Kapitel 4
"Ich habe Angst" sagte ich am Frühstückstisch und berichtete John und Ella von dem Vorfall letzte Nacht. Eine ganze Weile sahen sie sich nachdenklich an, ehe John das Wort ergriff. "Bist du dir ganz sicher, dass es kein Alptraum war? Manchmal träume ich auch komische Dinge die mir Angst machen."
Ich hatte auf eine andere Reaktion gehofft, aber trotzdem konnte ich ihm nicht übel nehmen, dass er mir nicht glaubte. Schließlich war der Brief verschwunden und es gab keinerlei Beweise dafür, dass ich die Wahrheit sprach. Wenn sich die Sache nicht durch und durch verrückt anhören würde, hätte er sicher nicht an meinen Worten gezweifelt. Trotzdem verletzte mich seine Frage auf gewisse Weise. "Nein, ich bin mir sicher. Bitte, wir müssen etwas unternehmen" versuchte ich es nochmal. John fuhr sich durch die Haare und ich konnte sehen, wie schwer es ihm fiel die richtigen Worte zu finden. "Also gut Maya, nehmen wir mal an, dass du recht hast. Was sollen wir deiner Meinung nach tun? Vielleicht die Sicherheitsabteilung der Stadt verständigen? Ohne einen Beweis werden sie keinen Finger rühren." Ich atmete tief durch und musste zugeben, dass seine Worte Sinn ergaben. Die Chancen bei der Sicherheitsabteilung irgendetwas zu erreichen standen mehr als schlecht. Zumal sie täglich mit ängstlichen Bürgern zutun hatten, die meinten etwas beunruhigendes gesehen zu haben, was sich später als Hirngespinst rausstellte. Sollte ich sie mit einer unglaubwürdigen Geschichte konfrontieren, würden sie mich sicher nicht ernst nehmen. Ella stand auf, schlenderte zur Küchentheke und schüttete sich ein Glas Wasser ein. "Du weißt, dass wir immer für dich da sind Maya, aber ich wüsste auch nicht was wir in diesem Fall tun könnten. Behalte einfach immer im Hinterkopf, dass wir hier in Sicherheit sind."
Ich nickte knapp und versuchte mich zu beruhigen. Eine Gänsehaut kroch mir über den Körper und ich fragte mich, warum gerade ich diesen Brief erhalten habe und nicht irgendein anderer Mensch, wie beispielsweise Ella oder John. Das konnte doch kein Zufall sein.
John sah mich so an, als würde er ebenfalls darüber nachdenken. Natürlich wusste er, dass mich die Monster verschonten, das war schon häufig mehr als offensichtlich gewesen, auch wenn er es als Zufall oder Glück bezeichnet hatte. Ob er wohl auch auf die Idee gekommen war, dass dieser Brief womöglich mit den Xa'garr zusammenhing und diese etwas bestimmtes von mir wollten?
Obwohl mir John und Ella wichtig waren, hatte ich ihnen gegenüber nie erwähnt, dass ich die Sprache der Aliens verstand. Oft hatte ich mit mir gekämpft es ihnen zu sagen, doch allein die Vorstellung, dass sie sich mit diesem Wissen von mir abwenden könnten, jagte mir fürchterliche Angst ein. Auch wenn ich es ihnen nicht zutrauen würde, war es manchmal besser keine Risiken einzugehen.
Der Tag zog schneller an mir vorbei als gedacht. Da Wochenende war, hatte ich die meiste Zeit im Stadtpark verbracht, wie so oft in meiner Freizeit. Es gefiel mir einfach, zwischen den Blumen und der Natur zu sitzen, während ich meine Gedanken schweifen ließ. Seitdem sich die Menschen in die Stadt zurückgezogen haben und den geschützten Ort nur im Notfall verließen, war der Park zu einem beliebten Aufenthaltsort geworden. Im Sommer waren die Grünflächen gut besucht und die Bänke schnell besetzt, wenn man nicht früh genug da war. Ich konnte mich also glücklich schätzen noch einen Sitzplatz ergattert zu haben.
Meine beste Freundin Sarah, mit der ich mich am Nachmittag verabredet hatte, erzählte mir, dass sie bald eine kleine Schwester bekommen würde und ich freute mich für sie. Wir kannten uns bereits seit über einem Jahr und haben uns auf Anhieb gut verstanden. Sarah war achtzehn und wohnte mit ihren Eltern gerade mal einen Häuserblock weiter, es waren also nichtmal fünf Minuten bis zu ihr. Wenn wir zusammen unterwegs waren, hatten wir eigentlich immer was zu lachen und auch heute brachte sie mich auf andere Gedanken, bis ich den beunruhigenden Brief völlig vergessen hatte. Erst als ich mich am späten Abend ins Bett legte, wurde ich von meinen Sorgen wieder eingeholt.
