie sich im Wind wiegten. Sie war die kleinen Tippelschritte der Käfer, die den Boden behausten.
Es war die Magie des Alltags, die mich einfing. Doch es war die Magie der Natur, die mich immer wieder zu sich zurück holte.
Immer wieder folgte ich dem Weg zurück in die Zeit, in der der Wald noch Freund, die Stadt noch Feind war. Immer fragte ich mich dabei, ob das Spiel vom Freund und Feind nicht immer schlimmer wurde?
Immer tiefer liefen die Geister in den Betonwald hinein, immer tiefer drangen ihre einschneidenden Rufe. Immer weiter marschierten sie, gruben tiefe Löcher in den Boden, Runde um Runde. Doch wie ein dummer Jäger tappten sie immer wieder in ihre eigene Falle, sprangen in die Löcher und marschierten weiter, weiter und weiter. Die Löcher wurden immer tiefer.
Gerne saß ich an ihrem Rand und lauschte, beobachte. Doch wenn das gesammelte Regenwasser meine Zehenspitzen erreichte wusste ich, dass es Zeit war zu gehen.
So sprang ich auf, lief immer tiefer in den Wald hinein, drang immer tiefer in das Dickicht fort. Immer weiter lief ich, schaute nie zurück. Immer weiter.
Ich folgte dem Weg des Lebens, den einsamen Pfaden der Tiere, die die traurige Landschaft schmückten. Zu oft wirkte es als hätte sie mich vermisst, wenn ich über ihre tiefen Narben strich und sich ihr himmelblaues Angesicht in dunklen Tränen auflöste.
Dann quoll ihre erdige Haut auf, ihre tiefen Narben polsterten sich durch das Elixier. Ihr grünes Haar reckte und streckte sich, wuchs dem Ursprung ihrer Natur entgegen.
So gerne hätte ich nur hier gelegen und den Wald beim Weinen beobachtet. Doch aus der Fern' sah ich, dass die Sonne hinter der Stadt unter zu gehen drohte. Ihr Licht schaffte es kaum noch über die dunklen Mauern der Menschheit, doch es wollte nie unter gehen. Ein langer Sonntag für die Menschheit, ein kurzer Tag im Paradies.
Ich stand auf, meine Hand verließ die Oberfläche des kleinen Sees an dem ich stand. Ich machte mir nicht die Mühe sie abzuwischen, stattdessen reckte ich sie in die Höhe, der immer wärenden Sonne entgegen und versuchte ihre letzten Strahlen einzufangen, bevor sich der Tag der Nacht hingab.
Nur aus der Ferne schien das ewige Licht der Stadt, blutig rot.
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~1187 Wörter
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