Unruhig wälzte ich mich hin und her und versuchte einzuschlafen, doch mir spukten zuviele Dinge durch den Kopf. Immer wieder nickte ich kurz ein, um wenige Minuten später erneut aufzuwachen. Der Wecker zeigte mittlerweile zwei Uhr Morgens an und eine Verbesserung war nicht in Sicht. Seufzend setzte ich mich auf die Bettkante und rieb mir über die Augen. Aus irgendeinem Grund war ich ganz schön aufgewühlt und mein Herz schlug schneller als sonst. Mir wurde immer wärmer und als ich es nicht länger aushielt, stand ich auf, um das Fenster zu öffnen.
Heute Nacht waren keine Sterne zu sehen und dunkle Wolken schoben sich vor den Mond. Der Wind heulte laut und wirbelte meine braunen Haare immer wieder auf, während er sanft meine Haut liebkoste. Ich schloss die Augen und atmete tief durch. Warum machte ich mir eigentlich solche Sorgen? Es würde schon nichts schlimmes passieren. Ella hatte doch gesagt, dass wir sicher waren. Die Mauer wurde gut bewacht und bei dem kleinsten Anzeichen von Gefahr, würden sich die Wachleute darum kümmern.
Ein letztes mal schaute ich in die Nacht hinaus, bevor ich das Fenster schloss und mich wieder ins Bett legte. In dem Glauben, dass Ella Recht hatte, gelang es mir sogar einzuschlafen, um genau eine Stunde später erneut aus dem Schlaf gerissen zu werden. Leise Stimmen waren zu hören und als ich feststellte, dass sie weder aus der Wohnung kamen noch menschlich waren, saß ich mit einem Mal kerzengerade im Bett.
"Was geht hier vor sich?" fragte ich nervös, erhielt aber keine Antwort. Die Stimmen waren eindeutig in meinem Kopf, doch ich konnte sie nicht verstehen, egal wie sehr ich mich bemühte. Es machte fast den Eindruck, als würden sie es nicht zulassen und irgendwie störte mich das. Eine Hitzewelle erfasste meinen Körper und dünne Schweißperlen bildeten sich auf meiner Stirn. Irgendetwas stimmte nicht mit mir.
Die Stimmen wurden lauter und ich hielt automatisch meinen Kopf fest. Was sollte dieser Unfug? Ich wollte sie endlich verstehen, wollte erfahren wovon sie sprachen.
"Das wirst du schon bald", sagte eine sanfte, doch zugleich tiefe Stimme, die sich von den anderen abhob und einem Mann gehören musste. Einem jungen Mann, vielleicht mitte Zwanzig.
Erst jetzt wurde mir vollends bewusst, dass ich nicht nur Stimmen hörte, sondern das auch noch ein Fremder in meinem Kopf war, der mit mir kommunizieren wollte. Ich musste entweder krank oder völlig verrückt sein. Kurz überlegte ich ins Bad zu eilen, um kaltes Wasser über mein Gesicht zu kippen, da hörte ich ihn ein weiteres Mal.
"Die Zeit ist reif, wir erwarten dich, Maya. Trete vor die Tore der Stadt und wir werden auf ein Blutbad verzichten." Ich hätte schwören können, dass er bei diesen Worten gelächelt hat. Ein Anflug von Panik breitete sich in mir aus und mein Körper verkrampfte sich.
"Was wollt ihr von mir und wer seid ihr?" fragte ich mit zitternder Stimme und hielt die Bettdecke fest an mich gedrückt.
"Ich gebe dir genau zehn Minuten. Begib dich freiwillig zu uns oder wir kommen rein und holen dich, du hast die Wahl" meinte er nur und seine Worte trafen mich wie ein Faustschlag ins Gesicht. Nachdem er gesagt hatte, was er sagen wollte, wurde es still. Auch die anderen Stimmen verstummten und das Einzige was blieb war ein eisiges Gefühl in meiner Brust. Mit jeder Sekunde die verging wuchs meine Angst und ich wagte es kaum, auf die Uhr zu schauen. Was sollte ich jetzt nur tun?
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro